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       # taz.de -- Long-Covid-Erkrankung: Zehrendes Ringen um Anerkennung
       
       > Paula Büttelmann infizierte sich mit Corona, erkrankte am Chronischen
       > Fatigue-Syndrom. Die Sportstudentin schafft heute nicht mehr als 600
       > Schritte am Tag.
       
   IMG Bild: Bundesweit machen Menschen auf ME/CFS Erkrankung aufmerksam. Hier bei einer Liegenddemo in Berlin
       
       Hamburg taz | Paula wirkt wie eine sehr aufgeweckte Person, aber nach einem
       halbstündigen Zoom-Gespräch wird sie sich erst mal wieder hinlegen. Es
       bleibt ihr einziger Termin an diesem Tag, die restliche Zeit verbringt sie
       im Bett.
       
       28 Jahre alt ist Paula. Vor gut zwei Jahren hat sie sich mit [1][Corona]
       infiziert. „Ich hatte kaum Symptome, wusste es nur, weil der Test positiv
       war“, erzählt sie. Erst drei Monate später kam ME/CFS, umgangssprachlich
       auch chronisches [2][Fatigue-Syndrom] genannt, eine besonders starke
       Variante von Long-Covid-Erkrankungen.
       
       Die Kassenärztliche Vereinigung Hamburg zählte allein in den ersten drei
       Quartalen des vergangenen Jahres knapp 14.000 Fälle von
       Post-Covid-Krankheiten. Am [3][Severe-ME-Awareness-Day] forderten rund 100
       Demonstrant*innen vor dem Universitätsklinikum Eppendorf (UKE) mit
       einer Liegenddemo eine bessere Versorgung und mehr Forschung.
       
       Für Paula ist eine Demo zu anstrengend. Ihr Lehramtsstudium in Geografie
       und Sport hat sie schon längst aufgeben müssen und bereits zu Beginn der
       Krankheit war sie stark eingeschränkt: „Bis zur nächsten U-Bahn nahm ich
       für eine Haltestelle den Bus, das konnten meine Kommiliton*innen
       überhaupt nicht verstehen.“ Ihnen wirft sie das nicht vor, aber über Ärzte
       kann sie sich aufregen.
       
       Vor Kurzem war sie in der Klinik der Berufsgenossenschaft in Bergedorf.
       Dort können sich Long-Covid-Erkrankte, die sich auf der Arbeit angesteckt
       haben, untersuchen lassen. Die Erfahrung, die sie dort machte, war jedoch
       unterirdisch. „Ich hatte Atteste von anderen Ärzten dabei, die ME/CFS
       diagnostiziert haben. In Bergedorf machten sie viele Untersuchungen, aber
       weil die Ergebnisse in kein Schema passten, attestierten sie mir eine
       psychosomatische Erkrankung.“ Sie verschrieben ihr Psychotherapie und
       „Aktivierung“.
       
       Das klingt absurd und macht Paula wütend, denn nichts sei in dieser
       Situation schlimmer, als sich zu überlasten und wenn alles auf die Psyche
       geschoben wird. Ihr maximales Bewegungspensum liegt bei 600 bis 700
       Schritten am Tag. Darüber hinauszugehen, kann zu einem Crash führen, dann
       ist sie für fünf bis 14 Tage noch platter als ohnehin schon.
       
       Selbst der Elektrorollstuhl löse viele Probleme nicht. Die Geräusche und
       der Stress auf der Straße – das sei einfach zu viel. „Ich habe jetzt eine
       50-prozentige Behinderung bestätigt bekommen, mit der ich Bus und Bahn
       fahren darf, aber die kann ich aufgrund von Reizüberflutung sowieso nicht
       benutzen.“ Viele andere Menschen in ihrer 70-köpfigen Selbsthilfegruppe
       kämpfen um Anerkennungen. „Fast alle haben einen Anwalt“, sagt Paula.
       
       Trotz ihrer wenigen Energie beschäftigt sich Paula anscheinend sehr viel
       mit dem Thema. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) nehme Long
       Covid ernst, spreche von einer Volkskrankheit. Es gebe auch einen
       Bundesausschuss, der Richtlinien für den Umgang mit Long Covid auf den Weg
       gebracht hat, aber in Hamburg scheine das niemanden zu interessieren.
       
       Nach dem Haus- und Facharzt sollen Betroffene eine Long-Covid-Ambulanz
       aufsuchen. „Hier gibt es das aber nicht“, sagt Paula. In Bergedorf könnten
       sich eben nur Menschen untersuchen lassen, die sich auf der Arbeit
       angesteckt haben, und das UKE wolle eine solche Ambulanz nicht einrichten.
       
       11 Aug 2024
       
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