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       # taz.de -- Drohender Krieg zwischen Iran und Israel: Fatalismus unterm Felsendom
       
       > Auch im von Israel annektierten Ost-Jerusalem fürchten viele den großen
       > Krieg. Dort gibt es kaum Bunker – im Gegensatz zum Westteil der Stadt.
       
   IMG Bild: Ein Mädchen auf dem Weg zu einem Sommercamp auf dem Gelände der Al-Aqsa-Moschee, im Juli 2024
       
       Jerusalem taz | Auf einer schattigen Bank vor der Jerusalemer
       Kunsthochschule Bezalel ruhen sich Ofir und sein Sohn Yair aus. Während
       Diplomaten zahlreicher Staaten hektisch versuchen, einen großen regionalen
       Krieg abzuwenden, herrscht in Jerusalem angespannte Normalität. „Wir haben
       meinen freien Tag genutzt, um ins Museum zu gehen“, sagt der 40-Jährige.
       
       Die Bedrohung sei ihm bewusst, beschäftige ihn im Alltag aber wenig, sagt
       Ofir. „Wir haben einen Schutzraum in der Wohnung und eine verstärkte
       Tiefgarage unter unserem Gebäude, dort sind wir sicher“, sagt der
       Psychologe, der mit seiner Familie im größtenteils jüdisch bewohnten
       Westteil der Stadt lebt. Zudem habe er Wasser und Essen für einige Tage
       besorgt. „Es wird schon gut gehen“.
       
       Rund eine Woche [1][nach der gezielten Tötung des Hamas-Auslandschefs
       Ismail Hanija] in der iranischen Hauptstadt ist [2][die Sorge vor einer
       Eskalation international weiter hoch]. Diplomatische Aufrufe zur
       Zurückhaltung richten sich sowohl an Jerusalem als auch an Teheran. Einem
       Bericht des israelischen Sender KAN zufolge riefen Israels Partner unter
       Führung der USA die israelische Regierung auf, „den Bogen nicht zu
       überspannen“. Das Ziel sei letztlich „nicht, einen umfassenden Krieg
       auszulösen“, hieß es in der Botschaft demnach weiter.
       
       ## Iran hat „Bestrafung“ angekündigt
       
       Der [3][Iran bekräftigte gegenüber ausländischen Botschaftern] in Teheran
       seine Absicht, auf Israels „Abenteurertum“ und den tödlichen Angriff auf
       Hanije in Teheran zu reagieren. Israel hat sich bisher nicht zu dem Angriff
       bekannt. Für Mittwoch wollen die Außenminister der Organisation für
       islamische Zusammenarbeit bei einer Dringlichkeitssitzung in Saudi-Arabien
       über die „Verbrechen der israelischen Besatzung“ und die „Ermordung“
       Hanijas beraten. Die Organisation versteht sich als Stimme der muslimischen
       Welt.
       
       Eine Eskalation wolle Teheran laut eines Sprechers des Außenministeriums
       vermeiden: „Der Iran versucht, Stabilität in der Region herzustellen“,
       sagte Nasser Kanaani. „Das wird aber nur gelingen, wenn der Aggressor
       bestraft wird.“ Der Oberkommandeur der Islamischen Revolutionsgarde,
       Hossein Salami, bekräftigte die Drohung, Israel „zu gegebener Zeit“ zu
       bestrafen.
       
       „Ich will nicht, dass es Krieg gibt, aber ich glaube, wir haben keine
       Wahl“, sagt Ofir in Jerusalem. Die Hisbollah und die Führung im Iran würden
       keinen Frieden wollen. „Ich hoffe, wir werden siegen“, sagt Ofir. Wie so
       ein Sieg seiner Ansicht nach aussehe? „Ich denke, wir müssen sie hart genug
       treffen, damit sie aufhören, uns anzugreifen.“
       
       ## An mehreren Fronten bedroht
       
       Neben einem direkten Angriff durch den Iran, der über ein großes Arsenal an
       Langstreckenraketen und Drohnen verfügen soll, könnten sich auch
       [4][proiranische Gruppen in der Region wie die libanesische Hisbollah], die
       Huthis im Jemen und weitere Gruppen in Syrien und im Irak an einem
       Vergeltungsschlag beteiligen. Israel ist damit an mehreren Fronten bedroht.
       
