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       # taz.de -- Ex-Senator zu Mieterhöhungen bei Vonovia: Geisel haut sanft auf den Tisch
       
       > SPD-Bausenator a. D. Andreas Geisel appelliert an Vonovia, die Mieten
       > nicht ganz so stark zu erhöhen. Er glaubt immer noch an
       > Selbstverpflichtungen.
       
   IMG Bild: „Konkret etwas für die Menschen bewegen“: Andreas Geisel (SPD) bei der Unterzeichnung des Wohnungsbündnisses im Juni 2022
       
       Berlin taz | Ex-Bausenator Andreas Geisel hat sich etwas Zeit gelassen.
       Dafür haut der Sozialdemokrat jetzt sanft auf den Tisch – und zwar über den
       Weg einer Pressemitteilung seines SPD-Kreisverbands Lichtenberg. Gemeinsam
       mit der Lichtenberger SPD-Abgeordneten Tamara Lüdke fordert er den
       Immobilienkonzern Vonovia hierin „nachdrücklich“ auf, [1][die von ihm
       angekündigten Mieterhöhungen um 15 Prozent zurückzunehmen].
       
       Mehr als drei Wochen nach den ersten Berichten über die drastischen
       Erhöhungen ließen Geisel und Lüdke am Donnerstag wissen: „Für uns ist
       dieser einseitige Schritt der Vonovia ein Affront gegenüber Berlin und den
       Berliner Mieterinnen und Mietern und ein klarer Wortbruch.“ Affront und
       Wortbruch vor allem deshalb, weil sich Vonovia als Teil des „Bündnisses für
       Wohnungsneubau und bezahlbares Wohnen“ eigentlich selbst verpflichtet
       hatte, [2][die Mieten in ihren Beständen innerhalb von vier Jahren um
       maximal 11 Prozent zu erhöhen].
       
       Maßgeblich aus der Taufe gehoben wurde das Bündnis 2022 von der damaligen
       SPD-Senatschefin Franziska Giffey – und ihrem seinerzeitigen Mann fürs
       Bauen, Andreas Geisel. Gemeinsam, so die Zielmarke, würden
       Vertreter:innen aus Politik, landeseigenen Wohnungsunternehmen und
       privaten Immobilienkonzernen wie eben Vonovia an einem Strang ziehen, um
       einerseits den Neubau in Schwung zu bringen und andererseits für leistbare
       Mieten zu sorgen. Zu letzterem gehörte besagte 11-Prozent-Vereinbarung.
       
       Sowohl Geisel als auch Giffey verkauften das Bündnis als großen Wurf.
       [3][Die Rede war immer wieder vom „Unterhaken“ mit den Privaten.] Dann
       würde das schon klappen mit den 20.000 Neubauwohnungen im Jahr und dem
       Mieter:innenschutz. „Mit den erzielten Vereinbarungen werden wir nun ganz
       konkret etwas für die Menschen in Berlin bewegen können“, erklärte Geisel
       bei der Unterzeichnung im Juni vor zwei Jahren.
       
       ## Bausenator außer Dienst, Wohnungsbündnis tot
       
       Der Rest ist Geschichte. [4][Weder ist der Neubau in Schwung gekommen],
       noch fühlen sich private Konzerne wie Vonovia an irgendwelche
       Selbstverpflichtungen gebunden. Geisel selbst verlor im Zuge der
       Wiederholungswahl zum Landesparlament 2023 seinen Job als Bausenator;
       seither ist er Sprecher der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus für die
       Aufarbeitung der SED-Diktatur. Und neben Tamara Lüdke eben einer von zwei
       SPD-Abgeordneten aus Lichtenberg im Landesparlament.
       
       Dementsprechend bezieht sich der am Donnerstag von Geisel und Lüdke
       veröffentlichte Appell an Vonovia, „dringend einzulenken“, auch nicht auf
       die gesamten 40.000 Haushalte, die berlinweit von den drastischen
       Mieterhöhungen betroffen sind, sondern nur auf Wohnungsbestände in
       Lichtenberg. Konkret: auf jenen Teil der rund 4.500 Wohnungen, [5][die die
       landeseigene Howoge im Frühjahr im Auftrag des Landes von der Vonovia
       angekauft hat] und die in seinem Bezirk zu finden sind.
       
