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       # taz.de -- Winterschwimmen in Argentinien: Ins zu kühle Nass
       
       > Während Europäer in der Hitze schwitzen, beginnt in Patagonien die
       > Weltcup-Serie im Winterschwimmen – bei einer Wassertemperatur von 3 Grad
       > Celsius.
       
   IMG Bild: Cool bis in die Poren: 50-Meter-Freistilschwimmerinnen in El Calafate
       
       Donnerndes Getöse hallt über das Wasser. Eismassen brechen von der 60 Meter
       hohen Gletscherwand ab. Sie tauchen ein, werden wieder hochgeschleudert und
       treiben gemächlich als Eisberge durch den [1][Canal de las Tempanos], den
       Eisbergkanal des Perito-Moreno-Gletschers. Dies ist auch dieses Jahr die
       atemberaubende Kulisse für den Auftakt der [2][Winterschwimm-Weltcupserie
       2024/25], die im argentinischen Patagonien gestartet wurde. Fast 150
       Schwimmer*innen aus 14 Ländern gehen ins kalte Wasser, ohne
       Neoprenanzug.
       
       „Die Weltcup-Serie in Patagonien zu starten, ist etwas ganz Besonderes“,
       sagt die Präsidentin der International Winter Swimming Association (IWSA),
       Mariia Yrjö-Koskinen. Es ist zudem der einzige Weltcup, der auf den
       amerikanischen Kontinenten ausgetragen wird. „In Europa hatten wir einen
       sehr heißen Sommer, deshalb ist es phantastisch, dass hier Winter ist und
       wir unseren Sport das ganze Jahr über ausüben können.“ Die 61-jährige
       Finnin freut sich auf die 50 Meter Strecke. „Das Schwimmen im
       milchig-kalten Gletscherwasser ist eines der schönsten Dinge, die es gibt“,
       sagt sie.
       
       Geschwommen werden 1.000, 500, 200, 50 und 25 Meter Brust und Freistil in
       den Altersklassen 15 bis 70 Jahre vor der Nordwand des
       Perito-Moreno-Gletschers und im Lago Argentino bei El Calafate. In den
       milderen Sommermonaten ist die 30.000 Einwohner zählende Stadt wegen ihrer
       Nähe zum imposanten [3][Perito-Moreno-Gletscher] eine Touristenhochburg. Im
       patagonischen Winter erfüllt er alle Voraussetzungen für die Durchführung
       eines Winterschwimm-Weltcups.
       
       Auch in den frostigen Wintermonaten von Juli bis September schiebt sich der
       Perito-Moreno-Gletscher unaufhörlich ins Tal. Stetig bricht Eis von seiner
       60 Meter hohen und vier Kilometer breiten Wand ab und treibt in Gestalt von
       Eisschollen entlang der Schwimmzone. Die Badeutensilien müssen vorher
       gereinigt und desinfiziert werden. Das Auftragen von Schutzcremes wie
       Vaseline ist ohnehin verboten, schließlich findet der Weltcup im
       Gletscher-Nationalpark statt, der zum Weltkulturerbe der Menschheit gehört.
       
       Denn eine Besonderheit der patagonischen Gletscher ist, dass viele fast auf
       der Höhe des Meeresspiegels liegen. Die Gletscher sind Ausläufer der
       patagonischen Eiskappe, die nach der Antarktis und Grönland die drittgrößte
       Fläche kontinentalen Eises ist. Auf ihr gibt es über 45 Gletscher mit einer
       Größe von 200 bis 1.300 Quadratkilometern.
       
       ## Auf dem Kopfsprung zu den Olympischen Winterspielen
       
       Beim [4][Winterschwimmen] muss die Wassertemperatur unter 5 Grad liegen, im
       Gletscherwasser schwankt sie zwischen 2,5 und 3 Grad. Je kälter das Wasser,
       desto schwerer wird es gerade bei den langen Strecken. Bei 1.000 Metern
       spürst du jedes Grad an Kälte, heißt es. Nur Schwimmbrillen, -kappen und
       -anzüge sind erlaubt.
       
       Winterschwimmen ist ein Amateursport und die Aufnahme in die Agenda der
       Olympischen Winterspiele ein fernes Ziel der IWSA. Für die Strecken bis 50
       Meter gibt es keine Qualifikation, die Anmeldung genügt. Wer Strecken über
       50 Meter schwimmen will, muss nachweisen, dass er sie bereits in kaltem
       Wasser geschwommen ist. Über ihre körperliche Fitness müssen die
       Teilnehmenden ein ärztliches Attest vorlegen. Ein größeres Hindernis ist
       da schon die 40 Dollar Startgebühr für jede gemeldete Strecke.
       
       Entlang der Schwimmstrecke sind Helfer*innen in Booten und
       Taucher*innen im Wasser für eine schnelle Hilfe in Bereitschaft. Die
       Verständigung erfolgt über Zeichengeben: Eine Hand auf dem Kopf bedeutet:
       Alles ist okay. Das Armhochheben bedeutet: Ich brauche Hilfe. Armwinken
       bedeutet: Ich brauchen dringend Hilfe. Kopfsprünge beim Start und Rollwende
       sind nicht erlaubt. Alle müssen sich an eine kleine Schwimmboje anleinen.
       
       Für die Platzierungen werden Schwimmzeiten, Wassertemperatur und Alter nach
       einem ausgeklügelten Punktesystem berechnet. Der Weltcup in Patagonien ist
       einer von vier Cupwettbewerben in dieser Saison. Gewertet werden die
       jeweils besten drei Weltcupergebnisse eines Teilnehmenden. Wer die meisten
       Punkte auf sich vereint, steht am Ende ganz oben auf dem Treppchen.
       
       Mit Christof Wandratsch ist einer der großen Favoriten am Start. Der
       58-jährige Lehrer aus dem fränkischen Haimung bei Burghausen hat schon
       zweimal den Gesamtweltcup gewonnen. In El Calafate hat er für zehn
       Wettbewerbe gemeldet mit Schwerpunkt auf 500 und 1.000 Meter. Sein Ziel:
       Bei jedem Rennen unter die ersten drei seiner Altersklasse kommen. Sein
       Handicap: „Bei der Abreise von zu Hause hatte es 30 Grad Hitze, da bin ich
       gespannt, wie die Umstellung klappt.“
       
       14 Aug 2024
       
       ## LINKS
       
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