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       # taz.de -- Talfahrt der Börsen: Erst mal kein Grund zur Panik
       
       > Schlechte US-Arbeitsmarktzahlen ließen die Börsenkurse zeitweise
       > rutschen. Doch sollte eher der Krieg im Nahen Osten beunruhigen.
       
   IMG Bild: Am Montag war die Stimmung auf dem Börsenparkett der Wall Street nicht die beste
       
       Berlin taz | Heute scheint die Welt wieder in Ordnung zu sein. „Was in
       Tokio passiert ist, war nicht normal im Sinne neuer Informationslage“, sagt
       Thomas Theobald, Finanzmarktexperte beim Institut für Makroökonomie und
       Konjunkturforschung (IMK), einen Tag nach dem Börsenrutsch. Doch das sei
       kein Grund zur Panik gewesen. „Gesunde Gegenbewegungen“ hätten inzwischen
       dafür gesorgt, dass sich die Lage wieder beruhigt.
       
       Am Montagmorgen hatte zunächst eine Hiobsbotschaft die Finanzwelt
       erschüttert: Der japanische Aktienleitindex Nikkei war um 12,4 Prozent
       eingebrochen. Das war der größte Kursrutsch seit 1987. Andere Börsen wurden
       mit der schlechten Stimmung angesteckt. Auch [1][der deutsche Leitindex
       DAX] rutschte am Montag um 1,82 Prozent auf 17.339 Punkte ab. Doch die
       Erholung folgte sogleich. Der Nikkei stieg am Dienstag wieder um ebenfalls
       rekordverdächtige 9,4 Prozent, auch in Frankfurt kletterten die Aktienkurse
       wieder nach oben. Es war also alles doch nicht so schlimm.
       
       Dabei sind Aktienkurse so etwas wie Wetten auf künftige Gewinne. Steigen
       sie, dann bedeutet das, dass die Investoren davon ausgehen, dass die
       Unternehmen ordentlich Gewinne machen. Gleichzeitig sinken sie, wenn die
       Geschäftsaussichten mau sind. Insofern sind die Finanzmärkte eigentlich so
       etwas wie ein Spiegel der Wirtschaft. Zumindest in der Theorie. Denn
       praktisch gibt es eine Reihe weiterer Faktoren, die die Börsenkurse
       beeinflussen.
       
       Zum einen ist auf den Finanzmärkten eine ganze Menge Psychologie mit im
       Spiel. Zum anderen beeinflussen auch die Notenbanken die Börsenkurse
       maßgeblich. Senken sie ihre Zinsen, dann bedeutet das frisches Kapital für
       die Finanzmärkte, was wiederum die Aktienkurse in die Höhe treibt. So kam
       es schon häufiger vor, dass es den Börsen gut ging, obwohl die
       Realwirtschaft darbte.
       
       ## „Übertriebene Marktpsychologie“
       
       Beim jüngsten Kursrutsch war laut Experte Theobald eine gute Portion
       „übertriebene Marktpsychologie“ mit im Spiel. Denn der Auslöser waren neue
       [2][Konjunkturdaten aus den USA]. Doch die sind eigentlich gar nicht so
       schlecht, wie die Reaktion der Börsen erwarten ließ. Was die Börsen
       aufschreckte, war die Nachricht, dass in den USA im Juli weniger neue
       Arbeitsplätze geschaffen wurden als zunächst erwartet. So kamen „nur“
       114.000 neue Jobs außerhalb der Landwirtschaft hinzu. Experten hatten mit
       rund 175.000 gerechnet.
       
       Für Theobald rechtfertigt dies nicht die Stärke der Kursrutsche. „Zwar
       zeichnet sich eine Konjunkturdelle in den Vereinigten Staaten ab, eine
       Rezession ist derzeit aber nicht in Sicht“, sagt er. So ist die
       US-Wirtschaft bisher relativ gut durch die letzten Krisen gekommen. Im
       vergangenen Jahr wuchs sie um 2,5 Prozent. Zum Vergleich: Die deutsche
       Wirtschaft schrumpfte 2023 um 0,3 Prozent.
       
       „Es ist weniger überraschend, dass die US-Wirtschaft einen Zinsdämpfer
       erfährt, sondern dass sie so lange so robust durchgehalten hat“, sagt
       deshalb Ökonom Theobald. Für ihn gibt es drei andere Gründe, warum die
       Börsenkurse am Montag so abgesackt sind: Erstens warteten in letzter Zeit
       eine Reihe von Tech-Unternehmen mit schlechten Quartalszahlen auf, für die
       sich überzogene Erwartungen gebildet hatten. Das setze auch die Aktien von
       IT-Giganten wie Apple, Amazon und Alphabet unter Druck.
       
       Zweitens herrscht derzeit an den Börsen derzeit so etwas wie
       Urlaubsstimmung. Das heißt, dass weniger gehandelt wird. Dies wiederum
       führt dazu, dass einzelne Transaktionen größere Auswirkungen auf den Kurs
       haben und es so schneller zu Ausschlägen kommen kann.
       
       ## Angst vor Eskalation in Nahost
       
       Vor allem aber verunsichert die [3][Situation im Nahen Osten] auch die
       Finanzmärkte. „Es herrscht derzeit eine große Unsicherheit, ob es zu einer
       Eskalation kommt. Und solche Ungewissheiten sind immer Gift für die
       Finanzmärkte“, sagt Theobald. Er geht davon aus, dass deshalb in nächster
       Zeit Marktschwankungen häufiger auftreten können, weil sich die Lage
       unmittelbar auf den Ölpreis auswirkt.
       
       Schließlich ist der Nahe Osten laut Angaben der Bundesanstalt für
       Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) mit einem Anteil von knapp einem
       Drittel an der globalen Förderung nach wie vor der weltweit wichtigste
       Erdölproduzent. Kriege in der Region trieben in der Vergangenheit schon
       mehrfach die Ölpreise nach oben.
       
       Im Rahmen des Jom-Kippur-Krieges 1973 zum Beispiel drosselten die
       arabischen Länder ihre Ölforderung, um die westlichen Länder bezüglich
       ihrer Unterstützung Israels unter Druck zu setzen. Die Folge war eine
       Ölpreiskrise. Das ließ die Inflation damals in der Bundesrepublik auf über
       7 Prozent steigen. So hoch waren die Teuerungsraten erst wieder in der
       Energiepreiskrise, die der [4][russische Angriff auf die Ukraine] 2022
       ausgelöst hatte.
       
       6 Aug 2024
       
       ## LINKS
       
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