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       # taz.de -- CARE-Landesdirektor über Sudan: „Kliniken werden zerstört“
       
       > Sudan werde in eine noch schlimmere Lage geraten, warnt Abdirahman Ali.
       > Der Landesdirektor der Hilfsorganisation Care fordert einen humanitären
       > Waffenstillstand.
       
   IMG Bild: Abdirahman Ali, CARE-Landesdirektor, sorgt sich um die Menschen im Sudan
       
       taz: Herr Ali, wie würden Sie die aktuelle humanitäre Lage in Sudan
       beschreiben? 
       
       Abdirahman Ali: Es ist [1][eine ernste Krise], die gewaltiges Leid
       verursacht. Viele Menschen haben keinen Zugang zu Essen, Wasser und
       Gesundheitsversorgung, sie haben ihre Heimat verloren, wurden mehrfach
       vertrieben, haben Angehörige verloren. Viele sind außer Landes geflohen.
       Unsere eigenen Mitarbeiter berichten von fürchterlichen Erlebnissen.
       
       Ich habe in den vergangenen Wochen Vertriebene im Osten Sudans gesprochen.
       Sie erzählen, wie sie ausgeplündert wurden, sie wissen nicht einmal von
       welcher Seite. Sie übernachten in öffentlichen Orten, nichts ist
       organisiert, es gibt keine Privatsphäre, das ist ein Problem vor allem für
       Alte, Frauen und Kinder.
       
       taz: Was wissen Sie über die Lage in Darfur? 
       
       Ali: Darfur ist, von wo die meisten Menschen fliehen. Ganze Städte sind
       belagert. Die Menschen fliehen in Lastwagen oder Bussen, wenn sie es sich
       leisten können, oder auf Eseln oder Kamelen. Manche auch zu Fuß, sie gehen
       sehr lange Wege und haben sehr wenig Besitz, das meiste wurde ihnen
       gestohlen. Es beginnt jetzt die Regenzeit, das macht es schwer, sich zu
       bewegen.
       
       taz: Ist humanitäre Hilfe ausreichend und möglich? 
       
       Ali: Es gibt zu wenig Finanzierung. Der internationale Hilfsappell über 2,7
       Milliarden US-Dollar ist nur zu einem Drittel finanziert, während die
       Bedürfnisse weiter steigen. Dazu kommt, dass es immer schwerer wird,
       Hilfsgüter durch das Land zu transportieren. Nach Darfur kommen Hilfsgüter
       aus Tschad, aber die Regierung hat den einzigen Grenzübergang geschlossen
       und die zur Verfügung gestellten Alternativen reichen nicht aus.
       
       Und dann gibt es innerhalb Sudans unzählige Frontlinien, die man nicht
       überqueren kann. Man kommt nicht leicht aus dem Hafen Port Sudan in andere
       Landesteile. Wir haben zu wenig Ressourcen, und was wir haben, kommt nicht
       an. Die Kriegsparteien übernehmen dafür keine Verantwortung.
       
       taz: Was für Verbrechen begehen die Kriegsparteien? 
       
       Ali: Am schlimmsten ist die wahllose Bombardierung der Zivilbevölkerung.
       Keine Kriegspartei nimmt die geringste Rücksicht auf zivile Opfer – in
       Khartum, in Gezira, in Darfur. Öffentliche Einrichtungen, Kliniken und
       Schulen werden zerstört.
       
       taz: Werden diese Verbrechen gezielt begangen oder gerät der Konflikt außer
       Kontrolle? 
       
       Ali: Ich glaube, der Konflikt gerät außer Kontrolle. Es gibt inzwischen so
       viele Player, Milizengruppen, die die Konfliktlage ausnutzen.
       
       taz: Wie können Sie in dieser Lage überhaupt arbeiten? Gibt es noch
       funktionierende Infrastruktur? 
       
       Ali: In manchen Gegenden gibt es noch funktionierende staatliche
       Einrichtungen. Wir arbeiten mit den Ministerien, die es gibt, mit den
       zuständigen staatlichen Stellen, die Genehmigungen ausstellen müssen, damit
       wir arbeiten können. Das gilt für den Osten Sudans und andere Gebiete unter
       Armeekontrolle.
       
       Es gibt Gebiete, vor allem in Darfur, wo die RSF-Miliz die Oberhand hat und
       parallele Systeme aufgebaut hat. Da verweigert dann die Regierung, dass wir
       Hilfe leisten. Wir müssen also in Sudan mit zwei Systemen und zwei
       Kriegsgegnern gleichzeitig arbeiten.
       
       taz: Es stehen Friedensgespräche in Aussicht. Könnte das die Lage
       verbessern? 
       
       Ali: Wenn wir [2][keinen humanitären Waffenstillstand] erreichen, werden
       wir in eine noch viel schlimmere Lage geraten. In den nächsten drei Monaten
       ist Regenzeit. Da müssten eigentlich die Bauern ihre Felder bestellen. Aber
       das ist in den meisten fruchtbaren Gebieten nicht mehr möglich. Die Leute
       haben Angst, auf ihre Felder zu gehen, und die liegen brach. Wenn die
       Aussaat ausfällt, gibt es keine Ernte.
       
       taz: Und wenn die Kämpfe weitergehen? 
       
       Ali: Dann kommt [3][sehr bald eine schwere Hungersnot.] Die Bevölkerung
       wird sehr stark leiden, weil der Konflikt zunimmt, weil es immer neue
       Frontlinien gibt, weil sexualisierte Gewalt zunimmt.
       
       taz: Haben Sie daran gedacht, aufzuhören? 
       
       Ali: Wir werden die Menschen in Sudan nicht im Stich lassen. Wir arbeiten
       mit allen Szenarien. Und wir haben in Sudan selbstorganisierte
       Gemeinschaftsinitiativen in Dörfern und Ortschaften, die es uns
       ermöglichen, Menschen zu erreichen. Das habe ich noch nirgendwo sonst so
       gesehen.
       
       8 Aug 2024
       
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   DIR Simone Schlindwein
       
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