URI: 
       # taz.de -- Waffenrecht soll verschärft werden: Es kommt nicht auf die Größe an
       
       > Bundesinnenministerin Nancy Faeser will Messer ab sechs Zentimetern in
       > der Öffentlichkeit verbieten. Doch so bekämpft sie Gewaltkriminalität
       > nicht.
       
       Nancy Faser möchte es kürzer: Bald sollen in der Öffentlichkeit mitgeführte
       Messer nur noch eine Klingenlänge von sechs Zentimetern haben dürfen und
       nicht mehr zwölf. Für Springmesser, bei denen die Klinge auf Knopfdruck
       oder durch Schieben hervorschnellt, soll es laut der
       SPD-Bundesinnenministerin ein „generelles Umgangsverbot“ geben.
       Gesetzesvorschläge will sie bald vorlegen, heißt es.
       
       Dabei zeigt sich Faeser aber realitätsblind, denn: Wer andere verletzen
       will, wird weiterhin Wege finden, das zu tun – mit einem Hammer,
       Schraubenzieher oder Flaschenhals zum Beispiel. Oder mit einem kleineren
       Messer. Faeser fördert damit nicht die Sicherheit, vielmehr betreibt sie
       mit ihrem Vorstoß Scheinpolitik, statt Probleme zu lösen. Und sorgt
       möglicherweise sogar dafür, dass Menschen [1][AfD-Aussagen gegen Migration]
       und Weidel’schen Narrativen von „Messermännern“ verfallen.
       
       Messerstechereien sind kein neues Phänomen. Doch im vergangenen Jahr
       verzeichnete die Polizei fast 9.000 Fälle von gefährlicher und schwerer
       Körperverletzung, bei der Messer zum Einsatz kamen – 800 mehr als im
       Vorjahr.
       
       Gewaltforscher Prof. Dr. Dirk Bauer sagte [2][im Februar 2023 in der
       Sendung „SWR1 Leute“], dass er einen „Trend zur Messerbewaffnung“ bei
       männlichen Jugendlichen wahrnehme – deutschen und nichtdeutschen. „Manche
       jungen Menschen, die sportlich vielleicht nicht viel erreichen, die
       schulisch nicht viel erreichen, die suchen nach einer Identität“, sagte er.
       
       Dass junge Menschen in der Postpandemiezeit in einer von Kriegen und
       Inflation geprägten Zeit nach Identität suchen, ist nachvollziehbar. Und –
       auch wenn es gewalttätiges Verhalten nicht entschuldigt – es ist
       wahrscheinlich, dass einige diese unsichere Identitätskrise nicht
       aushalten.
       
       Die Messerdebatte nach Mannheim 
       
       Vor allem ein Fall rückt aber die Messerdebatte wieder in den Fokus:
       Spätestens, als der Polizist Rouven L. im Juni in Mannheim von einem
       25-jährigen Täter, der zuvor auf Passanten losging, niedergestochen wurde
       und infolge seiner Verletzungen starb, diskutieren alle politischen Lager
       darüber, wie Gewaltkriminalität in Deutschland reduziert werden könnte.
       
       Gut so. Aber Faesers Vorschlag löst nicht die Frage der Gewalt, sondern
       deklariert nur einige Gegenstände im Gesetz als verboten. Das Messer, mit
       dem der Täter in Mannheim den Polizisten tötete, wäre übrigens schon laut
       bisher geltendem Gesetz verboten gewesen. Das gilt für viele andere
       Messerangriffe auch.
       
       Bayerns Innenminister [3][Joachim Herrmann (CSU) kritisierte außerdem] an
       Faesers Vorhaben, dass bisher ein konkreter Verdachtsfall nötig sei, um zu
       prüfen, ob jemand ein verbotenes Messer mit sich führt. Selbst wenn das
       Waffenrecht also verschärft würde, hieße das nicht, dass sich die
       Kontrollbefugnisse der Polizei damit ausweiten würden.
       
       Fakt ist: Wer Gewalt ausübt, weil er traumatisiert, wütend, aggressiv,
       frustriert, hoffnungslos oder einfach nur gelangweilt ist, wird das auch
       ohne Messer tun. Niedrigschwellige psychologische Angebote wären deshalb
       die bessere Option. Ebenso wie Kurse zu gewaltfreier Kommunikation an
       Schulen.
       