       Zum Jahreswechsel soll der tatsächliche Wechsel der Wohnungen in den
       Bestand der Howoge vollzogen sein. Da Vonovia nun aber das bundesrechtlich
       mögliche Maximum von 15 Prozent Mietererhöhung ausgeschöpft habe, wären für
       die Howoge im Rahmen der Vereinbarungen des Wohnungsbündnisses im Anschluss
       „nur deutlich geringere Erhöhungen möglich“, so die Klage von Geisel und
       Lüdke. Daher sollte Vonovia die Mieterhöhung „mindestens“ auf das im
       Bündnis „vereinbarte“ 11-Prozent-Niveau absenken.
       
       Dass die Howoge wohl ab kommendem Jahr erst mal selbst von den zuvor
       erhöhten Mieten profitieren wird, bleibt freilich unerwähnt. Erstaunlich
       ist letztlich aber vor allem der große Glaube, mit dem sich die beiden
       SPD-Abgeordneten auf ein Wohnungsbündnis berufen, das von den Privaten wie
       Vonovia ohnehin längst aufgekündigt wurde.
       
       Wenig überraschend plädiert die Linke, die den kumpeligen
       Unterhak-Optimismus der SPD auch vor zwei Jahren in der damaligen
       rot-grün-roten Koalition nicht teilen wollte, dann auch für einen Weg
       jenseits der Appelle: „Natürlich muss Vonovia vergesellschaftet werden, das
       zeigt deren Geschäftspolitik immer wieder“, sagt Niklas Schenker, Sprecher
       für Mieten und Wohnen der Linksfraktion, zur taz.
       
       ## Keine Eile beim Vergesellschaftungsrahmengesetz
       
       Mit Blick auf die Mieterhöhungen bei Vonovia hatte auch SPD-Fraktionschef
       Raed Saleh vor wenigen Tagen die Vergesellschaftungs-Karte gezogen – und
       das ebenfalls auf sozialdemokratische Art. In dem Fall war es [6][die
       Forderung nach mehr Tempo bei der vom schwarz-roten Senat versprochenen
       Erarbeitung eines Vergesellschaftungsrahmengesetzes].
       
       „Das Grundgesetz garantiert den Schutz von Eigentum. Das ist für mich ein
       sehr hoher Wert“, erklärte Saleh. Aber Eigentum verpflichte auch. „Das
       heißt, man muss seiner Verantwortung nachkommen. Passiert das nicht, hat
       der Staat in der sozialen Marktwirtschaft die Pflicht, regulierend
       einzugreifen“, so Saleh mit Blick auf die „Gewinnmaximierung ohne Ende“ bei
       Vonovia.
       
       Ein Eingreif-„Instrument“ ist dabei aus Salehs Sicht das versprochene
       Rahmengesetz, das zwar nur Kriterien, Indikatoren und Grundsätze für eine
       mögliche Vergesellschaftung definieren soll. Aber die sozialdemokratische
       Revolution beginnt im Kleinen. Weshalb Saleh vom Senat dann jetzt erst mal
       nur „eine Zeitschiene“ für das Rahmengesetz sehen will.
       
       Schon im Frühjahr hatte unterdessen der Regierende Bürgermeister Kai Wegner
       (CDU) nicht nur ausgeschlossen, dass während seiner Amtszeit irgendeine
       Wohnung vergesellschaftet wird. Er hatte auch klargemacht, dass er es mit
       dem Rahmengesetz nicht eilig hat. Vielmehr werde zuvor ein externes
       Rechtsgutachten erstellt, „das verfassungsrechtliche Fragen eines
       Rahmengesetzes beantworten und grundlegende Überlegungen zur weiteren
       Umsetzung umfassen soll“.
       
       Aber auch bei dem Gutachten gilt offenkundig der Grundsatz „Eile mit
       Weile“. Wie eine Sprecherin der federführenden Senatsfinanzverwaltung auf
       taz-Nachfrage mitteilt, stehe für die Beauftragung eines Gutachtens nach
       wie vor „die Rückmeldung von fachlich zuständigen Senatsverwaltungen zu
       inhaltlichen Abstimmungen aus“.
       
       9 Aug 2024
       
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       ## AUTOREN
       
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