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       # taz.de -- Die Wahrheit: Inferno in der Idylle
       
       > Vögelfüttern in der Hitze, FKK-Urlaub und seine massiven Schattenseiten –
       > in den eigenen Ferien kommen die wirklich schwierigen Themen auf die
       > Agenda.
       
       Leben in der Natur ist ja ganz schön. Die Frösche hupen, die Krähen krähen
       und das Reh trollt mit seinen Kitzen an der Terrasse vorbei, um im Garten
       nach frischen Blüten zu suchen. Umleitungspfeile Richtung Gierschplantage
       ignoriert es hartnäckig.
       
       Wir haben gerade Urlaub und sämtliche Probleme auch, also ist „Vögelfüttern
       im Sommer oder nicht?“ das Diskussionsthema ganz oben auf der Agenda,
       während andere Menschen sich um wirklich wichtige Dinge wie Kriege und
       Wahlen kümmern.
       
       Die Debatte verschob sich schnell in Richtung „Sozialschmarotzer
       unterstützen oder nicht?“. Wir konnten nämlich kaum fassen, wie viel
       Meisenknödel die zierlichen Pieper in kürzester Zeit vertilgten.
       
       „Da!“, sagte der Liebste und zeigte ins Gebüsch. Eine Maus turnte durch die
       Zweige ins Meisenrestaurant, tat sich einen guten Batzen in die
       Backentasche und verschwand wieder. Für zwei Minuten, dann wiederholte sich
       das Schauspiel. Etwas Besseres als den Tod finde ich überall, murmelte sie,
       winkte uns zu und fiel gesättigt in ihr Loch, das sie direkt unter der
       Futterstelle angelegt hatte.
       
       ## Milde im Alltag walten lassen
       
       „Vielleicht hat sie eine große Familie?“ Ich versuchte, gut Wetter zu
       machen, weil ich zurzeit Schöffin am Landgericht bin und lerne, auch im
       Alltag Milde walten lassen. Aber der Liebste schloss hartherzig die
       Mäusetafel und servierte die Körner von nun an im transparenten Vogelhaus
       am Küchenfenster. Zeit für Knödelsupervision.
       
       Doch es gab weiterhin massiven Schwund. Zu Gast waren: mehrere Spechte,
       Elstern und ein Eichhörnchen, das sich ungerührt die Taschen vollstopfte.
       Der Liebste legte sich eine Wildkamera zu. Immerhin keine Schrotflinte.
       
       Seitdem wissen wir, dass ein Marder sich unsterblich in mein Auto verliebt
       hat und Waschbärhorden nachts am Gartenteich Poolpartys feiern. Aufnahmen,
       auf denen dort ein wildes Menschenweibchen beim Baden zu sehen ist, fielen
       allerdings umgehend der Zensur zum Opfer. Als Schöffin lerne ich auch, dass
       man sich nicht alles gefallen lassen muss, wenn es keinen Nutzen für die
       Gesellschaft hat.
       
       ## Weichteile aus früher Nachkriegsproduktion
       
       Natur ist nämlich nur schön, wenn keiner zuguckt. Ein Freund berichtete von
       einem traumhaften Camper-Stellplatz an einer Küste in Südeuropa. „Ach so,
       FKK, na, das stört uns ja nicht“, gab er sich bei der Platzerkundung
       tolerant, aber an allen schönen Ecken präsentierten bereits deutsche
       Urlauber allzu offensiv ihre Weichteile aus früher Nachkriegsproduktion.
       
       Und als ob das nicht genügte, hatte sich ein Paar zusätzlich den Slogan
       „FKK: Erika und Heinrich unterwegs!“ aufs Wohnmobil pinseln lassen. Dazu
       ihre lebensechten Ganzkörperabbildungen, immerhin mit neckischer Boje und
       Surfbrett vor den Kronjuwelen.
       
       Der Freund verließ das Inferno traumatisiert. Und ich wechsle demnächst ins
       Justizministerium und arbeite an der Entwicklung ganz neuer
       Straftatbestände.
       
       14 Aug 2024
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Susanne Fischer
       
       ## TAGS
       
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