URI: 
       # taz.de -- Besteuerung von Superreichen: G20 reden über globale Regeln
       
       > Beim Treffen der G20 soll es auch um Gerechtigkeit und weniger
       > Steuerflucht gehen. Brasiliens Präsident Lula präsentiert einen neuen
       > Vorschlag.
       
   IMG Bild: Eine Milliardärssteuer würde eine Riesenwelle machen beim Treffen der G20 in Rio de Janeiro
       
       Berlin taz | Die [1][internationale Mindeststeuer für MilliardärInnen] ist
       diese Woche eines der Themen in der brasilianischen Küstenstadt Rio de
       Janeiro. Dort treffen sich VertreterInnen der 20 wichtigsten
       Wirtschaftsmächte weltweit, der sogenannten G20-Gruppe.
       
       Was ist die Milliardärssteuer? Brasiliens Präsident Inacio Lula da Silva,
       der augenblickliche Vorsitzende der G20-Gruppe, präsentiert einen Vorschlag
       nach einem Konzept des französischen Ökonomen Gabriel Zucman. Die etwa
       3.000 Privatpersonen weltweit, die mindestens eine Milliarde US-Dollar
       (rund 900 Millionen Euro) besitzen, sollen jährlich mindestens zwei Prozent
       ihrer Einkommen oder Vermögen an den Staat zahlen. Zucman zufolge brächte
       dies global zusätzliche Steuereinnahmen von 200 bis 250 Milliarden Dollar.
       Vor allem wäre es ein [2][Mittel gegen Steuerflucht].
       
       Was spricht für eine Reichen-Steuer? Sehr reiche Privatpersonen zahlen oft
       deutlich weniger Steuern als NormalverdienerInnen. Das zeigen etwa
       Statistiken Zucmans und der Europäischen Steuerbeobachtungsstelle. Während
       beispielsweise in Frankreich ArbeitnehmerInnen zwischen 40 und 50 Prozent
       ihrer Einkommen an den Staat abtreten, sind es bei den MilliardärInnen nur
       noch gut 20 Prozent. Ein Grund: Sehr vermögende Personen können sich
       BeraterInnen leisten, die das Kapital bestmöglich anlegen. So [3][fehlen
       vielen Regierungen Mittel, um in Bildung, Gesundheit oder Umweltschutz zu
       investieren]. Deshalb sprechen sich PolitikerInnen wie Lula oder
       Entwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) für eine Milliardärssteuer aus.
       Konservative oder liberale Politiker wie Bundesfinanzminister Christian
       Lindner (FDP) halten dagegen, dass Reiche schon hohe Steuern zahlten.
       
       Gibt es aktuell Vorgaben? Seit 2017 tauschen die Steuerbehörden von mehr
       als 100 Ländern Informationen über Einkommens- und Vermögensverhältnisse
       ihrer StaatsbürgerInnen aus. Sie teilen sich zum Beispiel gegenseitig mit,
       wenn Privatpersonen Kapital ins Ausland transferieren. Nach Angaben der
       Steuerbeobachtungsstelle ist die Steuervermeidung dadurch um etwa zwei
       Drittel zurückgegangen. Außerdem gibt es das [4][Abkommen über die
       Mindestbesteuerung von Unternehmen], die in mehreren Ländern aktiv sind.
       Diese sollen mindestens 15 Prozent Abgaben auf ihre Gewinne entrichten.
       Liegt der Steuersatz im Ausland darunter, kann das heimische Finanzamt
       nachversteuern. Einige Staaten nehmen jedoch nicht teil. Prominentestes
       Beispiel: „Die USA beteiligen sich am automatisierten Informationsaustausch
       nur partiell, am Abkommen über die Mindeststeuer für Unternehmen praktisch
       gar nicht“, sagt Markus Meinzer vom Netzwerk für Steuergerechtigkeit.
       
       Wie verhält sich die EU? Meinzer: „Spezielle Steuerregeln einzelner
       EU-Staaten für bestimmte Individuen und Unternehmen sind ein
       Riesenproblem.“ Die Steuerbeobachtungsstelle nennt etwa Frankreich, Irland,
       Luxemburg oder Malta, die bestimmte Regeln aushöhlten. Ökonom Stefan Bach
       vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung hat ausgerechnet, dass
       Zucmans Konzept in Deutschland „zwischen 5 und 17 Milliarden Euro jährlich
       einbringen“ könnte.
       
       Wäre die Steuer praktikabel? Experten wie Zucman und Bach sind der Ansicht,
       dass die Staaten eine Steuer auf Milliardenvermögen durchsetzen könnten,
       weil sie schon heute über notwendige Basisinformationen verfügen – etwa die
       Gewinnaufteilung von Firmen zwischen einzelnen Staaten oder Angaben über
       vererbtes Kapital.
       
       Gibt es politischen Willen für eine Reichensteuer? Dass sehr reiche
       Privatpersonen und Unternehmen immer noch Steueroasen finden oder
       Vergünstigungen genießen, liegt daran, dass einzelne Regierungen sich davon
       mehr Vorteile versprechen als von international koordinierter Besteuerung.
       Die gespaltene geopolitische Lage verspricht keinen großen Einigungswillen.
       
       23 Jul 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Finanzexpertin-ueber-Steuerpolitik/!6008070
   DIR [2] /Arte-Doku-Tax-Wars--Krieg-der-Steuern/!6018812
   DIR [3] /Fairer-Kapitalismus/!5957910
   DIR [4] /Abschluss-des-G20-Gipfels-in-Bali/!5895782
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Hannes Koch
       
       ## TAGS
       
   DIR Steuern
   DIR G20-Gipfel
   DIR Milliardäre
   DIR Social-Auswahl
   DIR Steuerflucht
   DIR G20-Gipfel
   DIR Steuern
   DIR Soziale Gerechtigkeit
   DIR Ampel-Koalition
   DIR Schwerpunkt Klimawandel
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Wegen Trumps „Rachesteuer“: 100 Milliarden Dollar weniger für den Rest der Welt
       
       Bei der Globalen Mindeststeuer verfängt wieder eine Drohung des
       US-Präsidenten. Die G7 einigen sich auf Ausnahmen für Konzerne aus den USA.
       
   DIR G20-Gipfel in Brasilien: Lahme Enten am Zuckerhut
       
       Brasiliens Präsident Lula will eine weltweite Allianz gegen den Hunger
       schmieden. Doch schon sein Nachbar aus Argentinien macht Schwierigkeiten.
       
   DIR Steuern für Konzerne und Superreiche: „Das erfordert globale Regeln“
       
       Die Vereinten Nationen diskutieren, wie man international gerecht
       besteuert. Welche Staaten dabei bremsen, berichtet Expertin Tove Ryding.
       
   DIR Reichensteuer und Krankenversicherung: Mehr Geld für viele
       
       … und weniger Vorteile für wenige: Was Christian Lindner bei Steuern und
       Krankenversicherung von den Nachbarn Österreich und Schweiz lernen kann.
       
   DIR Ausgesetzte Vermögenssteuer: 380 Milliarden Euro Schaden
       
       Die Regierung unter Kohl setzte 1996 die Vermögenssteuer aus. Das Geld
       fehlt jetzt. Eine Wiedererhebung scheitert auch am Widerstand der FDP.
       
   DIR Finanzexpertin über Steuerpolitik: „Mehrheit der Welt soll profitieren“
       
       Wie lassen sich Sozialpolitik und Klimaschutz bezahlen? Finanzexpertin
       Chenai Mukumba ist dafür, Superreiche und Konzerne stärker zu besteuern.