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       # taz.de -- Golf und Olympia: Eine neue Generation Golf
       
       > Lange hielten sich Golfprofis von der Olympiausgabe ihres Sports fern.
       > Seit den Spielen in Paris ist das anders – Golf entwickelt sich.
       
   IMG Bild: Esther Henseleit bei den Olympischen Spielen in Paris
       
       [1][Olympia]? Schon lange her. Obwohl, nachhallen in unser aller Gedächtnis
       wird dieses grandiose Kunstwerk von Sportevent noch lange. Und die
       Paralympics fangen erst an. Von wegen vorbei.
       
       Bei den Paralympics wird allerdings kein Golf gespielt. Die GolferInnen mit
       Behinderung hatten im Juli, kurz vor Olympia, ihre
       Mannschafts-Europameisterschaft in Hösel nahe Düsseldorf.
       
       Spektakulär, was Einarmige oder Menschen im Rollstuhl auf dem Golfplatz zu
       leisten imstande sind, mit welcher Eleganz, Präzision und Grandezza. Den
       Titel holte übrigens Frankreich; der Grande Nation gelingt in diesem
       Sportsommer fast alles.
       
       Nicht so allerdings beim [2][olympischen Golf]. Dafür gab es hitchcockhafte
       Battles um die Medaillen, bei den Männern wie auch bei den Frauen. Im
       Fernsehen liefen die Wettbewerbe leider weitgehend unter dem Radar, vor Ort
       wurden sie von täglich 30.000 Menschen euphorisch gefeiert.
       
       ## Spannendes Turnier in Paris
       
       Noch erstaunlicher: Welchen Stellenwert Golf bei den Aktiven hat. Fast alle
       Stars waren am Start. Vor acht Jahren in Rio, bei Golfs Rückkehr ins
       olympische Programm, hatten viele noch abgewunken: Was soll ich da? Passt
       nicht in meinen Turnierplan, in meine Routinen.
       
       Ich bin Individualsportler par excellence, was soll ich für ein Land ran?
       Viele schoben damals das Zikavirus vor, um abzusagen. Entsprechend mau war
       das Publikumsinteresse in Brasilien. Die publikumslosen Covid-Spiele in
       [3][Tokio rissen 2021 ohnehin niemanden von den Sitzen].
       
       Anders in Paris: Bei den Männern gab es auf den letzten Löchern des
       Schlusstags einen stundenlangen Showdown mit Dramen ohne Ende,
       Wiedergeburten aus dem abgeschlagenen Nichts, ständig wechselnden
       Führungen. Der Baske Jon Rahm hatte zeitweilig vier Schläge Vorsprung und
       stürzte plötzlich verkrampft ins Medaillenlose.
       
       Am Ende hatte der US-Weltranglistenerste Scottie Scheffler nach monströser
       Aufholjagd gewonnen, und fast wäre mit dem Einheimischen Victor Perez
       tatsächlich auch noch ein Franzose aufs Treppchen gestiegen.
       
       Das Publikum tobte, als handele es sich um einen schlägerschwingenden Leon
       Marchand, den wässrigen Allesabräumer. Wäre das Turnier über 75 statt 72
       Loch gegangen – wer weiß, wo dieser Perez noch gelandet wäre.
       
       ## Silber für Deutschland
       
       Bei den Frauen war die Dramaturgie ähnlich. Die Favoritinnen, mehrheitlich
       aus Asien oder den USA, schwächelten, je näher das Schlussloch kam. Eine
       blieb konstant: Goldmedaillengewinnerin Lydia Ko aus Neuseeland. Und
       Silber: Esther Henseleit, 25, aus Varel in Friesland. Das war ein
       unerwarteter Knaller, mit einer großartigen 66er-Schlussrunde nahe dem
       Platzrekord, von Position 13 am Morgen auf 2.
       
       Henseleit ist taz-LeserInnen keine Unbekannte (siehe taz vom 1. 8. 2020).
       Sie sprach schon vor vier Jahren, gerade Profi geworden, vom Karriereziel
       Olympia-Teilnahme.
       
       Im taz-Gespräch war es auch um Henseleits damaligen WG-Kumpel Paul
       gegangen, der bei ihrem ersten Turnier in Spanien die Tasche als Caddie
       schleppte und mit klassenkämpferischen Sprüchen die feine Golfwelt rockte.
       Ein Glücksfall, so Henseleit, war ihr Abi an einer Waldorfschule: „Da lernt
       man viel Kreativität, und das kann auf dem Platz nur hilfreich sein.“
       
       Auffallend, mit welcher hymnischen Begeisterung der deutsche Golfverband
       Henseleits überraschenden Erfolg feierte. Historisch, Sensation, solches
       Vokabular, oder gleich: „ikonischer Höhepunkt“. Klar: die erste deutsche
       Olympiamedaille im Golf.
       
       Aber sorry, die beste Spielerin des Landes, Weltrangliste immerhin Platz
       42, wird bei einem Turnier Zweite – das ist doch für einen selbstbewussten
       Verband kein Grund zum Ausrasten.
       
       Golf wächst seit Jahren, und mit Langer und Kaymer haben zwei Spieler schon
       je zwei Majors gewonnen. Aber diese Henseleit: „Sie hat uns alle in
       Golfdeutschland glücklich gemacht.“
       
       Erstaunlich: Golf und Olympia, eben noch zwei fremdelnde Welten, sind in
       Paris verschmolzen. Die Süddeutsche Zeitung spricht schon von der
       „Generation Olympia“.
       
       Am Wochenende machte Henseleit weiter: Bei den renommierten Scottish Open
       wurde sie wieder Zweite. Ganz Golfdeutschland darf 167.000 Dollar Preisgeld
       bejubeln und sich mit Henseleit als viertbeste Europäerin über eine
       ikonische Weltranglisten-Position 29 freuen.
       
       23 Aug 2024
       
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   DIR Bernd Müllender
       
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