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       # taz.de -- Prozess dem rechten Kampfsport: Linke töten wollen aus Notwehr
       
       > Die extrem rechte Kampfsportgruppe Knockout 51 hat in Eisenach Angsträume
       > geschaffen. Trotz Urteilen gegen die führenden Köpfe bestehen sie weiter.
       
   IMG Bild: Neonazigruppen eignen sich Raum an. Parallel breiten sich die Subkultur und queeres Leben in Eisenach zunehmend aus
       
       Eisenach taz | Springerstiefel, Glatzen und „Zecken klatschen“: Was
       ostdeutsche Teens in den 90ern erfahren haben, steht mittlerweile als
       „Baseballschlägerjahre“ in der Liste der Wendetraumata. Aber das sollte
       nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Übergänge von damals zur Gegenwart
       fließend sind, zum Beispiel in Eisenach.
       
       In der Thüringer Kreisstadt sorgte in den vergangenen Jahren die
       Kampfsportgruppe Knockout 51 für viel Aufsehen. 2015 ging es los, damals
       noch als „Nationale Jugend Eisenach Wartburgkreis“ organisiert, verursachte
       sie Sachbeschädigungen und leichte Körperverletzungen. Erst im März 2019
       folgte die Neuaufstellung als Knockout 51. Gemeinsam trainierten die rund
       20 Mitglieder Kampfsport und patrouillierten durch die Eisenacher
       Weststadt. Als Anführer trat schon da der Szenebarbetreiber Leon Ringl auf.
       Ihr erklärtes Ziel war ein „Nazi-Kiez“ und dafür griffen sie die an, die
       nicht dazu passten: „Assis“, „Ausländer“ und „Zecken“. Es kam zu schweren
       Körperverletzungen.
       
       Das hat auch Chris erlebt. Was ihm passiert ist, wann und wo genau, das
       möchte er zur Sicherheit nicht öffentlich sagen, genauso wenig wie seinen
       echten Namen. Im Gespräch mit der taz erzählte Chris, er meide die
       Eisenacher Weststadt, wenn es denn ginge. Auch andere bestätigen das Bild:
       Die Gruppe um Leon Ringl machte aus ganzen Straßenzügen Angsträume.
       
       Hinweise darauf, wie passieren kann, dass sich junge Männer mit
       faschistischer Gewalt als Lebensmittelpunkt als Ordnungsmacht fühlen
       können, gibt eine 2021 veröffentlichte Studie des Instituts für Demokratie
       und Zivilgesellschaft. Sie zeigt, wie seit den frühen 90ern die NPD und
       Neonazi-Gruppen eine international vernetzte rechtsextreme Szene im Bezirk
       Wartburgstadt in Eisenach aufgebaut haben. Mit einer Mischung aus
       Straßengewalt, rassistischer und sozialdarwinistischer Stadtteilarbeit, der
       Etablierung im Stadtrat und dem Kauf von Immobilien eigneten sie sich Raum
       an – etwa das Flieder Volkshaus, die Zentrale der NPD-Nachfolgepartei
       „Heimat“. Dabei unterstützte sie die rechtsextreme Szene aus dem Westen mit
       Ressourcen, vor allem Geld.
       
       ## Eisenacher Subkultur gibt es übrigens auch!
       
       Doch das ist in Eisenach kaum Stadtgespräch. „Das ist aber ein altbekanntes
       Phänomen: wenn ein Thema über lange Zeit in der Presse aufgebauscht wird,
       führt das zu einer Lethargie bei den Leuten, die es tatsächlich betrifft“,
       interpretiert Chris die schweigsame Zivilgesellschaft trotz intensiver
       Berichterstattung. An reißerischen Funk-Dokus exemplarisch zu sehen:
       Berichterstattung, die über Eisenachs rechte Strukturen aufklären möchte,
       versteift sich oft genug darauf, die Wartburgstadt als isolierbaren rechten
       Hotspot darzustellen. Das läuft Gefahr, die Vernetzungen der Szene zu
       verkennen, so im Fall von KO51 die Partnerschaft mit der Dortmunder
       Nordstadt, Schießtrainings in Tschechien oder Verbindungen in die
       US-amerikanische Sektion der Atomwaffen Division sind. Und bietet zum
       anderen die gern genutzte Gelegenheit, die extreme Rechte als ein lokales
       ostdeutsches Phänomen zu betrachten.
       
       Was hingegen kaum in bundesweiten Medien auftaucht: Eisenacher Subkultur
       und queeres Leben. Dabei hat die sich in den vergangenen drei Jahren
       zunehmend ausgebreitet. Das berichtete etwa Fred, der 2023 den ersten
       Christopher Street Day (CSD) der Stadt mit organisiert hat. Auch er möchte
       aus Sicherheitsgründen nicht, dass sein Name öffentlich wird. Beim CSD im
       September 2023 zogen mehr als 500 Menschen durch die Stadt.
       
