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       # taz.de -- Berliner Radinfrastruktur: Jetzt soll das Gericht Tempo machen
       
       > AnwohnerInnen von fünf Hauptverkehrsstraßen klagen gegen den Senat wegen
       > Untätigkeit: Ihre Anträge auf geschützte Radwege würden verschleppt.
       
   IMG Bild: Immerhin: An anderer Stelle in der Schönhauser Allee gibt es nun schon einen geschützten Radweg
       
       Berlin taz | „Der Geduldsfaden gerissen“ ist den
       Mobilitätswende-AktivistInnen des Vereins Changing Cities eigentlich schon
       vor einem halben Jahr – aber jetzt ist er wirklich endgültig durch: Nachdem
       am 1. Februar fünf AnwohnerInnen von Berliner Hauptverkehrsstraßen [1][in
       einer von Changing Cities koordinierten Aktion förmliche Anträge an den
       Senat gestellt hatten], dort geschützte Radstreifen anzulegen, haben sie
       nun eine Untätigkeitsklage beim Berliner Verwaltungsgericht eingereicht.
       Begründung: Die von Ute Bonde (CDU) geleitete Senatsverwaltung für Verkehr
       habe die Anträge schleifen lassen.
       
       Konkret geht es um Abschnitte an der Leipziger Straße (Mitte), der
       Schönhauser Allee (Pankow), der Hermannstraße (Neukölln), der
       Kaiser-Friedrich-Straße (Charlottenburg-Wilmersdorf) und der Treskowallee
       (Lichtenberg). Obwohl diese Straßen zu Berlins Unfallschwerpunkten
       gehörten, fehle es dort an sicherer Infrastruktur, hatten die Betroffenen
       in ihren von einer Anwaltskanzlei aufgesetzten Anträgen argumentiert.
       
       Wie Changing Cities nun mitteilt, habe die Senatsverwaltung erst nach
       erneuter Fristsetzung im Mai mitgeteilt, dass sie die Prüfungen für die
       Hermannstraße, die Treskowallee und die Schönhauser Allee abgeschlossen
       habe. Erst im Juni habe sie in einem Schreiben die Situation an diesen
       Straßenabschnitten ausführlicher erörtert, jedoch keine rechtliche
       Stellungnahme abgegeben. Nachdem eine weitere Aufforderung durch die
       AntragstellerInnen von Ende Juni keine Ergebnisse gezeitigt hätten, sei
       jetzt – wie angedroht – geklagt worden.
       
       Es sei „ein Trauerspiel“, dass der Dialog mit der Senatsverwaltung „über
       die Gerichte erzwungen werden muss – und ein großes Manko für die
       Demokratie“, meint Paul Jäde von Changing Cities. Es verfestige sich der
       Eindruck, „dass die Sicherheit von Radfahrenden überhaupt keine Priorität
       hat“. Dabei sei es schon „skandalös“, dass die Senatsverwaltung mit dem Bau
       sicherer Radwege weit hinter ihren Zielen liege: „Gerade mal 10,6 statt der
       anvisierten 50 Kilometer wurden im ersten Halbjahr 2024 realisiert.“
       
       Um die durch die Klage entstehenden Kosten finanzieren zu können, wirbt
       Changing Cities um Spenden. Der Verein erwartet, dass das Gericht die
       Senatsverwaltung auffordern wird, innerhalb einer bestimmten Frist eine
       rechtliche Stellungnahme abzugeben. In diesem Zusammenhang dürfte sich auch
       noch einmal klären, ob einzelne Betroffene überhaupt berechtigt sind,
       konkrete Anträge auf Einrichtung von Verkehrsinfrastruktur an die
       Verwaltung zu richten. Anfang Februar hatte die Verkehrsverwaltung dies
       angezweifelt: Es gebe dazu bisher keine Rechtsprechung.
       
       ## Bremsspur des Radwegestopps
       
       Derweil wird immer deutlicher, wie sehr die im vergangenen Sommer von
       Bondes Vorgängerin Manja Schreiner (CDU) ausgelöste [2][Prüfpause für
       bereits angeordnete Radwege deren Einrichtung verzögert hat]. Die der taz
       vorliegende Antwort der Verkehrsverwaltung auf eine noch unveröffentlichte
       Anfrage der verkehrspolitischen Sprecherin der Grünen-Fraktion, Oda
       Hassepaß, zeigt: Ein Jahr, nachdem die Planungen für 16 Projekte von
       Schreiner dann doch unverändert wieder freigegeben wurden, ist fast nichts
       davon fertig – für sechs davon wurden noch nicht einmal Firmen mit der
       Ausführung beauftragt.
       
       Bei zwei Projekten wurden lediglich die Leistungen für einzelne
       Bauabschnitte vergeben. Im Fall des geschützten Radwegs auf dem Straßenzug
       Schlesische und Köpenicker Straße in Kreuzberg betrifft dies die
       Schlesische Straße. Hier konnte die Verkehrssenatorin am Freitag gleichwohl
       Vollzug melden: Vom Schlesischen Tor bis zur Bezirksgrenze mit
       Treptow-Köpenick – auf 750 Metern Länge – wurde der Radweg beidseitig mit
       2,25 Meter Breite plus 75 Zentimeter Schutzstreifen angelegt. Für eine
       bauliche Trennung sorgen 30 Zentimeter breite Klebeborde sowie „Leitboys“.
       Der Ausbau an der Köpenicker Straße sei „für kommendes Jahr geplant“, hieß
       es.
       
       Gar nichts tut sich dagegen bei drei Projekten, die nach dem Radwegestopp
       umgeplant werden sollten, insbesondere um den Wegfall von Kfz-Parkplätzen
       zu minimieren. Dabei handelt es sich um die Stubenrauchstraße in Neukölln,
       die Roedernallee in Reinickendorf und die Blankenfelder Chaussee in Pankow.
       „Abstimmungen laufend“, heißt es hier lediglich in der von der
       Senatsverwaltung erstellten Übersichtstabelle. Wann die Überarbeitung
       fertig sein wird, ist also unklar.
       
       Der Radwegestopp von 2023 ziehe „eine unübersehbare Bremsspur“ hinter sich
       her, kommentiert Oda Hassepaß diesen Zustand. „Der Schaden, den dieser
       Senat mit seinem Radwegestopp für die Menschen, die sicher Radfahren
       möchten, angerichtet hat, ist viel größer und langanhaltender als ohnehin
       schon befürchtet“, findet die Grünen-Abgeordnete.
       
       26 Jul 2024
       
       ## LINKS
       
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