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       # taz.de -- Konzertclub kämpft gegen die Pleite: Land unter am Elbufer
       
       > Der Hamburger Konzertschuppen Hafenklang braucht Geld und startet ein
       > Crowdfunding. Mittelfristig seien Politik und Eventfirmen in der
       > Verantwortung.
       
   IMG Bild: Mehrfach ausgezeichnet für sein tolles Konzert-Programm: Hafenklang am Hamburger Fischmarkt
       
       Hamburg taz | Wie ein Relikt aus vergangenen Zeiten: Ende der 1990er wurden
       am Altonaer Nordufer der Elbe moderne Büro- und Gewerbegebäude hochgezogen,
       die sogenannte „Perlenkette“. Auch das Gebäude, in dem sich der Live-Club
       Hafenklang befindet, sollte einem Hotelneubau weichen. 1890 war das
       ehemalige Stallgebäude für Straßenbahnpferde erbaut worden, seit den
       1970ern diente es als Musikstudio und Künstlertreff, Udo Lindenberg und
       Einstürzende Neubauten nahmen dort bereits auf.
       
       Durch massiven Protest wurde der Bau 1997 gerettet, dieses Jahr feiert das
       Hafenklang als Live-Club sein 25-Jähriges: eine dunkle Halle im
       Erdgeschoss, darüber der freundlichere „Goldene Salon“ sowie Büros.
       
       Seit Corona hat auch dieser Club massive Geldprobleme: Vieles sei anders
       geworden, sagt Thomas Lengefeld vom Betreiber:innen-Team. In der ersten
       Hälfte des laufenden Jahres sei ein Defizit von 55.000 Euro entstanden.
       „Obwohl wir eigentlich nichts anderes machen, keine Werbung, kein Booking,
       sonst irgendetwas.“
       
       Kurzfristig will das Kollektiv den Weiterbetrieb mittels Crowdfunding
       sichern, mittelfristig seien aber die Politik gefordert und die
       Branchenriesen, die kleine Konzertveranstalter zunehmend kaputt machten.
       
       ## Ausgezeichnetes Programm
       
       Mehrfach wurde der Laden für innovatives Programm ausgezeichnet, auch zum
       „Live-Club des Jahres“ erklärt. „Wir sind eine Institution, sagt man“,
       heißt es auf der Hafenklang-Internetseite, und: „ebenso nah an der Elbe wie
       am Puls der Zeit“. Wichtiger als die Einnahmen war den Betreiber:innen
       immer, [1][Künstler:innen eine Bühne zu geben,] die sie mögen – auch
       wenn eine später die große Hamburger Sporthalle ausverkaufende Band wie At
       the drive-in dann eben vor nur sieben Leuten spielte.
       
       Dass es so aber nicht mehr funktioniert, sei schon länger klar, sagt
       Lengefeld: Seit dem Auslaufen der staatlichen Coronahilfen habe man rund
       100.000 Euro in den Veranstaltungsbetrieb gesteckt. Das Problem betreffe
       [2][die ganze Branche], liege vor allem am veränderten Freizeit- und
       Ausgehverhalten, sagt Lengefeld, der sich seit den 1990ern auch ums Booking
       kümmert.
       
       Der Trend gehe zum Großevent. „Da geben die Leute ihr schmaler gewordenes
       Budget aus. Die Kids sind über Spotify und Youtube sozialisiert und nicht
       mehr im Club.“ Auch die Getränkepreise in so einem Laden überforderten
       gerade Jüngere, die dann eben cornern, also [3][draußen vor dem Kiosk
       feiern]: In den vergangenen vier Jahren sei der Getränkeumsatz im
       Hafenklang um ein Drittel eingebrochen, sagt Lengefeld.
       
       Zugleich sei die Inflation und damit die Produktionskosten gestiegen. „Bei
       einem Konzert brauchen wir 130 bis 150 Leute, um überhaupt schwarze Zahlen
       zu schreiben.“ Ein inhabergeführter Club könne auf Veranstaltungen
       verzichten, die nicht einträglich genug sind – oder einfach Partys
       veranstalten, auf denen viel getrunken wird, die aber nicht viel kosten.
       
       ## Es geht nicht nur ums Geldverdienen
       
       Hinter dem Hafenklang stecke aber ein Kollektiv, dessen Anspruch eben nicht
       nur sei, Geld zu verdienen. So könne man junge Bands nicht leer ausgehen
       lassen, indem sich der Club etwa erst mal alle Einnahmen bis 600 Euro
       sichere, und die Künstler:innen nur bekommen, was darüber hinaus noch in
       der Kasse landet.
       
       Nun gehe es darum, ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass da etwas
       wegbreche. „Das versuchen wir der Politik gerade klarzumachen.“
       Konzertbühnen wie das Hafenklang bräuchten eine verlässliche Förderung,
       findet Lengefeld, so wie Theater. Sonst seien anspruchsvolle Programme
       nicht mehr möglich. Das sähen auch alle ein, mit denen er bislang
       gesprochen habe. Aber in der Politik drehten sich die Mühlen langsam – „Bis
       dahin sind wir längst pleite“.
       
       Das Crowdfunding sei dennoch nur eine vorübergehende Notlösung. Lengefeld
       setzt nicht nur auf Unterstützung seitens der Politik, sondern spricht auch
       die Riesen der Konzertbranche an. Etwa die Sponsoring-Abteilung von Live
       Nation, weltgrößte Eventfirma, Jahresumsatz 16,7 Milliarden Dollar, gegen
       die [4][in den USA derzeit ein Kartellverfahren läuft].
       
       Das Büro liegt 50 Meter entfernt vom Hafenklang in einem Glasloft am
       Elbhang. Dort habe er sich als Nachbar vorgestellt und dem Chef gesagt:
       „Ihr habt ein Imageproblem, wir haben ein Geldproblem, kommen wir da
       irgendwie zusammen?“ Es wurde gelacht, aber man kam ins Gespräch.
       
       ## Auf die eigene Crowd ist Verlass
       
       Aufgegeben hat das Hafenklang-Kollektiv noch lange nicht. „Wir sind nach
       wir vor sportlich und kämpferisch eingestellt“, sagt Lengefeld. Am Samstag
       aber ist erst mal die Altonaer [5][Punkrockkneipe „Café Treibeis]“ im
       Hafenklang zu Gast.
       
       Auch der geht es seit Corona gar nicht gut. Acht Bands, die zu hören sind
       auf einem „Treibeis Soli Sampler“, der im April herauskam, spielen unten in
       der düsteren Hafenklang-Halle, oben gibt es Essen und Merchandising. Auf
       die eigene Crowd ist immer noch Verlass.
       
       www.startnext.com/broke-but-dope-save-hafenklang
       
       8 Aug 2024
       
       ## LINKS
       
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   DIR [5] https://www.cafe-treibeis.de/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Robert Matthies
       
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