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       # taz.de -- Rechte Bewegung in Nordirland: Internationaler Rat für Rechtsradikale
       
       > Rassisten aus den USA und weiteren Ländern wollen ihre Gesinnungsbrüder
       > in Irland unterstützen. Mit dabei: Ein Ex-Ku-Klux-Chef und Andrew Tate.
       
   IMG Bild: Die Randale der Rechten richtete sich in Belfast vor allem gegen muslimische Geschäfte
       
       Dublin taz | Es war fast wie früher: Die Polizei wurde während gewaltsamer
       Ausschreitungen im nordirischen Belfast Anfang der Woche mit Benzinbomben,
       Steinen und Ziegelsteinen angegriffen. Und doch war diesmal etwas anders:
       Der rechte Mob schwenkte sowohl den britischen Union Jack als auch die
       irische Trikolore. So hatte man sich die Annäherung zwischen den beiden
       Bevölkerungsgruppen, die sich lange bekämpft hatten, nicht vorgestellt.
       
       Der Gewaltorgie ging ein Wochenende voller Unruhen voraus, [1][ausgelöst
       von einem Amoklauf] im nordwestenglischen Southport, bei dem drei Mädchen
       erstochen und weitere Kinder teils schwer verletzt wurden. Tatverdächtig
       ist ein Jugendlicher mit ruandischem Migrationshintergrund.
       
       Die Randale der Rechten richtete sich in Belfast vor allem gegen
       muslimische Geschäfte. Unter anderem wurden Cafés und Supermärkte im Süden
       der Stadt durch Brandbomben schwer beschädigt. Die Polizei hinderte die
       Menge daran, zum Islamischen Zentrum zu marschieren, woraufhin [2][die
       Demonstranten] in die Nebenstraßen auswichen.
       
       Der Supermarkt von Bashir, der seinen Nachnamen nicht nennen will, wurde in
       Schutt und Asche gelegt. Er sagte, dass die islamische Gemeinschaft nicht
       erst seit dem Wochenende Zielscheibe von Rassisten sei. „Die Polizei hat
       nicht eingegriffen“, sagte er und fragte: „Was ist das für eine Polizei,
       die zulässt, dass die Leute alles niederbrennen?“
       
       ## Internationale Hilfe für irische Rechtsradikale
       
       Rechtsextreme Gruppen aus dem irischen Dublin ergreifen die Gelegenheit,
       bei den anhaltenden Ausschreitungen in Nordirland mitzumachen. Am
       vergangenen Wochenende reisten sie mit der irischen Trikolore und Plakaten
       mit der Aufschrift „Coolock sagt Nein“ nach Belfast zu ihren
       Gesinnungsgenossen. Coolock [3][ist ein benachteiligter Stadtteil] im
       Norden der irischen Hauptstadt Dublin. In einem ehemaligen Fabrikgebäude
       dort sollen etwa 500 Asylbewerber untergebracht werden. Der Widerstand
       rechtsextremer Gruppen formierte sich schnell, binnen einer Woche brannte
       es fünfmal in dem Gebäude.
       
       Die Proteste gegen Einwanderung haben für Aufmerksamkeit in der
       internationalen rechtsextremen Szene gesorgt. Rassisten aus den USA, aus
       dem Vereinigten Königreich und anderen Ländern bieten ihren irischen
       Pendants Unterstützung, Geld und Ratschläge an.
       
       Etwa Frank Silva – eine prominente Figur in der US-amerikanischen
       rassistischen Bewegung der 80er Jahre. Er war Anführer des Los Angeles
       Chapter des Ku-Klux-Klan und Gründungsmitglied von „The Order“, einer
       neonazistischen Terrorgruppe, die eine Reihe von Gewaltverbrechen in den
       USA verübte, bevor das FBI sie auflöste. Er wurde 1985 zu einer 40-jährigen
       Haftstrafe verurteilt und ist der prominenteste von mehreren
       US-amerikanischen „White Supremacists“, die irische Aktivisten beraten.
       
