URI: 
       # taz.de -- Nach Urteil zu „Compact“: Tadel für Nancy Faeser
       
       > Nach dem vorläufigen Aussetzen des „Compact“-Verbots greift die FDP die
       > Innenministerin an – Grüne und SPD springen ihr bei. Und das rechte
       > Magazin?
       
   IMG Bild: Schaltete am Donnerstag auf Vorwärtsverteidigung: Innenministerin Nancy Faeser in Berlin
       
       Berlin taz | Eigentlich sollte es eine Werbetermin für Nancy Faeser sein,
       am Donnerstag am Berliner Ostbahnhof. Die Bundesinnenministerin besuchte
       dort auf ihrer Sommer-Sicherheitstour die Bundespolizei und eine erstmals
       geschaffene Anlaufstelle für Frauen, die Gewalt erfahren haben. Das Thema
       ist Faeser wichtig, solche Vorfälle seien „unerträglich“, sagte die
       Sozialdemokratin. Dann aber kamen schnell die anderen Fragen. Die nach dem
       Compact-Verbot.
       
       Im Juli hatte Faesers Ministerium das rechtsextreme Magazin von
       [1][Verschwörungsbefeuerer und Putinfreund Jürgen Elsässer] verbieten
       lassen. Am Mittwoch aber hob das Bundesverwaltungsgericht den sofortigen
       Vollzug des Verbots auf: Das Magazin genieße einen vorläufigen
       Rechtsschutz, da die Erfolgsaussichten seiner Klage gegen das Verbot
       „offen“ sei. Zwar ließen einzelne Texte Verletzungen der Menschenwürde und
       eine „kämpferisch-aggressive Haltung“ gegen Verfassungsgrundsätze erkennen.
       
       Mit Blick auf die Meinungs- und Pressefreiheit gebe es aber „in weiten
       Teilen nicht zu beanstandende Beiträge“ in den Ausgaben. Es bestünden daher
       „Zweifel“, ob die verfassungsfeindlichen Artikel so prägend für das Magazin
       seien, um das Verbot zu rechtfertigen. Denn es gebe es ja auch mildere
       Mittel, wie presserechtliche Maßnahmen oder Veranstaltungsverbote.
       
       Faeser schwieg zunächst zu der Entscheidung, am Donnerstag schaltete sie
       auf Vorwärtsverteidigung. Das Verbot sei richtig, der Weg über das
       Vereinsgesetz auch nicht beanstandet worden, sagte sie im Berliner
       Ostbahnhof. Compact sei vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem
       eingestuft und verbreite verfassungsfeindliche Agitation. Man habe dafür
       „umfassendes Beweismaterial“ vorgelegt. Dass das Bundesverwaltungsgericht
       vorläufig anders entschieden habe, sei ein im Rechtsstaat „ein ganz
       normaler Vorgang“, beteuerte Faeser. Der Ausgang im Hauptverfahren aber sei
       „offen“. Und, so die Innenministerin: „Wir werden weiter entschieden gegen
       Verfassungsfeinde vorgehen.“
       
       ## Fall erledigt? Wohl kaum.
       
       Fall erledigt? Wohl kaum. So muss sich die Ministerin weiter Kritik
       gefallen lassen, auch aus der Ampel selbst. FDP-Mann und
       Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki polterte, die Entscheidung sei
       eine „Klatsche“ für Faeser. Sie werde vor den Wahlen im Osten „zur besten
       Wahlkämpferin der AfD“. Verliere sie auch im Hauptsacheverfahren, müsse
       Faeser zurücktreten.
       
       Auch Kubickis Parteikollege Konstantin Kuhle sagte der taz, Faesers
       Ministerium sehe in Sachen Compact-Verbot „nicht gut aus“. Offenbar sei das
       Verbot nicht sorgfältig genug vorbereitet worden. „Dass sich dieses
       Magazin, dessen Protagonisten im Zentrum des organisierten
       Rechtsextremismus stehen, sich in eine Opferrolle begeben kann und nun vor
       Gericht punktet, schadet dem Kampf gegen den Rechtsextremismus ganz
       offensichtlich.“
       
       Aus der Opposition kam ohnehin Kritik. Vertreter der Union attestierten
       Faeser handwerkliche Mängel beim Verbot, der vorläufige Gerichtserfolg für
       Compact werfe ein „verheerendes Licht“ auf ihre Sachkompetenz. Die AfD
       forderte direkt Faesers Rücktritt.
       
       Jürgen Elsässer dagegen kostete seinen Punktsieg aus. Schon am Mittwoch
       reagierte er mit einem Video, in dem er mit seiner Frau und einem
       Mitarbeiter mit Sekt anstieß. Die Entscheidung sei der „größte Triumph in
       der Nachkriegsgeschichte“, tönte er großspurig und schmähte Faeser als
       „Diktatorin“. Am Donnerstag nahm Elsässer dann im Haus der
       Bundespressekonferenz in Berlin Platz, nicht im großen Saal, sondern
       eingemietet in einem kleinen Nebenraum. Einen der Anwälte von Compact,
       Laurens Nothdurft, begrüßte er euphorisch: „Sie sind der Sieger.“
       
       Nothdurft indes ist selbst ein Beispiel für das Netzwerk, in dem sich
       Compact bewegt: Er war früher Mitglied der „Heimattreuen Deutschen Jugend“
       (HDJ), eine von der Hitlerjugend inspirierten und 2009 verbotenen
       Jugendorganisation. [2][Seit Juli ist der AfD-Politiker Ortsbürgermeister
       von Roßlau in Sachsen-Anhalt].
       
