# taz.de -- Lücke in Schleswig-Holsteins Haushalt: An den Schwächsten gespart
> Beim Sprach-Lernunterricht für Kinder ohne deutsche Muttersprache zu
> kürzen, ist beschlossene Sache. Dabei steigt der Bedarf hier
> kontinuierlich an.
IMG Bild: Würden unter Kürzungen besonders leiden: Schüler:innen an Gemeinschaftsschulen
Rendsburg taz | In Schleswig-Holsteins Haushalt [1][klafft eine Lücke von
rund 900 Millionen Euro], die unter anderem durch Einsparungen geschlossen
werden soll. Auch Schulen könnten betroffen sein. Eine mögliche
Stellschraube gibt es bei den Gemeinschaftsschulen.
Bereits beschlossen ist eine Kürzung beim Sprach-Lernunterricht für Kinder
ohne deutsche Muttersprache. Im Januar hatte [2][Ministerin Karin Prien
(CDU)] angekündigt, die Klassen im Bereich [3][Deutsch als Zweitsprache
(DaZ)] ab dem neuen Schuljahr zu vergrößern. Zwar habe die Regierung „alle
Anstrengungen unternommen, um mehr DaZ-Lehrkräfte auszubilden, die Zahl der
Stellen zu erhöhen und die Qualität zu verbessern“, sagte Prien.
So seien seit 2017 und erneut nach dem Beginn des russischen Krieges gegen
die Ukraine rund 605 neue Stellen geschaffen worden. Hinzu kämen 160
[4][ukrainische Lehrkräfte] sowie zusätzliche Stellen für Aufgaben jenseits
des reinen Sprachunterrichts. „Das hat es in dieser Form vor 2022 in
Schleswig-Holstein nie gegeben“, [5][sagte die Ministerin im Landtag].
## Gewerkschaft kritisiert Regierung
Doch es folgte ein Aber: Die Zahlen der Kinder mit DaZ-Bedarf steigt
schneller als die der Lehrkräfte – rund 35.000 waren es im September 2023.
Daher sitzen ab dem neuen Schuljahr 18 statt bisher 16 Mädchen und Jungen
ohne Deutschkenntnisse in den DaZ-Klassen. Damit bleibe Schleswig-Holstein
„im Rahmen der bundesweit üblichen Lerngruppengrößen“, sagte die
Ministerin.
Protest kommt von der Gewerkschaft GEW: „So macht die Landesregierung
Bildungschancen zunichte“, protestierte deren DaZ-Expertin Katja Coordes.
Die Klassen müssten eher kleiner werden. Das bestätigt Inger Petersen,
Professor für Deutsch als Zweitsprache an der Kieler Universität: Schon bei
16 Kindern pro Klasse seien Lehrkräfte kaum in der Lage, alle individuell
zu fördern, heißt es in einer Stellungnahme.
## Große Nachfrage nach Deutsch als Zweitsprache
Die geplante Vergrößerung der DaZ-Lernklassen, sei „eine kontraproduktive
Maßnahme, die einer erfolgreichen Schullaufbahn von neu zugewanderten
Kindern und Jugendlichen in Schleswig-Holstein aller Wahrscheinlichkeit
nach abträglich ist“.
Aktuell sieht die Bilanz der Regierung bei den DaZ-Klassen gar nicht so
schlecht aus, das ergab eine Anfrage der SPD. So gehen alle Kinder, die mit
ihren Eltern in den [6][Erstaufnahme-Unterkünften] leben, in die Schule.
Auch wenn die Familien aus den Unterkünften in reguläre Wohnungen umgezogen
sind, gibt es kaum Wartezeiten auf einen Schulplatz. Einzig in Kiel kann es
zwei Wochen dauern, bis ein Kind einer Regelschule zugewiesen wird, in
Lübeck ist es eine Woche. In den übrigen Regionen gibt es sofort einen
Platz.
Martin Habersaat, Bildungsexperte der SPD-Landtagsfraktion, ist mit den
Antworten der Landesregierung dennoch nicht zufrieden. „Die Regierung
schaut nicht richtig hin“, kritisiert er: „Offenbar will man es nicht so
genau wissen.“ Denn in den Antworten auf seine Anfrage verweist das
Ministerium mehrfach auf allgemeine Regeln und die örtlichen Schulen.
Dort aber sei die Lage komplizierter, als es auf dem Papier aussehe, sagt
Habersaat: „In einigen Gemeinden sind die DaZ-Klassen weit weg vom
Schulgelände untergebracht.“ Das Hineinwachsen in den Schulalltag, bei
Fächern wie Musik oder Sport, das ja gewollt sei, finde gar nicht statt.“
Der Anspruch der Regierung müsse doch sein, Bescheid zu wissen, findet
Habersaat: „Gerade wenn Frau Prien meint, das [7][schlechte Abschneiden des
Landes bei Pisa] und anderen Untersuchungen habe mit der heterogenen
Schüler:innenschaft zu tun, braucht es doch genaue Einsichten.“
## Eventuell weitere Streichungen
Neben der bereits beschlossenen Vergrößerung der DaZ-Lerngruppen könnte es
auch weitere Streichungen geben. Offiziell gibt es keine Zahlen. „Wir hören
Gerüchte“, sagt Habersaat. So könnten an Gemeinschaftsschulen
Doppelbesetzungen gestrichen werden, mit denen Gruppen geteilt werden oder
zwei Lehrkräfte in der Klasse unterrichten.
„Wenn das in den Gemeinschaftsschulen passiert, würde das am meisten die
Leistungsschwächsten treffen“, fürchtet Habersaat. Dazu gehören Kinder mit
geringen Sprachkenntnissen.
10 Aug 2024
## LINKS
DIR [1] https://www.landtag.ltsh.de/nachrichten/24_01_23_haushalt_2024/
DIR [2] /CDU-Vize-Karin-Prien-ueber-Parteikurs/!6006880
DIR [3] https://www.landtag.ltsh.de/infothek/wahl20/umdrucke/03100/umdruck-20-03153.pdf
DIR [4] /Ukrainische-Jugendliche-in-Deutschland/!5896827
DIR [5] https://www.schleswig-holstein.de/DE/landesregierung/ministerien-behoerden/III/Presse/PI/2024/Januar/20240121_LT_Daz
DIR [6] /Integration-ukrainischer-Gefluechteter/!5845074
DIR [7] /Schulforscher-ueber-Bildungsgerechtigkeit/!5991581
## AUTOREN
DIR Esther Geißlinger
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