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       # taz.de -- CSD in Bautzen: Queer Pride statt White Pride
       
       > In Ostsachsen haben Rechtsextreme versucht, den Christopher-Street-Day zu
       > stören. Doch die rund 1000 Teilnehmenden ließen sich nicht beirren.
       
   IMG Bild: Lassen sich die Straße nicht nehmen: Demonstrant*innen bei der CSD-Parade in Bautzen
       
       Bautzen taz | Mehr als 1000 Menschen haben am Samstag in Bautzen massiven
       rechtsextremen Protesten getrotzt und sind für eine
       Christopher-Street-Day-Demonstration auf die Straßen gezogen. Sie hätten
       für „Selbstbestimmung, Toleranz, Freiheit und Vielfältigkeit“ demonstriert,
       sagte Jonas Löschau, Mitorganisator des CSD. Der Bautzner Grünen-Stadtrat
       wandte sich beim Auftakt vor der Maria-Martha Kirche an die anwesenden
       Bautzner*innen und Queers aus der Region, die den Mut aufbrachten, beim
       CSD mitzulaufen und sich mit Stolz „so zu zeigen, wie sie sind“. Bei den
       hunderten solidarischen Demonstrierenden aus anderen Städten und Regionen
       bedankte sich Löschau – Masse schaffe Sicherheit.
       
       Denn im Vorfeld zu Samstag hatten rechtsextreme Gruppen aus dem gesamten
       Bundesgebiet nach Bautzen mobilisiert. Aus Sicherheitsgründen wurden
       deshalb sowohl die Route des CSD als auch der Ort der Abschlusskundgebung
       lange Zeit nicht öffentlich bekannt gegeben. Eine geplante After-Show-Party
       wurde von den Veranstalter*innen abgesagt. Nach Angaben einer
       Polizeisprecherin nahmen 680 Rechtsextreme an einer angemeldeten
       Gegendemonstration gegen den CSD teil.
       
       Häufig in Sicht- und Hörweite liefen die Rechtsextremen hinter der
       CSD-Parade her. 200 Einsatzkräfte aus der Polizeidirektion Görlitz und
       Bereitschaftspolizei, teilweise mit Diensthunden, trennten die
       Teilnehmer*innen der beiden Veranstaltungen voneinander. Weitere 40
       Rechtsextreme folgten dem Aufruf zu einer Kundgebung der Freien Sachsen am
       Bautzner Kornmarkt. Zur Zahl der Beamt*innen der Bundespolizei vor Ort
       wollten die Behörden zunächst keine Angaben machen.
       
       Die rechte Präsenz hielt die Teilnehmer*innen des CSDs nicht davon ab,
       zur Musik aus den beiden Lautsprecherwägen zu tanzen und bei mehreren
       Zwischenkundgebungen an zentralen Plätzen der Innenstadt ihre Forderungen
       nach einem sicheren und selbstbestimmten Leben zu stellen sowie Visionen
       für eine queere Zukunft in Bautzen zu spinnen. In einem Grußwort des
       Oberbürgermeisters Karsten Vogt von der CDU gestand auch dieser ein, dass
       es seit dem letzten CSD eine Zunahme an Intoleranz in Bautzen gebe. Als
       Beispiel nannte er den jüngsten Angriff auf den Jugendclub Kurti in der
       Stadt am 13. Juli.
       
       ## Demonstrant*innen kritisieren die Behörden
       
       Ohne vorherige Absprache wurde zum Samstag eine Regenbogenfahne am Rathaus
       gehisst. Ein starkes Zeichen der Stadtverwaltung, sagte Mitorganisator
       Löschau. In mehreren Redebeiträgen ging es um die rechte Jugendkultur und
       die Realitäten derer, die nicht ins rechte Weltbild passten. Ein Resümmee
       der Redner*innen: „Antifa bleibt Landarbeit.“
       
       Gleichzeitig machten Sprecher*innen aus Görlitz, vom Queernetz Bautzen
       oder von der Queer Pride Dresden den Widerstand von Queers und
       Antifaschist*innen in der Region sichtbar. Als Erfolg bewerteten die
       Dresdner*innen die gemeinsame Anreise von 200 Demonstrant*innen aus
       Dresden, Leipzig und Berlin nach Bautzen. Weil Linke sich frühzeitig am
       Gleis im Dresdner Hauptbahnhof versammelten, konnte die Zug-Anreise von
       ebenfalls circa 200 Rechten verzögert werden. [1][Darunter befanden sich
       viele junge Rechtsextreme der Gruppierung Elblandrevolte.]
       
       Weitere gemeinsame Anreisen gab es aus Chemnitz und Görlitz. Das Handeln
       der Behörden sieht die Queer Pride Dresden kritisch: „Eine gewaltaffine
       Demo in kurzem Abstand hinter dem CSD entlang laufen zu lassen ist
       fahrlässig. Angesichts des eher knappen Polizeiaufgebots ist es Glück oder
       nur dem selbstbewussten queeren Auftreten zu verdanken, dass es keinen
       Angriff gab“, schreiben sie auf der Plattform Bluesky.
       
       2023 waren zum ersten Mal 350 Demonstrierende für die Menschenrechte von
       Queers durch die Stadt gezogen. Bautzen [2][ist einer von vielen Orten im
       ländlichen Raum Ostdeutschlands], in denen in den vergangenen Jahren
       Demonstrationen zum Christopher Street Day abgehalten wurden: Von Wurzen
       über Stollberg, Riesa, Radebeul, Zwickau oder Görlitz/Zgorzelec. Insgesamt
       21 CSDs und Prides sind 2024 zwischen Mai und September in Sachsen
       angemeldet. Bereits beim letzten CSD in Bautzen kam es zu diversen Stör-
       und Einschüchterungsversuchen aus der rechtsextremen Szene – etwa durch die
       rechte Gruppe „Balaclava Graphics“ und den „Jugendblock Bautzen“.
       
       Im Gespräch mit der taz vor diesem CSD sagte Mitorganisator Löschau, dass
       sich die rechten Strukturen vor Ort nochmal deutlich radikalisiert und an
       Selbstbewusstsein in ihrem Auftreten im Stadtbild gewonnen hätten. [3][Er
       führt das auch auf die Wahlerfolge der AfD und der Freien Sachsen bei den
       Kommunalwahlen zurück.] Rechte fühlten sich in ihren Meinungen und
       Strukturen bestätigt.
       
       Die Abschlusskundgebung am Bautzner Postplatz beendete Jonas Löschau mit
       einem lauten „Wir sind hier. Wir sind queer.“ Mit diesem Slogan und
       Popmusik zog der CSD zum Bahnhof, wo es aufgrund der großen Zahl der
       Demonstrierenden erneut zu Verzögerungen bei der Abreise kam. Die Polizei
       trennte dabei wieder die Teilnehmer*innen des CSDs und der rechten
       Gegendemonstration. Um 20 Uhr nahm laut Polizei die letzte Gruppe aus der
       rechtsextremen Gegendemonstration den Zug aus Bautzen Richtung Dresden.
       
       11 Aug 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Rechtsextreme-Attacke-auf-SPD-Politiker/!6009432
   DIR [2] /Queere-Stimme-in-der-saechsischen-Provinz/!6015130
   DIR [3] /Freie-Sachsen-bei-Kommunalwahl-Sachsen/!6016578
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Juri Wasenmüller
       
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