# taz.de -- Preußenkitsch in Potsdam: Verunsicherte Gesellschaft
> Die neue Garnisonkirche steht für komplettes Retro. Wer ein
> rückwärtsgewandtes Stadtbild insgesamt sucht, ist in Potsdam genau
> richtig.
IMG Bild: Proteste im April gegen die Eröffnung der Garnisonkirche in Potsdam
Der Wiederaufbau der Garnisonkirche ist als Symbol des preußischen
Militarismus abzulehnen? Ach was. Preußen ist selbst in Potsdam so
mausetot, dass auch seine Symbole niemanden erschrecken müssen. Seine Reste
lassen sich in fast jede politische Richtung kneten, mit Toleranzedikt und
Allgemeinem Landrecht nach Mitte-links, mit Militarismus und Kaiserreich
nach rechts.
Die Symbolik ist so beliebig, dass sie auch schon wieder egal ist. Das
Zeichen, [1][das der Wiederaufbau der Garnisonkirche setzt] – ausgerechnet
auf Kosten eines alten DDR-Rechenzentrums, das inzwischen zu einem
soziokulturellen Freiraum geworden ist –, ist gleichwohl beunruhigend.
Die neue alte Kirche im Zentrum weist auf eine verunsicherte Gesellschaft,
die gerne diskutiert, wo sie herkommt, aber keinerlei Idee davon hat, wo
sie hin muss. Wer durch die Potsdamer Innenstadt flaniert, kann das auf
wenigen Quadratmetern besichtigen: Ein kurzer Weg ist es von der
Garnisonkirche bis zum weitgehend original aufgebauten Stadtschloss, vor
dem putzige Reihenhäuser auf historischem Grundriss fast fertig gebaut
sind; dafür musste die Fachhochschule weichen.
[2][Der Staudenhof, ein Plattenbau, der günstigen Wohnraum bot], wird
gerade abgerissen; auch dort folgen Neubauten. Ressourcensparendes,
gemeinwohlorientiertes, klimaneutrales Bauen und Wohnen? Hier nicht. Wer
ein Bild sucht für eine Gesellschaft, die sich mutlos an die fossile
Industrie des vergangenen Jahrhunderts klammert, sich Wohnen und
Produzieren nur räumlich getrennt vorstellen kann und das gute Leben im
Konsumieren sucht – die findet es hier, mitten in Potsdam.
Wer danach noch einen Ausflug an den Stadtrand macht, fährt durch
Eigenheime und teuren Geschosswohnungsbau, autogerecht, mit Gasanschluss.
Erst seit Kurzem gehen die Stadtwerke das Thema Fernwärme durch Geothermie
an. Der Ausbau der Straßenbahn zu geplanten Neubauvierteln im Grünen
hingegen scheitert – am Denkmalschutz.
7 Aug 2024
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