       ## „Unsere Justiz ist unabhängig und urteilt entsprechend“
       
       Die August-Ausgabe sei bereits vor dem Inkrafttreten des Verbots gedruckt
       worden und dann eingelagert worden, erklärte Elsässer. Da aber auch die
       Abonnentenkartei und Unterlagen beschlagnahmt worden seien, werde die
       Ausgabe über Einzelbestellungen ausgeliefert. Zuvor hatte Elsässer die
       Ausgabe digital allerdings schon unter anderem Namen vertrieben: Mit dem
       Titel „Näncy“, online bestellbar über die Seite des Querdenkerblatts
       „Demokratischer Widerstand“.
       
       Der TV-Ableger von Compact könne vermutlich schneller wieder an den Start
       gehen als das Magazin, sagt Elsässer. Er bezeichnet das Verbot als Erfolg
       für Compact: Davor hätten vielleicht zwei Millionen Deutsche das Magazin
       gekannt, „jetzt dürften es 60 Millionen sein.“
       
       Auch andere Rechtsextremisten feierten die Entscheidung. Von einer
       „politischen Sensation“ sprach AfD-Rechtsaußen Björn Höcke. Der Identitäre
       Martin Sellner jubelte über einen „großartigen Tag“. Das rechtsextreme
       Netzwerk „Ein Prozent“ kündigte an, Compact über einen „Solifonds“ ein
       neues Studio zu finanzieren.
       
       Für Faesers erklärten Kampf gegen den Rechtsextremismus ist das [3][Urteil
       vom Mittwoch] ein Rückschlag. Ihr Ministerium wird seine Beweise gegen
       Compact nun noch mal ausbauen müssen – auch mit Material, das bei den
       Durchsuchungen am Verbotstag im Juli beschlagnahmt wurde.
       
       Faeser bekam aber auch Unterstützung: Die
       Grünen-Parlamentsgeschäftsführerin Irene Mihalic sagte der taz, es sei bei
       Verboten immer so, dass diese gerichtlich überprüft und beanstandet werden
       können. „Unsere Justiz ist unabhängig und urteilt entsprechend. Und das ist
       gut so.“ Noch sei die Entscheidung vorläufig, wie das Hauptsacheverfahren
       ausgehe, bleibe abzuwarten. „Rücktrittsforderungen halte ich vor diesem
       Hintergrund für überzogen und nicht angemessen“, so Mihalic. Sie erwarte
       aber, dass das Innenministerium nun „mit der gebotenen Sorgfalt“ im
       Hauptverfahren alle Argumente für das Verbot darlege.
       
       Auch SPD-Mann Sebastian Fiedler warnte, auf Erzählungen der Rechtsextremen
       „hereinzufallen“. Die Gerichtsentscheidung sei ja nur vorläufig, betonte
       auch er. Angesichts der zahlreichen Belege, wie Compact gegen die
       verfassungsgemäße Ordnung agitiere, sei das Verbot „geradezu zwingend“, so
       Fiedler zur taz. „Ich bin sicher, dass im Hauptsacheverfahren, nach
       Auswertung aller Beweismittel, das Verbot Bestand haben wird.“
       
       15 Aug 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Schwerpunkt-Juergen-Elsaesser/!t5008030
   DIR [2] /HDJ-Fuehrungskader-fuer-die-AfD-gewaehlt/!6023119
   DIR [3] /Verbot-von-rechtsextremem-Magazin/!6027026
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Konrad Litschko
   DIR Marie Sophie Hübner
       
       ## TAGS
       
   DIR Compact
   DIR Nancy Faeser
   DIR Verbot
   DIR Schwerpunkt Jürgen Elsässer
   DIR Rechtsextremismus
   DIR Schwerpunkt Pressefreiheit
   DIR GNS
   DIR 8. Mai 1945
   DIR Rechtsextremismus
   DIR Nancy Faeser
   DIR Compact
   DIR Schwerpunkt Jürgen Elsässer
   DIR Kolumne Geraschel
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR AfD-Bürgermeister über Zweiten Weltkrieg: Zuerst an die deutschen Opfer denken
       
       Holocaust oder SS-Verbrechen spielten in Roßlaus offizieller Gedenkrede am
       8. Mai keine Rolle. Gehalten wurde sie von einem Ortsbürgermeister mit
       Neonazi-Vergangenheit.
       
   DIR Aufhebung des „Compact“-Verbotes: Die Zweifel der Richter:innen
       
       Im Februar entscheidet das Bundesverwaltungsgericht, ob „Compact“ von
       verfassungsfeindlichen Inhalten geprägt ist. Bis dahin darf das Magazin
       erscheinen.
       
   DIR Aufhebung des Compact-Verbotes: Faesers Zitterpartie
       
       Die vorläufige Aufhebung des Compact-Verbotes ist eine Schlappe für die
       Innenministerin. Der Fall wird über das Bild ihrer Amtszeit entscheiden.
       
   DIR Aufhebung des „Compact“-Verbots: Eine berechtigte Entscheidung
       
       Für Medienverbote muss es besonders hohe Hürden geben, auch bei
       extremistischen Magazinen wie „Compact“. Die Gerichtsentscheidung ist
       deshalb richtig.
       
   DIR Verbot von rechtsextremem Magazin: „Compact“ darf wieder erscheinen
       
       Im Juli hat das Bundesinnenministerium das rechtsextreme „Compact“-Magazin
       verboten. Jetzt wurde das Verbot ausgesetzt – zumindest teilweise.
       
   DIR Presse- und Meinungsfreiheit: Hat die Gesellschaft noch Bock drauf?
       
       Kürzlich verbot Nancy Faeser „Compact“. Das rechte Magazin selbst hat jetzt
       Klage dagegen eingereicht. Das ist gut so.