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       # taz.de -- L'amour toujours: Reclaim your Italo-Dance-Kracher
       
       > „Döpdöpdöp“ darf man nicht den Rechten überlassen. Stattdessen sollte
       > „L'amour toujours“ zum antifaschistischen Sommerhit 2024 gemacht werden.
       
   IMG Bild: Nach links. Nach rechts
       
       Kürzlich schrieb ich an dieser Stelle: [1][„Döpdödödödöp, dödödöpdöpdöp!“]
       Weil ich diese Zeile auch als Titel wählte, waren die fürs Internet
       zuständigen Kolleg*innen nicht begeistert.
       
       Sie zögerten, den Text mit dieser Überschrift ins Internet zu stellen. Ihre
       Bedenken: Diese Kombination aus ö, d und p sei ein rechter Code geworden.
       
       Glücklicherweise wurden sie schnell davon überzeugt, dass sie einem
       Missverständnis unterlagen. Das Döpdöpdöp aus der Kolumne zitierte ein Lied
       der holländischen Fußballfans. Sicher gibt es unter denen auch Rassisten,
       und das Lied des Sängers Snollebollekes heißt „Links Rechts“. Mit
       politischen Richtungen hatte das aber wenig, mit himmlischen Richtungen
       dafür viel mehr zu tun: Während der EM hüpften die Oranjes zu diesem Lied
       von links nach rechts.
       
       Verwechselt hatten meine Kolleg*innen das holländische Döpdöpdöp mit dem
       Döpdödödöp des 2001 zuerst veröffentlichten Elektrotrash-Hits [2][„L’amour
       toujours“] der italienischen DJ-Legende Gigi D’Agostino.
       
       ## Schriftlich untersagt, den Song zu spielen
       
       Seit auf Sylt das D’Agostino’sche Döpdöpdöp durch rassistische Zeilen wie
       „Ausländer raus“ ersetzt wurde, gilt der Song hierzulande als verfemt,
       verfeindet, verloren – jedenfalls unter vielen, die links von rechts
       stehen.
       
       Die Innenministerin verurteilte „aufs Schärfste“, Veranstalter wie die Uefa
       untersagten das Abspielen des Lieds, Radiosender meiden es, und die
       Forderungen, das Lied gleich ganz zu verbieten, waren so laut, das sich
       Kulturstaatsministerin Claudia Roth gezwungen sah, öffentlich dagegen zu
       argumentieren.
       
       Der [3][Wiesn-Chef Clemens Baumgärtner] (CSU, Referent für Arbeit und
       Wirtschaft in München) hat Anfang der Woche den Oktoberfestwirten nun sogar
       schriftlich untersagt, in ihren Festzelten das Lied „L’amour toujours“ zu
       spielen.
       
       Sicher, wir leben in einem freien Land, und jeder hat das Recht, seinen
       Laden, sein Zelt, seine Party frei von rechten Parolen zu halten. Ich halte
       es trotzdem für falsch, diesen supergeilen Partykracher den Rechten zu
       überlassen, und sehe es wie der Berufsverband Discjockey („Wo sind wir
       denn?“) und Gigi D’Agostino ([4][„Das Lied nicht zu spielen ist eine
       explizite Absage an die Liebe“]).
       
       Wo sind wir denn beziehungsweise was machen wir, wenn Rechte auf die Idee
       kommen, zu Liedern von Adele, Daft Punk, Taylor Swift oder Snap rechte
       Parolen zu singen? Geben wir die dann auch auf?
       
       ## Das „Sylter Lied“
       
       Ende Mai berichtete die Berliner Polizei, am Rande einer
       „propalästinensischen“ Demonstration singende Leute wegen des Verdachts
       einer Straftat festgenommen zu haben. Sie hätten das „Sylter Lied“
       gesungen.
       
       Wow! So einfach machen wir es also den Rechten. Da reicht ein
       Sommersaufgelage, und schwups ist das Lied tabu und gehört nicht mehr dem
       Musikproduzenten Gigi D’Agostino, sondern den Syltern. Wäre ich Sylter,
       würde ich mich gegen diese Vereinnahmung wehren. Zum Beispiel ein
       Karaokezelt aufstellen, in dem jeder [5][seine ganz persönliche Version von
       „L’amour toujour]s“ singen kann.
       
       Die Leerfläche „döpdöpdöp“ ist doch eine Steilvorlage für eigene konkrete
       Poesie. Und längst kursieren ja auch alternative Varianten zu dem
       rassistischen Refrain. Unter denjenigen, die weit links von rechts stehen,
       ist geradezu ein Wettbewerb ausgebrochen. [6][„Refugees welcome, Nazis aufs
       Maul“], lautet eine der radikaleren Versionen.
       
       Das ist der einzige Umgang, der sich bei kultureller Appropriation durch
       die Nazis empfiehlt. Antifaschismus heißt: Reclaim your
       Italo-Dance-Kracher. Wenn Helene Fischer, begleitet von den Alphornbläsern
       Happy Bavarians und den Regensburger Domspatzen als Backing Vocal, ein
       Döpdödödöp-Cover einspielen würde – es wäre der Sommerhit 2024. Und ein
       antifaschistischer obendrauf.
       
       10 Aug 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Laune-im-Land/!6017703
   DIR [2] https://www.youtube.com/watch?v=w15oWDh02K4
   DIR [3] /Verbot-des-Songs-Lamour-toujours/!6010287
   DIR [4] https://www.derstandard.de/story/3000000222543/gigi-dagostino-song-verbot-wie-eine-r252ckkehr-ins-mittelalter
   DIR [5] https://www.instagram.com/reel/C7YfQzKMhh-/?igsh=eXpmZ2xkbDJpZzZs
   DIR [6] https://www.youtube.com/watch?v=SGdm7-J4SBA
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Doris Akrap
       
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       Warum?