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       # taz.de -- Sichtbarkeit von Sportlerinnen: Und nun zu den Nachrichten
       
       > Die Präsenz von Sportlerinnen im TV ist trotz Aufwärtstrend gering.
       > Olympia kann mit erstmaliger Geschlechterparität die Zahlen etwas
       > aufbessern.
       
   IMG Bild: Das deutsche Team mit (vl) Paulina Paszek, Jule Hake, Pauline Jagsch und Sarah Brüßler jubelt über den zweiten Platz
       
       Von Missionen und Visionen ist bei den Machern der Olympischen Spiele schon
       aus Vermarktungsgründen ständig die Rede. So wundert es kaum, dass sie auf
       dem Weg zu ihren hehren Zielen auch die Medien ein wenig an die Hand
       nehmen.
       
       Vor den Sommerspielen in Paris wurde etwa [1][ein 37-seitiger
       aktualisierter Ratgeber] veröffentlicht, der sich mit der bestmöglichen
       medialen Darstellung der Geschlechter befasst. Den TV- und Rundfunksendern
       wird darin empfohlen, „so weit wie möglich sicherzustellen, dass die
       gleiche Sendezeit und Berichterstattung dem Sport von Frauen und Männern
       gewidmet sind.“
       
       Günstige Bedingungen dafür hat das Internationale Olympische Komitee (IOC)
       selbst geschaffen. Bei diesen Olympischen Spielen in Paris sind erstmals so
       viele Frauen wie Männer am Start. Das damit verbundene Ansinnen, eine
       geschlechtergerechte Sportberichterstattung herzustellen, kann fast schon
       als revolutionär bezeichnet werden. Im Alltag sind die Sportredaktionen der
       TV- und Radiosender, Zeitungen und Onlinemedien weit davon entfernt – auch
       die taz.
       
       Der Sportausschuss des Bundestages hat sich erst im März mit der mangelnden
       Sichtbarkeit von Sportlerinnen in den Medien beschäftigt. Damals beklagte
       die Ruderin Pia Greiten, die in Paris gerade mit dem Doppelvierer Bronze
       gewann, die geringe Medienpräsenz des Frauensports wirke sich nachteilig
       auf die Vermarktbarkeit und das Sponsoreninteresse aus.
       
       Die geringeren Einnahmen wiederum erschwere die Finanzierbarkeit von
       Frauensportevents. Zudem wies sie daraufhin, dass die wenigen Blicke auf
       den Frauensport häufig noch „sehr stark sexualisiert“ seien.
       
       Wie wenig Aufmerksamkeit die Leistungen von Sportlerinnen im
       öffentlich-rechtlichen Fernsehen erhalten, unterstreicht auch eine aktuelle
       Untersuchung [2][von Media Tenor], einem Schweizer Unternehmen für
       Medienanalysen.
       
       ## Überraschende Zahlen in der Leichtathletik
       
       Über den Zeitraum von 2012 bis Mitte 2024 wurden die
       Hauptnachrichtensendungen der ARD („Tagesschau“, 20 Uhr) und des ZDF
       („heute“, 19 Uhr) nach Sportmeldungen durchforstet. Die Männerdominanz beim
       Fußball und Radsport mag dabei wenig überraschen. Erstaunlich ist
       allerdings, dass selbst in Sportarten, die weniger geschlechtsdominant
       erscheinen, große Disbalancen festzustellen sind.
       
       So drehten sich in den ZDF-Nachrichten 231 Leichtathletikmeldungen um
       Männer und nur 130 um Frauen. Bei der ARD ist das Missverhältnis (131/74)
       ähnlich. Im Wintersport schafften es laut Media Tenor Männer 2.278-mal in
       die ZDF-Nachrichten, Frauen hingegen nur 1.225-mal. Bei den ARD-Nachrichten
       gewinnen ebenfalls männliche Athleten den Vergleich (1.061:499) deutlich.
       
       Auf Anfrage der taz, wie diese Differenzen zu erklären sind und wie
       Sportmeldungen für die Nachrichten ausgewählt werden, erklärt die ARD: „Die
       Auswahl der Nachrichten erfolgt ausschließlich nach journalistischen
       Nachrichtenkriterien, das Geschlecht zählt nicht dazu.“ Eine eigene
       statistische Auswertung von Nachrichten würde diesem journalistischen
       Grundsatz widersprechen.
       
       Zudem wird auf die Abhängigkeit von den Sport-Senderechten hingewiesen, auf
       deren Erwerb die Nachrichtenredaktion keinen Einfluss habe. Gleicht man
       diese Aussagen mit den Media-Tenor-Resultaten ab, heißt das übersetzt wohl,
       dass der Aufmerksamkeitswert, den eine Nachricht auf sich ziehen kann,
       Männersportnachrichten nach wie vor stark begünstigt.
       
       Sowohl ARD als auch das ZDF machen indes darauf aufmerksam, die
       Media-Tenor-Analyse würde die wachsende Sichtbarkeit von Sportlerinnen in
       ihren jeweiligen Sportsendungen außer Acht lassen. Insbesondere wird das
       verstärkte Engagement in den letzten Jahren im Frauenfußball hervorgehoben.
       
       Aber auch in anderen Sportarten würde „die Entwicklung vorangehen“, so die
       ARD und weist auf die nächste Woche beginnende Radrundfahrt [3][„Tour de
       France Femmes“] hin, die erstmals täglich auf ihrem Sender zu sehen sein
       wird.
       
       ## Seltsame Entscheidungen
       
       Zahlen zur Präsenz von Sportlerinnen in deutschen Sendungen sind nur schwer
       aufzutreiben. Eine Untersuchung in Österreich aus dem Jahre 2019/20 stellte
       fest, dass die Präsenz von Sportlerinnen im täglichen Sportüberblick der
       ORF-Sendung „Sport Aktuell“ bei nur 15 Prozent lag.
       
       Von einem ausgeglichenen Verhältnis dürfte man auch im deutschen TV weit
       entfernt sein. Nur während der Olympischen Spiele herrscht nun der
       Ausnahmezustand. Wobei es auch hier zu seltsamen Entscheidungen kommt.
       
       Als die deutschen 3x3 Basketballerinnen und späteren Gold-Gewinnerinnen im
       Halbfinale nur noch 25 Sekunden zu spielen hatten, brach man die
       Übertragung lieber für pünktliche „heute“-Nachrichten ab. Als wenige Tage
       später die Weitsprunglegende Bob Beamon im Olympia-Studio zu Gast war,
       fingen die Nachrichten dagegen mit Verspätung an.
       
       Anm. der Redaktion: In einer früheren Version hieß es, die Übertragung des
       Finalspiels sei abgebrochen worden. Es war aber das Halbfinale. Wir haben
       die entsprechende Stelle geändert.
       
       8 Aug 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://olympics.com/ioc/gender-equality/portrayal-guidelines
   DIR [2] http://de.mediatenor.com/de
   DIR [3] /Tour-de-France-der-Frauen/!5947870
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Johannes Kopp
       
       ## TAGS
       
   DIR Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
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