# taz.de -- Afghanistan unter den Taliban: Einreiseverbot für Menschenrechte
> Die Taliban verweigern dem UN-Sonderberichterstatter zur
> Menschenrechtslage in Afghanistan die Einreise. Ihre Sittenpolizei zeigt
> ein brutales Bild.
IMG Bild: Taliban verbrennen konfiszierte Musikinstrumente in der Nähe von Herat
Berlin taz | In einem neuen Affront gegen die UNO verweigern die Taliban
deren Menschenrechts-Sonderberichterstatter Richard Bennett seit Monaten
ein Einreisevisum. Bennett d[1][eutete schon im Februar an], er habe
bereits im Oktober 2023 „Informationen erhalten, dass ein Besuch des Landes
zu diesem Zeitpunkt nicht willkommen“ sei. In seinem jüngsten Bericht vom
Mai erwähnt er nicht, dass er Afghanistan inzwischen wieder besucht hätte.
Am Dienstag bestätigte Taliban-Sprecher Sabihullah Mudschahed das
Einreiseverbot. Er sagte dem privaten afghanischen [2][Nachrichtenportal
Tolo], der vom UN-Menschenrechtsrat in Genf berufene Bennett sei
„beauftragt, in Afghanistan Propaganda zu verbreiten“ und habe „kleinere
Probleme übertrieben“. Er sei deshalb „niemand, dem wir vertrauen“ und
dürfe „nicht mehr hierherkommen“.
Bereits im Juni hatte Mudschahed Bennett, ohne ihn namentlich zu nennen,
vorgeworfen, ein „verzerrtes Bild“ Afghanistans zu verbreiten und damit ein
damals bevorstehendes UN-Treffen internationaler
Afghanistan-Sonderbeauftragter in Katar zu untergraben.
Daran nahmen erstmals die Taliban teil, die sich davon einen Durchbruch in
ihrer internationalen Anerkennung erhofften. Bennett hatte kritisiert, dass
afghanische Frauenvertreterinnen nicht geladen waren und davor gewarnt, das
Regime in Kabul und dessen „entsetzliche Menschenrechtsverletzungen zu
normalisieren“.
## Bisher keine offizielle Reaktion der UNO
Bennett reagierte bisher offiziell nicht auf die Einreisesperre. Der
Sprecher von UN-Generalsekretär António Guterres in New York wollte sie
bisher weder bestätigen noch dementieren.
Bennett ist nicht in Afghanistan stationiert, arbeitete aber vorher zweimal
für die Menschenrechtsabteilung der UN-Mission in Afghanistan. In seiner
[3][jetzt ehrenamtlichen Rolle] bereiste er das Land dreimal, zuletzt wohl
Mitte 2023. [4][In seinem letzten Bericht im Mai] kritisierte er das Regime
in Kabul hart: „Das von den Taliban institutionalisierte System der
Diskriminierung, Segregation, Missachtung der Menschenwürde und Ausgrenzung
ist von einer tiefen Ablehnung der Menschlichkeit von Frauen und Mädchen
motiviert.“
Einseitigkeit kann man dem neuseeländischen Juristen, derzeit Gastprofessor
am Raoul-Wallenberg-Institut im schwedischen Lund, nicht vorwerfen. So
kritisierte er die Regierung in Canberra für deren Weigerung, afghanischen
Opfern von Kriegsverbrechen australischer Soldaten Kompensation zu zahlen.
Er begrüßte auch eine New-York-Times-Recherche unter dem Titel „Wie die USA
in Afghanistan Entführung, Folter und Mord unterstützten“.
Bennett schont dabei auch seine Auftraggeberin nicht. So begrüßte er die
jüngste Wiederveröffentlichung eines 2004 von der UNO unter dem Druck des
damaligen Präsidenten Hamid Karsai und einiger westlicher Staaten
zurückgezogenen Berichts über Kriegsverbrechen, der auch afghanische
Verbündete des Westens namentlich nennt.
## 13.000 Festnahmen durch die Sittenpolizei
Über neue Menschenrechtsverletzungen informierte am Dienstag die
Taliban-Sittenpolizei selbst in einer Pressekonferenz. Sie habe über 13.000
Menschen wegen „unsittlicher Handlungen“ festgenommen, 21.328
Musikinstrumente zerstört und 281 Sicherheitskräfte entlassen, weil sie
sich keinen Bart wachsen ließen.
Folgenschwerste Verletzung bleibt das Bildungsverbot für Mädchen und Frauen
ab der Sekundarstufe, das [5][laut Unesco] mindestens 1,4 Millionen
Afghaninnen betrifft. Zudem „verdoppelte bis verdreifachte“ sich der
afghanischen Exilorganisation [6][Rawadari] zufolge im ersten Halbjahr die
Zahl außergerichtlicher Tötungen und verschwundener Personen.
21 Aug 2024
## LINKS
DIR [1] https://www.ohchr.org/en/documents/country-reports/ahrc5580-situation-human-rights-afghanistan-report-special-rapporteur
DIR [2] https://tolonews.com/afghanistan-190324
DIR [3] https://www.ohchr.org/en/special-procedures/sr-afghanistan
DIR [4] https://www.ohchr.org/en/documents/country-reports/ahrc5625-phenomenon-institutionalized-system-discrimination-segregation
DIR [5] https://www.unesco.org/en/emergencies/education/afghanistan
DIR [6] https://rawadari.org/130820241849.htm/
## AUTOREN
DIR Thomas Ruttig
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