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       # taz.de -- AfD, Mpox und der Leipziger CSD: Finstere Zeiten
       
       > Selbstbewusste Nazis, betrunkene Deutsche und ausgebeutete Asylbewerber:
       > Es gibt aktuell nicht so viele Gründe, optimistisch zu sein.
       
   IMG Bild: Neonazis zeigen beim CSD in Leipzig das Symbol für „White Power“, 17.08.2024
       
       taz: Frau Irmschler, was war schlecht vergangene Woche? 
       
       Paula Irmschler: Die AfD liegt in sämtlichen Umfragen vorn oder zu weit
       vorn und Nazis fühlen sich dadurch bestärkt. Bei der [1][Gegendemo gegen
       den Leipziger CSD] am Samstag sah man (wie zuvor schon in Bautzen), dass
       die Demonstranten erschreckend jung und erschreckend selbstbewusst sind.
       Man sah auf Videos, dass an diesen Demonstrationen teilweise Kinder
       teilgenommen haben – und das waren keine, die von ihren Eltern
       mitgeschleppt wurden. Die unmittelbare Zukunft sieht eh finster aus, aber
       wenn wir kommende Generationen auch noch verlieren …
       
       taz: Und was wird besser in dieser? 
       
       Irmschler: Ich hab doch gerade gesagt, es sieht finster aus! Die Wahlen im
       Osten sind so nah, viele antifaschistische Gruppen im Osten bangen um ihre
       Existenz und Räume, wie soll da gerade irgendwas besser werden. Wake me up
       when September ends.
       
       taz: Die algerische Boxerin [2][Imane Khelif klagt gegen X], ehemals
       Twitter, nachdem sie einer transfeindlichen und sexistischen Hetzkampagne
       ausgeliefert war. Warum haben Musk und seine Plattform X weiterhin so viel
       Macht? 
       
       Irmschler: Na, weil er reich und ein kaltblütiges Arschloch ist. Und zu
       Imane Khelif kann man eh nur sagen: You go, girl!
       
       taz: Auch in Maßen ist Alkohol nicht gesund, sagt die Deutsche Gesellschaft
       für Ernährung und änderte ihre Empfehlung. Deutsche würden doppelt so viel
       konsumieren, wie der weltweite Durchschnitt. Kann sich Deutschland von
       seinem Kulturgut trennen? 
       
       Irmschler: Absolut unvorstellbar, klar. Vielleicht muss man den Deutschen
       doch noch irgendwas geben, ähnlich wie Leuten, die aufhören sollen zu
       rauchen (Du darfst eine Einzige an deinem Geburtstag oder Silvester). Ich
       schlage, auch aus persönlichen Gründen, den Kölner Karneval vor.
       
       taz: Mpox breitet sich auch in Europa aus. Das RKI gibt bisher Entwarnung
       und fürchtetet keine covidähnlichen Zustände. Cool bleiben oder Klopapier
       hamstern? 
       
       Irmschler: Ich weiß noch, wie es am Anfang von Corona hier und da hieß:
       „Jetzt betrifft es auch mal uns“ – und man an Demut appellierte. Dafür wäre
       jetzt Gelegenheit. Plus Solidarität, gucken, wo man unterstützen kann und
       sich nicht schon wieder nur um sich drehen. Und Pro-Tipp: Po-Dusche!
       
       taz: 45 Prozent der CDU-Mitglieder würden [3][laut einer Forsa-Umfrage]
       eine Zusammenarbeit mit der AfD nicht vollkommen ausschließen. Wo ist die
       Brandmauer, wenn man sie braucht? 
       
       Irmschler: Ach … hab ich schon erwähnt, dass alles gerade sehr finster
       aussieht?
       
       taz: Die rechtsextreme Zeitschrift Compact darf vorerst wieder erscheinen.
       Das Bundesverwaltungsgericht hat das Verbot vorläufig aufgehoben. War es
       den Versuch wert? 
       
       Irmschler: Ja. Dass Rechte das jetzt ausschlachten, ist schlecht, aber das
       ist nun mal das, was sie tun. Es darf aber nicht davon abhalten, dass man
       sie weiter bekämpfen muss, wo es nur geht.
       
       taz: Im Saale-Orla-Kreis gilt seit Jahresbeginn eine Arbeitspflicht für
       Asylbewerber. Aus Sicht der Behörden hat sich die Maßnahme bewährt.
       Bescheuert oder sinnvoll? 
       
       Irmschler: Bescheuert, menschenverachtend, ekelhaft. Sie bekommen übrigens
       80 Cent pro Stunde. Aber „die Behörden“ stehen sowieso immer auf der
       falschen Seite, weil sie Armut nur verwalten.
       
       taz: Sie sitzen am heutigen Montag, den 19. August in Dresden auf einem
       Podium der Pen Berlin-Reihe [4][„Das wird man ja wohl noch sagen dürfen“].
       Gibt es etwas, von dem Sie denken, dass sie es nicht mehr sagen dürfen? 
       
       Irmschler: Natürlich darf man im juristischen Sinne sehr viel sagen. Ob man
       mit den Konsequenzen klarkommt und ob die Konsequenzen die richtigen sind,
       darüber sollten wir weiterhin diskutieren. Wenn Leute Jobs und Posten
       verlieren, mit massivem Hass im Netz überschüttet werden oder zu Hause
       bedroht werden, dann muss man natürlich genauer hingucken. Trotzdem ist es
       keine Cancel Culture, wenn einem Leute widersprechen. Was früher ohne
       Widerspruch durchging, geht es vielleicht heute nicht mehr, weil von
       Diskriminierung Betroffene sich besser äußern können. Die Diskurse gehören
       nicht mehr nur den privilegierten Männern. Wichtig ist, Räume zu erhalten,
       in denen Menschen sprechen können, offline sowie online. Wo ich wieder bei
       den Zumutungen bin, denen zivilgesellschaftliche Gruppen im Osten gerade
       ausgesetzt sind … herrje. Also: Was ich zum Beispiel gern mit Behörden
       machen würde, die geflüchtete Menschen dazu zwingen, für 80 Cent die Stunde
       zu arbeiten oder mit den Nazis, die im Osten gegen CSDs demonstrieren,
       würde ich hier jetzt zum Beispiel lieber nicht hinschreiben.
       
       Paula Irmschler ist Autorin und übernimmt als Urlaubsvertretung den
       Wochenrückblick von Friedrich Küppersbusch
       
       18 Aug 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Christopher-Street-Day-in-Leipzig/!6030620
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   DIR [3] https://www.spiegel.de/politik/deutschland/cdu-fast-die-haelfte-der-mitglieder-kann-sich-laut-umfrage-afd-kooperation-vorstellen-a-99f25d3d-6808-4f4b-8b8d-f11956c9c3b7
   DIR [4] https://penberlin.de/ost/
       
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