       In einer Beratung via Videokonferenz, deren Aufzeichnung der Irish Times
       vorliegt, erinnert sich ein anderer US-Amerikaner an einen Artikel über
       Schweinekadaver, die auf einem Gelände vergraben worden waren, um den Bau
       einer Moschee dort zu verhindern. Ein irischer Rassist reagierte
       begeistert: „Das ist eine tolle Idee“. Er schlug vor, Schweineblut in
       Wasserpistolen zu füllen und es Muslimen ins Gesicht zu spritzen. In der
       darauffolgenden Woche wurden zwei halbtote Schweine in Thornton Hall
       gefunden, einer Anlage in Dublin, die als Unterkunft für Hunderte von
       Asylbewerbern vorgesehen ist.
       
       ## Tommy Robinson: „Macht weiter so“
       
       Während der Gewalttätigkeiten in Coolock kontaktierte außerdem der
       [4][britische rechtsextreme Agitator Tommy Robinson] einen Gesinnungsbruder
       in Dublin, der darüber gesprochen hatte, mit gestohlenen Autos Polizeiwagen
       zu rammen. „Es ist toll, das zu sehen, Jungs“, schrieb er. „Macht weiter
       so.“ Robinson treibt sich seit einiger Zeit in irischen rechtsextremen
       Kreisen herum und hat Verbindungen zu migrationsfeindlichen Gruppen.
       
       Auch [5][die berüchtigten Gebrüder Tate], ehemalige Kickboxer mit
       britischer und US-amerikanischer Staatsangehörigkeit, wollen in Irland
       mitmischen. Zurzeit sind sie in Rumänien wegen Vergewaltigung und
       Ausbeutung von Frauen angeklagt. „Wenn dieser Mist in Rumänien vorbei ist,
       will ich nach Irland ziehen und Spenden für all diese mutigen Menschen zu
       sammeln, die ihr Land vor der Invasion retten“, sagte Andrew Tate im Mai.
       Vorigen Monat hatte Tristan Tate 4.600 Euro an irische
       Antimigrations-Aktivisten für den Kauf von Lautsprechern und anderer
       Ausrüstung gespendet.
       
       ## Unterstützung rechtsextremer Ideologien in Irland hoch
       
       Noch haben die Rechtsextremen in Irland den Durchbruch nicht geschafft,
       aber der Boden ist fruchtbar. Im März stellte das
       Meinungsforschungsunternehmen FocalData in acht Ländern Untersuchungen an:
       den USA, dem Vereinigten Königreich, Frankreich, Deutschland, Italien, den
       Niederlanden, Schweden und Irland. In sieben dieser Länder gibt es starke
       rechtsextreme Bewegungen, die Ausnahme ist Irland.
       
       Die Studie zeigt jedoch, dass es dort nicht an Unterstützung für
       rechtsextremen Überzeugungen mangelt. Es ist aber bisher niemandem
       gelungen, diese Überzeugungen in eine ernstzunehmende politische Kraft zu
       transformieren. Auf die Frage, ob sie die Unterstützung einer solchen
       Partei in Betracht ziehen würden, antworteten 31 Prozent der Befragten in
       Irland mit Ja. Das ist ebenso viel wie in den USA, England und [6][Italien]
       und sogar ein höherer Wert als in Deutschland.
       
       ## Ein Lichtblick sind die Gegendemonstrationen
       
       Für Samstag ist nun das nordirische Regionalparlament zu einer
       Sondersitzung einberufen worden. Die Erste Ministerin Michelle O'Neill von
       Sinn Féin und ihre gleichberechtigte Stellvertreterin Emma Little-Pengelly
       von der Democratic Unionist Party sagten in einer gemeinsamen Erklärung,
       dass es „Null-Toleranz-Politik gegenüber Rassismus und mutwilliger
       Zerstörung“ geben müsse.
       
       Aber es gibt einen Lichtblick: Am vorigen Wochenende gingen Hunderte zu
       einer [7][antirassistischen Gegendemonstration] in Belfast auf die Straße.
       In den sozialen Medien wird nun erneut zu Protesten gegen Einwanderung in
       ganz Nordirland am kommenden Wochenende angestachelt. Die
       Gegendemonstranten werden dann wieder gefordert sein.
       
       9 Aug 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Nach-Messerangriff-in-Grossbritannien/!6025036
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   DIR [6] /Berlusconi-und-Italien/!6023780
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       ## AUTOREN
       
   DIR Ralf Sotscheck
       
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