       Bereits jetzt ist die Lage an mehreren Orten angespannt. Bei einem
       Israelischen Angriff im Süden des Libanon wurden am Dienstag laut dem
       libanesischen Gesundheitsministerium fünf Menschen getötet. Eine mit
       Sprengstoff beladene Drohne der Hisbollah schlug nahe Naharija im Norden
       Israels ein und verletzte neunzehn Menschen, mindestens einen davon schwer.
       Im [5][besetzten Westjordanland] tötete die israelische Armee bei
       Operationen acht Palästinenser. Den Streitkräften zufolge handelte es sich
       um bewaffnete Kämpfer. Laut dem Gesundheitsministerium in Ramallah waren
       unter den Toten ein 14-Jähriger und zwei 19-Jährige.
       
       In Ostjerusalem beobachtet der palästinensische Hotelbesitzer Raed das
       Treiben auf dem Busbahnhof nahe dem Damaskustor zur Altstadt. Er fühle sich
       relativ sicher, obwohl es hier im Gegensatz zum Westteil der Stadt kaum
       Anlagen zum Schutz vor Raketenangriffe gibt. „Ich weiß nicht, wo der
       nächste Bunker ist“, sagt Raed. Im Eingang seines Hotels plätschert ein
       Springbrunnen. Auf der Online-Karte der Stadtverwaltung sind für den
       Westteil der Stadt die Schutzbunker in einer langen Liste aufgeführt.
       
       Im Osten finden sich kaum Einträge, obwohl Israel die mehrheitlich
       palästinensisch bewohnten Stadtteile bereits 1980 annektiert hat – nach
       Ansicht eines Großteils der internationalen Gemeinschaft
       völkerrechtswidrig. Die israelische Menschenrechtsorganisation Acri hatte
       im vergangenen Oktober kritisiert, dass es keine funktionierenden
       öffentlichen Schutzräume in Ostjerusalem gebe.
       
       ## Sicher im Schatten der Altstadt?
       
       Raed zieht sein Sicherheitsgefühl vor allem aus der Nähe zur Altstadt, in
       der einige der heiligsten Städten des Islam und des Judentums liegen.
       „Niemand hier denkt, dass jemand auf uns zielen wird“, sagt er. Weil es
       ohnehin keine Bunker gebe, würde die palästinensische Bevölkerung zudem
       anders reagieren als die Menschen im Westen der Stadt.
       
       „Wir haben keine Orte, um uns zu schützen, das ist nicht Teil unserer
       Realität“, sagt Raed. Viele seiner Gäste hätten nach dem 7. Oktober den
       alten Gewölbekeller als Schutzraum genutzt. Die palästinensische
       Belegschaft hingegen sei während der Luftalarme oft nach draußen gegangen,
       um zu schauen, was passiert.
       
       Den Hotelbetreiber besorgt der drohende Angriff weniger als der
       langfristige Effekt auf die palästinensische Wirtschaft und Gesellschaft.
       Nach der zweiten Intifada habe beinahe die Hälfte der Hotels im Ostteil der
       Stadt schließen müssen, sagt er, ebenso wie zahlreiche Läden in der
       Altstadt. Auch ein Großteil des kulturellen palästinensischen Lebens sei so
       verschwunden. Er fürchtet, dass eine Ausweitung des Krieges und ein
       weiteres Ausbleiben von Touristen ähnliche Auswirkungen haben wird.
       
       Hinweis: Im Teaser stand „besetztes Ostjerusalem“. Der Ostteil der Stadt
       ist aber von Israel annektiert. Wir haben das korrigiert.
       
       7 Aug 2024
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Felix Wellisch
       
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