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       # taz.de -- Gefangenenlager in Israel: Kämpfe bei Sturm auf Kaserne
       
       > In Israel stürmen rechte Demonstrierende eine Kaserne und ein Gericht.
       > Sie sind wütend wegen der Ermittlungen zu Foltervorwürfen in
       > Gefängnissen.
       
   IMG Bild: Israelische Soldaten und Polizisten geraten mit rechtsgerichteten Aktivisten aneinander
       
       Jerusalem taz | Bei dem Sturm auf eine Kaserne im Süden Israels kam es am
       Montagnachmittag zu Auseinandersetzungen zwischen der Armee und Anhängern
       ultranationaler Parteien. Diese hatten gegen die Verhaftung von neun
       Soldaten protestiert, die auf Anweisung eines Militärrichters verhört und
       abgeführt werden sollten. Die als Wächter in dem Militärlager Sde Teiman
       bei Be'er Scheva, südlich vom Zentrum des Landes, eingesetzten Soldaten
       sollen einen gefangengehaltenen Hamas-Kommandeur brutal gefoltert haben.
       
       In den letzten Monaten sickerten immer wieder [1][Berichte über sadistische
       Verhörmethoden] von in Gaza Festgenommenen durch. Israelische
       Menschenrechtsorganisationen sprechen auch von unsäglichen hygienischen
       Zuständen in dem Lager. Mehrere hundert Palästinenser sollen seit dem 7.
       Oktober dort festgehalten worden sein, auch um an Informationen über noch
       kämpfende Hamas-Einheiten zu gelangen.
       
       Für die meist jungen Demonstranten sind die [2][Ermittlungen des
       Militärgeneralanwalts gegen israelische Soldaten] inakzeptabel.
       Demonstranten aus dem ultrarechten politischen Spektrum greifen zwar im
       besetzten Westjordanland immer wieder Soldaten an, doch erstmals wurde nun
       eine Kaserne und im Lauf des Abends sogar ein Gericht gestürmt. „Die
       Untersuchung ist ein Verbrechen“, riefen die teilweise selber in
       Armeeuniformen erschienenen vermummten Jugendlichen.
       
       Wut über Ermittlungen zu misshandelten Palästinensern 
       
       Herzi Halevi, der Kommandeur der israelischen Armee (IDF), warnte am
       Dienstag: „An der südlichen Grenze herrscht Anarchie.“ Er ließ mehrere
       IDF-Kompanien aus dem Westjordanland nach Beit Lid, den Sitz des
       zuständigen Militärgerichtes, verlegen. Dorthin waren auch die
       beschuldigten Soldaten zur Befragung gebracht worden. Obwohl auch
       Staatspräsident Isaac Herzog die Ausschreitungen gegen die Militärpolizei
       scharf kritisierte, kam es dann am Abend auch in Beit Lid zu
       Auseinandersetzungen.
       
       Die Polizei teilte am Montagabend mit, der „Mob“ von Beit Lid sei von den
       Beamten schließlich durch den massiven Einsatz von Schutzschilden und
       Pfeffergas zerstreut worden. Festnahmen gab es keine, obwohl viele der
       uniformierten Demonstranten offenbar Reservisten im aktiven Dienst waren
       und immer wieder provokativ ihre Waffen zeigten. Letztlich wagten sie es
       jedoch nicht, ihre auf Videos festgehaltenen Gewaltandrohungen umzusetzen.
       
       Regierungskritiker nehmen an, die Aktion sei eine gut vorbereitete
       Machtdemonstration der rechten Szene gewesen und kein ernsthafter Versuch,
       die Gefangenen zu befreien. Denn immerhin waren mehrere Regierungsvertreter
       nicht nur anwesend, sondern sogar Drahtzieher der Aktion.
       
       Der rechtsgerichtete [3][Minister für nationale Sicherheit Itamar Ben
       Gvir], der Minister für Kulturerbe Amichay Eliyahu und der Minister für
       religiösen Zionismus Zvi Sukkot peitschten ihre Anhänger während des live
       auf sozialen Medien übertragenen Sturms auf die Kasernen auf. Mit „Kommt in
       Scharen“ hatte Sukkot Anhänger aus dem ganzen Land angelockt. Zusammen mit
       Eliyahu und Nissim Vaturi von der größten Regierungspartei Likud wurde er
       beim Betreten des IDF-Stützpunkts und im Gespräch mit der Menge gefilmt.
       
       Rückhalt aus dem Parlament 
       
       IDF-Kommandeur Halevi zeigt sich vom Druck der Nationalisten zumindest
       öffentlich unbeeindruckt. Er unterstütze den auch zu weiteren
       Foltervorwürfen ermittelnden Generalmajor Yifat Tomer-Yerushalmi und die
       Militärpolizei und warnte die Demonstrierenden: „Wir haben Verstärkung nach
       Beit Lid geschickt, damit nichts Schlimmeres passiert.“
       
       Die radikalen Kräfte glauben jedoch bereits, die Mehrheit im Land hinter
       sich zu haben. Bei einer Debatte von Parlamentariern über Foltervorwürfe
       bei Verhören blieb die Meinung von Hannoch Milwidsky vom Likud
       unwidersprochen. „Wenn es Terroristen sind, ist alles erlaubt“, sagte
       dieser.
       
       Sollten die Foltervorwürfe aufgrund des Drucks der Radikalen nicht
       aufgeklärt werden, dürfte dies für Israels Position vor dem Internationalen
       Gerichtshof (IGH) und Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) schwere
       Folgen haben. Israel lehnt die [4][laufenden Verfahren] mit dem Argument
       ab, als einziges Land in der Region eine funktionierende und unabhängige
       Justiz zu besitzen. Wie sehr die Radikalen dieses Argument aushebeln, ist
       zumindest Armeechef Halevi klar: „Der Vorfall gefährdet unsere Demokratie
       und spielt unserem Feind in die Hände.“
       
       30 Jul 2024
       
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