       Ein weiterer Schritt wäre, genauer und länderübergreifend zu erfassen, wer
       die Täter sind und was sie gemein haben. Damit ist nicht gemeint, woher sie
       oder ihre Eltern herkommen, wo sie geboren sind. Sondern welche Erfahrungen
       die Täter in der Vergangenheit gemacht haben: Mit welchen sozialen und
       finanziellen Möglichkeiten sind sie aufgewachsen? Wie blicken sie auf die
       Zukunft? Welche Vorbilder haben sie?
       
       Stattdessen kommt es Nancy Faeser offenbar nur auf die Länge an. Und mit
       einer Verschärfung des Waffenrechts versucht sie, ein weitreichendes
       Problem mit einer einfachen Lösung abzuspeisen.
       
       14 Aug 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Berichterstattung-ueber-AfD/!5988538
   DIR [2] https://www.swr.de/swrkultur/wissen/tatwaffe-messer-ursachen-und-folgen-eines-gewaltphaenomens-102.html
   DIR [3] https://www.deutschlandfunk.de/herrmann-fordert-mehr-kontrollmoeglichkeiten-fuer-messerverbot-110.html
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Klaudia Lagozinski
       
       ## TAGS
       
   DIR Messerattacke
   DIR Nancy Faeser
   DIR Waffenkontrolle
   DIR Social-Auswahl
   DIR Österreich
   DIR Sicherheit
   DIR Polizeieinsatz
   DIR Solingen
   DIR Solingen
   DIR Podcast
   DIR Messer
   DIR Schwerpunkt Jürgen Elsässer
   DIR Messer
   DIR USA
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Nach Grazer Amoklauf: Österreich will liberale Waffengesetze prüfen
       
       Ein 21-Jähriger tötete mit legal erworbenen Waffen elf Menschen in einem
       Gymnasium. Österreich gehört zu den am stärksten bewaffneten Ländern
       Europas.
       
   DIR Waffenverbot im Hamburger Nahverkehr: Schweizer Messer müssen zu Hause bleiben
       
       In Hamburg gilt künftig ein Waffenverbot im öffentlichen Nahverkehr.
       Zusätzliches Personal für die Kontrollen soll es allerdings nicht geben.
       
   DIR Polizeieinsatz in München: Schüsse am israelischen Konsulat
       
       Ein 18-Jähriger schießt beim israelischen Generalkonsulat auf Polizisten.
       Ermittler gehen von einem terroristischen Motiv aus.
       
   DIR Kriminologe über Messerkriminalität: „Es gibt nicht die eine Maßnahme“
       
       Messerkriminalität komme selten vor, aber sie steige, sagt der Kriminologe
       Martin Thüne. Schärfere Verbote sieht er kritisch. Nötig sei etwas anderes.
       
   DIR Anschlag in Solingen: Ein Anschlag auf die Vielfalt
       
       Nach dem mutmaßlich islamistischen Anschlag in Solingen kämpft die Stadt
       mit den Folgen: Wachsende Unsicherheit und Instrumentalisierung von rechts.
       
   DIR True-Crime-Podcast: Die Mafia im Ländle
       
       Die zweite Staffel der Podcastdoku „Mafia Land“ wirft ein neues Licht auf
       einen ungeklärten Mord in Mannheim – und liefert einen Tatverdächtigen mit.
       
   DIR Maßnahmen gegen Messer-Gewalt: Willkür ohne echten Nutzen
       
       In der von Rechten befeuerten Debatte über mit Messern verübte Straftaten
       setzt die Politik mal wieder auf Verbote. Das löst das Problem nicht.
       
   DIR Verbot von rechtsextremem Magazin: „Compact“ darf wieder erscheinen
       
       Im Juli hat das Bundesinnenministerium das rechtsextreme „Compact“-Magazin
       verboten. Jetzt wurde das Verbot ausgesetzt – zumindest teilweise.
       
   DIR Zunahme von Messerangriffen: Keine Messer für Männer
       
       Im Bund wird über ein schärferes Waffengesetz diskutiert und Berlin prüft
       die Einrichtung von Messerverbotszonen. Helfen allein wird beides nicht.
       
   DIR Neues Gesetz im US-Bundesstaat Tennessee: Mehr Waffen werden sicher helfen
       
       Ein neues Gesetz erlaubt es Lehrer*innen in Tennessee, Waffen verdeckt
       auf dem Schulgelände zu tragen. Selbst Republikaner stimmten zuvor dagegen.