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       # taz.de -- Bundeswehr: Traditionen im Geheimen
       
       > Die zurückgezogenen Ergänzungen zum Traditionserlass hätten
       > Bundeswehr-intern bleiben sollen. Die Opposition findet das höchst
       > bedenklich.
       
   IMG Bild: Gelöbnis auf dem Paradeplatz des Bundesministeriums der Verteidigung
       
       BERLIN taz | Die umstrittenen Ergänzungen zum Traditionserlass der
       Bundeswehr sollten offenbar nie öffentlich werden. Eine Veröffentlichung
       sei „nicht maßgebliches Ziel“ gewesen, erklärt eine Sprecherin des
       Verteidigungsministeriums auf Anfrage. Erst vor Kurzem [1][zog das
       Ministerium seine Ergänzungen zurück], nachdem [2][die taz groß berichtet
       hatte], dass damit auch Wehrmachtsangehörige geehrt werden können, die
       nicht im Widerstand waren.
       
       Die Ergänzungen seien als „Information für die Truppe“ gedacht gewesen, als
       „Ausgestaltung des Traditionserlasses“ im jeweiligen Zuständigkeitsbereich.
       Auch Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) war wohl nicht
       eingebunden: „Eine Befassung der politischen Leitung erfolgte nicht“, so
       die Sprecherin.
       
       Nach dem 2018 von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen
       unterzeichneten Erlass gilt die Wehrmacht als nicht traditionswürdig für
       die Bundeswehr. Doch mit den Ergänzungen wären einzelne Angehörige bereits
       in die Reihe der Vorbilder für die Truppe aufgenommen worden, [3][wenn sie
       beim Aufbau der Bundeswehr wichtig waren]. In einer [4][beigelegten Liste
       wurden etwa Jagdflieger, U-Boot-Kommandanten und Frontoffiziere] samt ihrer
       militärischen Erfolge aufgelistet, was auch das Verteidigungsministerium
       heute kritisch sieht: „Die Darstellung im Anhang des Dokumentes war
       kritikwürdig; die sprachliche und formale Gestaltung hatte Zweifel an der
       richtigen Gewichtung der Inhalte aufkommen lassen“, räumt die Sprecherin
       ein.
       
       Auch der Verteidigungsausschuss des Bundestags, der explizit für die
       parlamentarische Kontrolle des Ministeriums zuständig ist, wurde nicht
       informiert. Abgeordnete bestätigen, dass sie erst aus der Presse von den
       ergänzenden Hinweisen erfahren haben. „Der Vorgang an sich war höchst
       merkwürdig“, findet Dietmar Bartsch, Obmann der Linken im Ausschuss. „Mit
       der Ergänzung wären wir 30 Jahre, noch vor die Zeit der
       Wehrmachtsausstellung zurückgeworfen worden.“
       
       ## Professor verteidigt die Ergänzungen
       
       Bartsch fordert jetzt Aufklärung. „Auf der obersten Ebene – Minister und
       Generalinspekteur – ist die Frage der Traditionspflege richtig
       angesiedelt und muss dort entschieden werden.“ Das BSW wirft der
       Bundesregierung „Geschichtsvergessenheit und -ignoranz“ vor: „Ein solch
       heikles Thema einem Abteilungsleiter zu überlassen, ist ohne Frage höchst
       bedenklich“, sagt Żaklin Nastić, BSW-Obfrau im Ausschuss. Die Ergänzungen
       zeigten, „wie sehr solches Gedankengut in Bundeswehrkreisen noch präsent
       und verankert ist.“
       
       Verteidigt wurden die Ergänzungen inzwischen von Sönke Neitzel, Professor
       für Militärgeschichte in Potsdam. „Die Mehrheit der intrinsisch motivierten
       Soldaten wünscht sich aber mehr Bezüge zum Kampf und auch zur Zeit von vor
       1945“, behauptete er in der Welt am Sonntag. „Absolut richtig“ nennt
       dagegen Carlo Masala, Professor an der Universität der Bundeswehr in
       München, die Rücknahme der Ergänzungen. Diese wären ein „Dammbruch“ gewesen
       und womöglich der Beginn einer Entwicklung, die Wehrmacht zu
       rehabilitieren, sagte er der taz. Die nur interne Verbreitung kann er nicht
       nachvollziehen: „Das Ministerium muss ja damit rechnen, dass so was
       herauskommt.“ Ergänzungen zum Traditionserlass dürften keine substanziellen
       Fragen betreffen, fordert Masala, und müssten natürlich veröffentlicht
       werden.
       
       Der Mann, der die „ergänzenden Hinweise“ am 12. Juli 2024 verschickt hatte,
       Generalleutnant Kai Rohrschneider, wird übrigens seinen Posten als
       Abteilungsleiter Einsatzbereitschaft und Unterstützung Streitkräfte ohnehin
       räumen: Er ist als Nachfolger von Generalleutnant Alexander Sollfrank als
       Kommandeur des Joint Support and Enabling Command (JSEC) der Nato in Ulm
       vorgesehen.
       
       22 Aug 2024
       
       ## LINKS
       
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