       Chris weiter zur medialen Wahrnehmung: „Wenn man sich in den Dörfern und
       Städten bei Eisenach umschaut, wird man ähnliche Neonazihaufen vorfinden,
       unsere sind bloß lauter.“ Und doch gefährlicher.
       
       2022 hatte Ringl eine Schusswaffe mit einem 3D-Drucker herstellt, kurz
       darauf nahm die Polizei ihn und drei weitere Köpfe der Gruppe fest. Nach
       über 50 Prozesstagen urteilte das Oberlandesgericht Jena nun im Juli 2024,
       Knockout 51 sei eine kriminelle, aber keine terroristische Vereinigung
       gewesen. Sie bekamen Haftstrafen von etwa zwei oder drei Jahren, deutlich
       weniger, als von der Staatsanwaltschaft gefordert. Die besorgten Waffen
       hätten der Abschreckung gedient und wenn es in der Gruppe darum ging, Linke
       zu töten, sei das nur angedachte Notwehr gewesen. Die vier Verurteilten,
       zentrale Köpfe, kehren nun vorübergehend in die Wartburgstadt zurück. Das
       Urteil des OLG Jena kommentierte die Antifaschistische Linke Eisenach
       (Alesa) drastisch: „Blut an euren Händen.“
       
       ## Maja T. aus Jena nach Ungarn ausgeliefert
       
       Die ganze Härte des Rechtsstaats bzw. eine staatliche Härte, die es mit dem
       Recht nicht immer so genau nimmt, bekommen derweil andere
       Thüringer:innen zu spüren. Maja T., aus Jena, antifaschistisch und
       nicht-binär, werden im Zusammenhang mit einem rechtsextremen Aufmarsch in
       Budapest im Februar 2023 Übergriffe auf Neonazis vorgeworfen. Nach einer
       monatelangen Großfahndung festgesetzt, wurde T. schließlich in einer
       „Nacht- und Nebelaktion“ (so Maja T.s Anwalt Sven Richwin) nach Ungarn
       ausgeliefert. Obwohl noch ein Eilantrag gegen die Auslieferung beim
       Bundesverfassungsgericht anhängig war, übergaben die deutschen Behörden die
       Person an die österreichische Polizei. Anderthalb Stunden nach der Übergabe
       entschied das BVerfG, dass Maja T. zurückgeholt werden sollte. Da war es
       schon zu spät. [1][In der tagesschau] wurde der Vorgang als „beunruhigend“
       kommentiert. Zur Zeit sitzt Maja T. [2][unter wohl menschenunwürdigen
       Bedingungen in Untersuchungshaft in Budapest.]
       
       So wurden im Sommer vor einem drohenden Rechtsruck bei den Landtagswahlen
       im Freistaat Präzedenzen geschaffen: Wenn Neonazis Waffen horten und an
       ihnen trainieren, kann das laut Gerichtsurteil Notwehr sein. Und
       nicht-binäre Antifas sind nicht vor der Auslieferung an eine
       queerfeindliche ungarische Justiz sicher, in der [3][laut einem Bericht der
       EU-Kommission] von 2020 grundsätzliche Standards der Unabhängigkeit
       gefährdet sind.
       
       Keine rosigen Aussichten für ein antifaschistisches Engagement in
       Thüringen, was nach dem 1. September aller Voraussicht nach einem rechteren
       Landtag gegenübersteht und einer starken AfD, die schon an einem Umbau des
       Justizapparates feilt.
       
       Mowa (24) und Gustav (22) studieren in Jena, Mowa Soziologie und
       Geschichte, er Soziologie und Politikwissenschaften. Für die
       Hochschulzeitung „Akrützel“ war Gustav beim Prozess gegen die
       Knockout-51-Bande. 
       
       ILLUSTRATION: Veronika (21), aufgewachsen in Sonneberg, studiert
       Philosophie in Jena und illustriert für die dortige Hochschulzeitung
       Akrützel. Sonst malt und zeichnet sie und gehört zum Kunstkollektiv
       Nullachtsechzehn Jena, mit dem sie dieses Jahr zwei Ausstellungen
       organisiert hat.
       
       25 Aug 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.tagesschau.de/kommentar/auslieferung-ungarn-100.html
   DIR [2] /Inhaftierte-Antifa-Person/!6028519
   DIR [3] https://www.amnesty.org/en/documents/EUR27/3623/2021/en/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Gustav Suliak
   DIR Mowa Techen
       
       ## TAGS
       
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