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       # taz.de -- E-Sport als neue Einnahmequelle: Olympia, dupliziert
       
       > Während der Pariser Spiele beschloss das IOC die Einführung eines
       > weiteren Mega-Events: Olympische E-Sports-Spiele. Saudi-Arabien ist voll
       > dabei.
       
   IMG Bild: Inszeniert sich als eine Art Messias des Sports: IOC-Boss Thomas Bach sprach 2023 zur Olympic ESports Week in Singapur per Video
       
       Das Symbol von Olympia sieht immer gleich aus. Fünf Ringe, fünf Farben. Der
       Hintergrund muss weiß sein. Den genauen Ton, so wie die Anordnung, legt das
       [1][Internationale Olympische Komitee (IOC)] fest. Jedes Land soll sich mit
       seiner Flagge in den Farben wiederfinden. Dazu sind die Ringe ineinander
       verschränkt. Künftig werden die fünf Ringe neben den Sommer- und
       Winterspielen eine weitere Veranstaltung schmücken: die Olympischen
       E-Sports-Spiele.
       
       Jüngst hat das IOC einstimmig deren Ausrichtung beschlossen. Ab 2025 sollen
       die Spiele stattfinden. „Wenn Olympia und dessen Werte im Leben junger
       Menschen weiterhin stattfinden sollen, müssen wir dort hingehen, wo diese
       jungen Menschen sind“, sagte IOC-Präsident [2][Thomas Bach]. Schließlich
       gebe es weltweit über drei Milliarden Gamer.
       
       ## Zusammenarbeit auf 12 Jahre vereinbart
       
       Wie oft die E-Sports-Spiele stattfinden sollen, wurde bisher nicht geklärt.
       Welche Titel genau gespielt werden, lässt das IOC ebenfalls offen.
       Lediglich der Austragungsort kann bereits verkündet werden:
       [3][Saudi-Arabien]. Hier sollen Athlet:innen aus der ganzen Welt
       zusammenkommen. Bereits vor der Abstimmung hat das IOC mit dem Königreich
       eine Zusammenarbeit für die kommenden zwölf Jahre vertraglich vereinbart.
       
       „Saudi-Arabien verfügt über eine große – wenn nicht sogar einzigartige –
       Expertise in dem Feld [4][E-Sport]“, erklärt Bach die Entscheidung. Was
       genau er mit „Expertise“ meint, wird nicht weiter ausgeführt. Eine Sache
       gibt es aber, die Saudi-Arabien deutlich von anderen Ländern unterscheidet,
       wenn es um E-Sports geht: Geld.
       
       Seit Jahren investiert [5][Saudi-Arabien] in E-Sports. Ziel ist es, das
       neue Epizentrum für Gaming zu werden. 38 Milliarden Dollar möchte man in
       die Branche stecken. Mit den Olympischen E-Sports-Spielen kommt das Land
       seinem Vorhaben einen weiteren Schritt näher. 40 Prozent der gesamten
       Branche gehören laut eigenen Angaben bereits jetzt dem staatlichen
       Unternehmen Savvy Games Group. Während der Olympischen Spiele in Paris fand
       die erste E-Sport-WM in Saudi-Arabien statt, mit dem höchsten je
       ausgezahlten Preisgeld: 60 Millionen US-Dollar.
       
       Die Entscheidung des IOC, quasi dritte Olympische Spiele aufzulegen, sorgt
       für Kritik, vor allem in den sozialen Medien. Sportswashing lautet der
       Vorwurf gegen das Regime, in dem Minderheiten und Frauen systematisch
       unterdrückt werden.
       
       Laut James Lynch, Chef der NGO FairSquare, die unter anderem zu
       Menschenrechtsverletzungen im Sport forscht, versucht Saudi-Arabien mit den
       Olympischen E-Sports-Spielen, seine Außenwirkung zu verbessern.
       „Saudi-Arabien hat ein Imageproblem. Viele empfinden es als einschüchternd
       und moralisch fragwürdig“, so Lynch. Mit Sport lasse sich ein neues
       Narrativ von einem Land erzählen, denn „Menschen sind tief bewegt von ihrer
       Verbindung zu bestimmten Sportarten oder Teams“. Auch beispielsweise in
       Fußball und Golf, aber auch andere Disziplinen investiert Saudi-Arabien
       bereits große Geldsummen. Mit E-Sports gewinnt das Phänomen aber eine neue
       Qualität.
       
       ## Saudi-Arabien wäscht sich jung und sportlich
       
       „E-Sports ermöglicht es Saudi-Arabien, mit einer jungen Zuschauerschaft,
       die noch sehr beeinflussbar ist, zu interagieren“, erklärt Lynch. Laut dem
       Publikumsforschungsunternehmen Global Webindex sind 70 Prozent der
       E-Sports-Zuschauerschaft zwischen 16 und 34 Jahre alt. Für diese erzeugt
       Saudi-Arabien das Bild von einem Land, das „offen für technologische
       Veränderung ist und eine Plattform bietet, um seine Träume zu verfolgen“,
       so Global Webindex.
       
       Gerade im E-Sport werden Frauen vermehrt gefördert, auch sexuelle
       Minderheiten sind stark präsent. Riot Games zum Beispiel, die Firma hinter
       den Spielen „League of Legends“ und „Valorant“, veranstaltet
       Female-only-Turniere und finanziert ein Förderprogramm für diversen
       Nachwuchs. Darüber hinaus werden in der Cosplay-Community, die eng mit dem
       Sport verwoben ist, immer wieder herkömmliche Geschlechterbilder
       hinterfragt und aufgebrochen. Viele queere Menschen vernetzen sich hier.
       
       „Es geht Saudi-Arabien darum, den Menschen eine Reihe von verschiedenen
       Bildern zu zeigen“, so Lynch. „Wenn jemand Saudi-Arabiens
       Menschenrechtsverletzungen kritisiert, kann man künftig sagen: 'So einfach
       ist es nicht. Schau, sie investieren in progressive Sportarten wie
       E-Sports.“
       
       Ähnliches habe das Land 2023 versucht. Damals wollte die Tourismusbehörde
       Saudi-Arabiens Sponsor der Frauenfußball-WM werden. Durch öffentlichen
       Druck platzte der Deal aber.
       
       Dass Saudi-Arabien schon heute große Teile der E-Sports-Branche besitzt und
       nun auch noch die Olympischen E-Sports-Spiele austrägt, birgt für Lynch die
       „reale Gefahr“, dass Saudi-Arabien zum Monopolisten in E-Sports wird. Für
       Menschen aus der Szene würde das vor allem eins bedeuten: „Es wird sehr
       schwierig sein, in E-Sports tätig zu sein, ohne den Kronprinzen bei seinem
       Programm zu unterstützen.“
       
       Das IOC hat sich dem schon mal nicht entgegengestellt.
       
       13 Aug 2024
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Jerrit Schlosser
       
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