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       # taz.de -- Superman und die Vergangenheit: Hoffnung auf Kryptonisch
       
       > „Man of Steel II“, der nächste Superman-Film, wird sich im nächsten Jahr
       > im Kino auf die Suche nach seiner Vergangenheit machen.
       
   IMG Bild: Henry Cavill als Supermann in dem Spielfilm ‚Man Of Steel‘, 2013
       
       Die Zeiten von Superman wären eigentlich vorbei gewesen. Zumindest, wenn
       der fliegende Held weiterhin darauf bestanden hätte, sich den Rettungs-Suit
       in einer Telefonzelle anzuziehen. Die letzten Verfilmungen der Ereignisse
       rund um DCs Galionsfigur hatten der sich verändernden Welt darum bereits
       Rechnung getragen, und ließen den [1][„Man of Steel“ (2013)] entweder
       gleich im blau-roten Outfit auftreten.
       
       Oder zeigten ihn ([2][„Dawn of Justice“, 2016]) kurz an der Krawatte
       nestelnd, um ihn in der nächsten Szene in klassischer Fliegepose mit dem
       aus einem Großbrand geretteten Mädchen im Arm und wehendem Umhang zu
       präsentieren. Wieso soll sich der Erde einziger Kryptonier auch mit solch
       profanen Themen wie der Suche nach einer geeigneten Umkleidekabine
       herumschlagen.
       
       Aber Supermans Vergangenheit könnte eine Aufarbeitung wert sein. Und so
       sieht Jerry Siegels 1938 erstmalig als Comic veröffentlichter
       Außerirdischer nun einer weiteren Interpretation seiner Geschichte
       entgegen: Unter der Regie des neuen DC-Direktors James Gunn wurde soeben
       ein Superman-Spielfilm abgedreht, der im nächsten Jahr in die Cineplexe
       kommt.
       
       ## Superman auf innerer Heldenreise
       
       Während viele Fans und Nerds sich über die Wahl des Hauptdarstellers David
       Corenswet auslassen, der seinem muskulösen Vorgänger Henry Cavill wie aus
       dem Gesicht geschnitten ist und einen echten Neuanfang insofern nur
       begrenzt verkörpert, ist der Plot das eigentlich Interessante: Der soll
       sich, soviel wurde bislang bekannt gegeben, auf die Vergangenheit des
       Superhelden konzentrieren, auf die Suche nach seinen Wurzeln als aus der
       Heimat (dem Planeten Krypton) vertriebener, beziehungsweise aus
       Sicherheitsgründen von den Eltern verschickter Fremder. Superman könnte
       sich somit auf eine innere Heldenreise begeben.
       
       Darin steckt viel erzählenswerte, über Generationen vererbte
       Traumabewältigung: Die „big three“ der Superheldengeschichte, neben
       Superman sind das Batman und Spider-Man, wurden bekanntlich von jüdischen
       Comicbuchautoren mit familiärer Vertreibungsgeschichte ersonnen – Jerry
       Siegels Eltern waren vor dem grassierenden Antisemitismus in Litauen
       geflohen, die Eltern vom Batman-Erfinder Bob Kane waren aschkenasische
       Jüd:innen, die Familie von Spider-Man-Urheber Stan Lee stammt aus Rumänien
       und gehörte zur dort traditionell verfolgten jüdischen Minderheit.
       
       Das Schicksal Supermans, den seine Eltern vor dem drohenden Kollaps ihres
       Heimatplaneten in eine Kapsel setzten und in eine andere Welt
       katapultierten, wo er sich angesichts seiner Andersartigkeit stets als
       Außenseiter fühlt und trotz seiner Bemühungen, das „Richtige“ zu tun, immer
       wieder ausgegrenzt wird, ist also gesellschaftlich höchst spannend und
       topaktuell.
       
       ## Keine Rettung von Kindern und Astronauten
       
       Vielleicht hält sich der Blockbuster-Superman auch darum seit einigen
       Jahrzehnten kaum mehr mit typischen (Verkehrs-)Unfällen auf. Nur noch
       selten sieht man ihn im traditionellen Sinne Leben retten, etwa Autos oder
       Schulkinderbusse von einsturzgefährdeten Brücken entfernen, oder
       explodierende Raketencockpits mit drei Astronauten drin sanft auf dem Boden
       absetzen.
       
       Im Gegenteil: Würde er sich damit aufhalten, verpasste er die wirklichen
       Bedrohungen, etwa in Form des alten Krypton-Gegenspielers General Zod, der
       die Erde in ein neues, nur von Kryptonier:innen bewohntes Krypton
       „umwandeln“ will. Oder Lex Luthor, Supermans Nemesis, der im Laufe der
       Comics und Adaptionen immer mehr den Kapitalismus an sich verkörperte.
       
       Auch der Name zählt nicht mehr: In „Man of Steel“ fragt Lois Lane, wofür
       das „S“ steht. „Das ist kein S“, antwortet Superman. „In meiner Sprache
       bedeutet dieses Symbol Hoffnung.“ Das passt. Denn dass es heute wieder sehr
       viel gibt, vor dem man die Welt beschützen müsste, steht außer Frage.
       Hoffentlich schließt Superman im neuen Abenteuer seine Therapie rasch
       erfolgreich ab. Danach müsste er sich nämlich direktemang ans Weltretten
       machen. Sozusagen asap.
       
       10 Aug 2024
       
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