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       # taz.de -- Nahost-Konflikt in Berlin: Skulpturengruppe geschändet
       
       > Unbekannte haben das Denkmal „Frauenprotest 1943“ mit antisemitischen
       > Parolen beschmiert. Es erinnert an die größte zivile Protestaktion zur
       > NS-Zeit.
       
   IMG Bild: Die Skulpturengruppe „Protestaktion 1934“ nahe dem Alexanderplatz haben Unbekannte beschmiert
       
       BERLIN taz | Auch einen Tag nachdem eine Passantin die Schmierereien
       entdeckt hat, sind die Schriftzüge noch deutlich lesbar. „Jews are
       committing genocide“ („Juden begehen Völkermord“), haben Unbekannte in
       schwarzen Großbuchstaben auf Englisch quer über die Skulpturengruppe in der
       Rosenstraße nahe dem Alexanderplatz in Mitte gesprayt. Auf dem Boden
       zwischen den Skulpturen prangt eine ebenfalls gesprayte
       schwarz-weiß-grün-rote Palästina-Flagge und der Slogan „Free Palestine“.
       Laut Polizei ermittelt der Staatsschutz. Nach jetzigem Stand seien bisher
       keine Beweismittel und keine Bekennerschreiben aufgetaucht, sagt ein
       Sprecher auf Nachfrage.
       
       Das Denkmal „Frauenprotest 1943“ erinnert seit 1995 daran, dass hier Ende
       Februar und Anfang März 1943 [1][Hunderte Frauen über mehrere Tage für die
       Freilassung ihrer inhaftierten jüdischen Ehemänner protestiert haben]. Die
       Gestapo hatte sie in einer erneuten Deportationswelle verhaftet. Die 2.000
       Männer aus sogenannten „Mischehen“ brachte die Gestapo in das Gebäude der
       ehemaligen Behörde für Wohlfahrtswesen und Jugendfürsorge der Jüdischen
       Gemeinde in der Rosenstraße.
       
       Die Frauen demonstrierten rund dort eine Woche lang täglich für ihre
       Freilassung, über die Anzahl der Protestierenden gibt es unterschiedliche
       Angaben. Das Denkmal von Ingeborg Hunzinger greift diese Szenerie auf und
       [2][stellt etwa gefangene jüdische Menschen einer Gruppe von Frauen
       gegenüber]. Anfang März 1943 wurden die ersten Gefangenen dort entlassen,
       nach und nach kamen sie frei, die rund 7.000 Festgenommenen ohne „arische“
       Ehepartner*innen wurden nach Auschwitz deportiert und dort ermordet.
       Der Protest gilt als die größte spontane Protestdemonstration während der
       Zeit des Nationalsozialismus.
       
       ## Jüdisches Leben „auf Sand gebaut“
       
       „Antiisraelischer Mob, Islamisten und Nazis aller Couleur vergreifen sich
       an dem Mahnmal“, schreibt die Israelitische Synagogen-Gemeinde Adass
       Jisroel in Reaktion auf die Schmierereien. „Auch diese außergewöhnliche
       Ausnahme, dieser mutige Widerstand in einem Meer von Täter- und
       Komplizenschaft deutscher Volksgemeinschaft wurde jetzt geschändet.“ Für
       Juden in Berlin scheine es „heute keine Ruhe, keine Sympathie, keine
       Sicherheit mehr“ zu geben.
       
       Nicht zufällig habe Deutschland nach 1945 die überlebenden Juden niemals
       darum gebeten zurückzukehren, schreiben sie weiter. Weder Staat noch
       Gesellschaft seien wirklich an einer Umkehr interessiert gewesen. Das „viel
       besungene ‚aufblühende jüdische Leben in Berlin‘“ sei auf Sand gebaut. „Das
       überlieferte antijüdische Ressentiment schimmert als stabiles,
       gesamtgesellschaftliches, überparteiliches Kit durch“, heißt es von Adass
       Jisroel. Es sei nicht vorbei, und der Aufstand der Anständigen bleibe aus.
       
       Das Haus der Wannsee-Konferenz schrieb [3][auf der Plattform X:] „Die
       antisemitischen Schmierereien in der #Rosenstraße sind widerlich. Unsere
       Solidarität gilt allen, deren Familiengeschichten mit der Rosenstraße
       verbunden sind, in Berlin, in Israel, in aller Welt.“
       
       Die Rosenstraße ist eine der ältesten Straßen Berlins und eng mit dessen
       jüdischer Geschichte verbunden. An der Rosenstraße Ecke Heidereutergasse
       stand ab 1714 die älteste Synagoge Berlins. Im zweiten Weltkrieg wurde sie
       zerstört – nachdem sie in der Progromnacht 1938 noch verschont geblieben
       war (vermutlich wegen ihrer geschützten Lage im Innenhof zwischen mehreren
       Häusern). Neben der Synagoge hatte die jüdische Gemeinde 1905 ein
       Verwaltungszentrum eingerichtet.
       
       29 Aug 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Gedenken-an-Fabrikaktion-in-Berlin/!5995202
   DIR [2] https://www.visitberlin.de/de/1943-die-frauen-der-rosenstrasse
   DIR [3] https://x.com/hausderwannsee1/status/1828901965465575557
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Uta Schleiermacher
       
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