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       # taz.de -- Bürgergeld und Wohnkosten: Jeder achte Haushalt zahlt drauf
       
       > Bei 320.000 Haushalten mit Anspruch auf Bürgergeld bezahlen Jobcenter die
       > Unterkunft nicht in voller Höhe.
       
   IMG Bild: Vom Geld für Essen und Kleidung müssen viele Bürgergeld-Empfänger:innen auch noch Mietkosten mitübernehmen
       
       Berlin taz | Fast 320.000 Haushalte mit Bürgergeld-Berechtigten müssen
       einen Teil der Miete und Heizung aus dem Regelsatz für die
       Lebenshaltungskosten bezahlen, weil die Miete dem Jobcenter nicht mehr als
       „angemessen“ gilt. Dies geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine
       Kleine Anfrage der Gruppe Die Linke im Bundestag hervor, die der taz
       vorliegt. Im Schnitt mussten die betroffenen Haushalte im vergangenen Jahr
       jeden Monat 103 Euro aus dem Regelsatz für die Wohnkosten abzwacken. Sie
       machen 12,2 Prozent der Haushalte mit Anspruch auf Bürgergeld aus.
       
       Besonders groß war die [1][Wohnkostenlücke] in den Metropolen. In Berlin
       zahlten die betroffenen Haushalte im Schnitt fast 160 Euro dazu. „Wer im
       Bürgergeld überhaupt noch eine Wohnung in Innenstädten bekommt, zahlt drauf
       und spart sie sich vom Munde ab“, sagte die Linken-Abgeordnete Caren Lay
       der Deutschen Presse-Agentur.
       
       Im Bürgergeld zahlt das Jobcenter normalerweise Miete und Heizung, solange
       die Wohnung als „angemessen“ gilt und die Heizkosten bestimmte Werte nicht
       überschreiten. Die [2][Angemessenheitsgrenzen] wurden in den Kommunen zwar
       immer wieder angepasst, werden aber durch die steigenden Mieten immer
       wieder überschritten. Das Jobcenter fordert die Menschen dann auf, in eine
       günstigere Wohnung umzuziehen. Diese gibt es aber meist nicht, die Leute
       müssen in ihren Wohnungen bleiben. Der übersteigende Betrag muss daher
       sozusagen „aus der eigenen Tasche“ als vom Geld für den Lebensunterhalt
       gedeckt werden und mindert die ohnehin geringe Summe, die für die
       alltäglichen Lebenshaltungskosten gedacht sind.
       
       Diese Wohnkostenlücke bleibt, obwohl mit Beginn des [3][Bürgergeldes] und
       auch schon zu Corona-Zeiten eine gesetzliche „Karenzzeit“ bei den
       Wohnkosten für neue Antragssteller:innen eingeführt wurde. In der
       „Karenzzeit“ im ersten Jahr des Bürgergeldbezuges übernimmt das Jobcenter
       die Wohnkosten in der realen Höhe, ungeachtet der Angemessenheitsgrenzen.
       
       ## Langzeitbezieher:innen betroffen
       
       Langzeit-Bezieher, darunter viele Alleinerziehende, pflegende Angehörige
       und Aufstocker würden aber „allein gelassen“, sagte die Linke-Abgeordnete
       Heidi Reichinnek. „Sie müssen den Fehlbetrag weiterhin aus dem Regelsatz
       ausgleichen, der eigentlich für Essen und Kleidung gedacht ist“.
       
       Die Linke und auch die Sozialverbände fordern, die Kostengrenzen so weit zu
       erhöhen, dass davon eine Wohnung gemietet und geheizt werden kann.
       
       Die [4][Union] hingegen will die Karenzzeit in ihren Reformvorschlägen zum
       Bürgergeld abschaffen, sodass die Angemessenheitsgrenzen dann schon zu
       Beginn des Leistungsbezuges gelten würden.
       
       Zahlen aus den früheren Jahren zeigen damals eine prozentual höhere
       Wohnkostenlücke. Im Jahr 2022 bekamen rund 13 Prozent der Haushalte im
       Hartz-IV-Bezug nicht die vollen Wohnkosten erstattet, ergibt sich aus der
       Antwort der Bundesregierung. Im Jahre 2021 waren es rund 15 Prozent der
       Haushalte.
       
       ## Höhere Zuzahlungen
       
       Die sogenannte Wohnkostenlücke habe im Jahre 2021 durchschnittlich bei 91
       Euro im Monat gelegen, hieß es in früheren Antworten der Bundesregierung
       zur gleichen Anfrage. Die Höhe der Zuzahlungen ist also über die Jahre
       gestiegen.
       
       Der [5][Immobilienmarkt] reagiert allerdings auch auf eine Erhöhung der
       Angemessenheitsgrenzen bei den Jobcentern. In den Kommunen gibt es die
       Erfahrung, dass bei einer Erhöhung der Angemessenheitsgrenzen auch günstige
       Mieten im Bestand steigen. Die Vermieter wissen dann ja, dass diese
       Wohnkosten von den Sozialbehörden übernommen werden.
       
       11 Aug 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Buergergeld-im-Bundestag-beschlossen/!5894957
   DIR [2] /Urteil-zu-Hartz-IV-und-Wohnungskosten/!5459582
   DIR [3] /Neue-Gesetze-im-neuen-Jahr/!5905522
   DIR [4] https://www.cdu.de/artikel/wohlstand-ohne-leistung-ist-eine-illusion
   DIR [5] /Mangel-an-Sozialwohnungen/!5983028
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Barbara Dribbusch
       
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