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       # taz.de -- Sellner in Marburg: „Klarer antifaschistischer Erfolg“
       
       > Mehr als 2.000 Menschen demonstrieren in Marburg gegen die geplante
       > Lesung von Martin Sellner. Die Lesung wurde offenbar nach Gladenbach
       > verlegt.
       
   IMG Bild: Proteste gegen Besuch von Rechtsextremist Sellner in Marburg am 29. Juli 2024
       
       Marburg taz | Eigentlich hatte der österreichische Rechtsextremist Martin
       Sellner angekündigt, am gestrigen Montag in Marburg aus seinem Buch
       „Remigration“ lesen zu wollen, Veranstaltungsort und -zeit hatte er aber
       geheimgehalten. Nun fand seine Lesung nicht wie geplant in Marburg, sondern
       in der hessischen Kleinstadt Gladenbach statt. Das lag offenbar unter
       anderem auch an der eindeutigen Haltung: Auf zwei verschiedenen
       Demonstrationen haben Tausende gegen Sellners Lesung protestiert.
       
       Mit etwa 1.000 Menschen zog die erste Demonstration vom Marburger
       Marktplatz zu den Räumlichkeiten der Marburger Burschenschaften Germania,
       Rheinfranken und Normannia, wo die Demo-Veranstalter:innen Sellners Lesung
       vermuteten. Aufgerufen zu der Demonstration hatten der Kreisverband der
       Linken und das Marburger Bündnis gegen Rechts.
       
       „Unser Ziel ist es, Martin Sellner aktiv den Raum zu nehmen und ihm
       möglichst keinen Raum zu lassen, damit er nicht auftreten kann“, sagte Jana
       Klein, Sprecherin des Marburger Bündnisses auf der Kundgebung vor den
       Räumlichkeiten. Man wolle damit aktiv verhindern, dass die Nazis mitten in
       Marburg über ihre „Remigrationsphantasien“ diskutieren und sich vernetzen.
       
       ## Katz-und-Maus-Spiel in der Stadt
       
       Doch Sellner war nicht, wie erwartet, bei seinen Burschenschaftsfreunden zu
       Hause, was zu einem Katz-und-Maus-Spiel in der Stadt führte: Einige
       Gegendemonstrant:innen begegneten einigen Teilnehmern der
       Sellner-Lesung am späten Nachmittag auf dem Marburger Messeplatz, wo es
       kurzzeitig zu Blockaden von etwa 150 Personen sowie zu Rauchbomben kam.
       Dabei hob die Polizei teilweise Demonstrant:innen von der Straße und
       erteilte Platzverweise, „da die Teilnehmenden den Beschränkungen der
       Versammlungsbehörde nicht nachkamen“, hieß es vom Polizeipräsidium
       Mittelhessen. Vom Messeplatz sollen Sellner und sein Lesekreis den Platz
       mit Autos verlassen haben, berichteten Augenzeugen der taz.
       
       Am Montagabend bestätigte das Polizeipräsidium, dass Sellners Lesung am
       späteren Abend mit rund 50 Teilnehmern statt in Marburg in Gladenbach
       stattfinden konnte. Auch hier kam es zum Protest, doch die „Polizeikräfte
       verhinderten eine Konfrontation zwischen den Teilnehmern der Lesung und den
       Gegendemonstranten“, so die Polizei.
       
       Nach Ansicht der Gruppe „Communist Action & Theory“ vom Bündnis gegen
       Rechts war die Verlegung des Veranstaltungsortes ein Erfolg der
       Gegendemonstrierenden: „Der Tag hat gezeigt, dass radikaler Antifaschismus
       in Form von Blockaden, Recherchen und Mobilisierungen die Lesung Martin
       Sellners in Marburg verhindern konnte“, so die Gruppe zur taz.
       
       Erst sei ihm durch antifaschistischen Druck die Räumlichkeit in Marburg
       gekündigt worden, der Versuch des klandestinen Treffens abseits der
       Marburger Innenstadt sei durch Blockaden von 150 Antifaschist:innen
       hinausgezögert worden, „um dann bei einem bekannten Faschisten in
       Gladenbach seine Lesung abhalten zu können. Wir werten die Aktionen als
       klaren antifaschistischen Erfolg aus“, so die Gruppe.
       
       ## Weitere Lesungen in Deutschland
       
       Zeitgleich fand in der Marburger Innenstadt vor der Stadthalle eine weitere
       Kundgebung mit 2.500 Teilnehmer:innen statt. Aufgerufen dazu hatten die
       Stadt Marburg und das Netzwerk für Demokratie und gegen Rechtsextremismus.
       „Wir stehen hier, weil wir keine menschenfeindliche Propaganda dulden
       wollen und dulden werden“, so Marburgs Oberbürgermeister Thomas Spies (SPD)
       auf der Kundgebung.
       
       Viel zu lange habe man verfassungsfeindlichen Aussagen Raum gegeben und
       weggeschaut. Jetzt müsse unmissverständlich klargestellt werden, was
       Grundkonsens des Gemeinwesens sei und was nicht. „Hass und
       Menschenfeindlichkeit sind in unserer Stadt nicht willkommen“, so Spies.
       
       Anfang Juli hatte die Marburger Stadtverordnetenversammlung einen Beschluss
       gefasst, dem bis auf den AfD-Vertreter alle Stadtverordneten zustimmten.
       „Die Universitätsstadt Marburg missbilligt mit allem Nachdruck, dass Martin
       Sellner in Marburg Thesen zur Vertreibung eines Teils unserer
       Einwohner*innen propagieren will“, hieß es darin. Die Stadt hatte
       bereits im Vorfeld von Sellners Besuch ein Einreiseverbot angestrebt, war
       damit aber gescheitert. Zuvor hatte Sellner im April mit einem Eilantrag
       ein [1][Einreiseverbot nach Deutschland verhindern können.]
       
       Der ehemalige Anführer der rechtsextremen Identitären Bewegung in
       Österreich hatte im November 2023 bei einem Treffen in Potsdam [2][seinen
       „Masterplan zur Remigration“] vorgestellt und dabei mit anderen
       Rechtsextremen die Vertreibung von Millionen Menschen aus Deutschland
       geplant. Das Recherchezentrum „Correctiv“ hatte im vergangenen Januar das
       Treffen öffentlich gemacht, woraufhin Millionen Menschen in ganz
       Deutschland demonstrierten. Der 35-jährige Rechtsextremist plant in dieser
       Woche weitere Lesungen in Deutschland, unter anderem in Saarbrücken,
       Pforzheim und Passau. Auch dort sind Gegendemonstrationen geplant.
       
       30 Jul 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Potsdamer-Geheimtreffen/!6015236
   DIR [2] /Hintergrund-des-Begriffs-Remigration/!5987412
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Yağmur Ekim Çay
       
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