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       # taz.de -- Abbas im türkischen Parlament: Erdoğan verschafft sich gute News
       
       > Bei einer Rede in Ankara kündigt Palästinenserpräsident Abbas an,
       > demnächst nach Gaza zu reisen. Derweil laufen Verhandlungen in Doha.
       
   IMG Bild: Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas am Donnerstag in Ankara
       
       Istanbul taz | Es war ein großer Auftritt, doch auch der Beifall konnte
       nicht darüber hinwegtäuschen, dass Palästinenserpräsident Mahmut Abbas in
       der Türkei eine umstrittene Figur ist.
       
       An der Oberfläche war alles wie zu erwarten. Abbas verurteilte den
       „Völkermord“ Israels in Gaza, beschwor eine Zukunft ohne Besatzung und
       dankte den türkischen Parteien und der gesamten Bevölkerung für ihre
       Solidarität mit dem Kampf der Palästinenser. Präsident Recep Tayyip Erdoğan
       saß in der Ehrenloge und auch sonst war alles, was in Erdoğans Türkei Rang
       und Namen hat, zu der Sondersitzung des Parlaments am Donnerstagnachmittag
       aus der Sommerpause nach Ankara geeilt.
       
       Doch echte Begeisterung sieht anders aus. Nicht nur, weil der 88-jährige
       Mahmut Abbas kaum mehr in der Lage ist, eine mitreißende Rede zu halten,
       sondern schlicht, weil die regierende AKP und Präsident Erdoğan ein
       wesentlich engeres Verhältnis zur Hamas als zur PLO von Mahmut Abbas haben.
       
       Als Abbas aber kurz vor Ende seiner Rede ankündigte, dass er in den
       nächsten Tagen persönlich nach Gaza reisen will, wurde erstmals echte
       Begeisterung deutlich. „Für alle Welt verkündige ich hiermit, dass ich mit
       der Führung der palästinensischen Brüder nach Gaza reisen werde.“ Das war
       endlich eine Nachricht nach Erdoğans Geschmack.
       
       ## Propagandashow auf beiden Seiten
       
       Erdoğan hatte Abbas eigentlich eingeladen, damit er am 24. Juli parallel
       zum Auftritt Benjamin Netanjahus vor dem US-Kongress eine Rede im
       türkischen Parlament hält. Abbas hatte das abgelehnt und gesundheitliche
       Gründe vorgeschützt, was Erdoğan allerdings nicht ernst nahm. Bevor Abbas
       nun auf dem Rückweg von Moskau auch in Ankara Station machte, war in den
       türkischen Medien schon mal die Rede davon, er müsse sich für seine
       vorherige Absage erst entschuldigen, bevor er nun im Parlament reden dürfe.
       
       Soweit wollte Erdoğan nicht gehen, aber er machte doch klar, dass er über
       die vorherige Weigerung des greisen Abbas, bei der ihm zugedachten
       Propagandashow mitzumachen, sehr enttäuscht war. Auf X machten seine
       islamistischen Anhänger unter dem Hashtag: „Abbas der Verräter“ klar, was
       sie wirklich von dem Palästinenserpräsidenten halten.
       
       Schon im Vorfeld der Rede von Abbas im Parlament war in diversen Interviews
       bei den verschiedenen großen Fernsehanstalten immer wieder die Rede vom
       „Völkermord“ in Gaza und von der Erwartung, dass der israelische
       Ministerpräsident Netanyahu sich hoffentlich bald vor einem internationalen
       Gericht verantworten müsse.
       
       Die größte Oppositionspartei CHP betonte dagegen, dass sie gemeinsam mit
       anderen europäischen sozialdemokratischen Parteien [1][die Kritiker der
       Regierung in Israel unterstützt]: „Wir hoffen, dass Netanjahu für seine
       Verbrechen in Israel vor Gericht gestellt wird“, sagte Gökhan Günaydin,
       stellvertretender Fraktionsvorsitzender im Sender Haber Türk.
       
       In seiner Rede ging Abbas nicht auf die gleichzeitig in [2][Katars
       Hauptstadt Doha begonnenen Verhandlungen über einen Waffenstillstand
       zwischen Israel und der Hamas ein.] Auf Druck der USA, Ägyptens und der
       Katarer wird dort ein letzter Anlauf gemacht, die Waffen im Gazastreifen
       zum Schweigen zu bringen, und damit auch den angedrohten Angriff Irans auf
       Israel vielleicht noch zu verhindern. Abbas begnügte sich stattdessen
       damit, noch einmal die Tötung des Hamas-Chefs Ismail Haniyeh scharf zu
       verurteilen.
       
       15 Aug 2024
       
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