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       # taz.de -- Stauseen und Brunnen fehlen: Ein Drittel Siziliens bald Wüste
       
       > Extreme Dürre, aber auch marode Wasserleitungen und falsche Prioritäten
       > bei der Infrastruktur machen der Mittelmeerinsel zu schaffen.
       
   IMG Bild: Der Fanaco-See versorgt den gesamten Süden Siziliens – jetzt ist der Wasserstand extrem niedrig
       
       Palermo dpa | Auf Sizilien ist man Trockenheit in den heißen Sommermonaten
       gewohnt, dieses Jahr ist sie aber so katastrophal wie lange nicht mehr.
       [1][Ausgetrocknete Seen und von der sengenden Hitze verdorrte Felder prägen
       das Bild auf der italienischen Mittelmeerinsel]. Einige Landschaften sind
       diesen Sommer kaum wiederzuerkennen: Seen, die einst türkis schimmerten,
       sind inzwischen verschlammt oder trocken gefallen.
       
       Landwirte beklagen dezimierte Ernten und Bauern stehen wegen des
       Wassermangels vor der schwierigen Entscheidung, ob und wie viele ihrer
       Tiere sie schlachten müssen, bevor diese weiter abmagern. Für die Einwohner
       vieler Gegenden Siziliens – besonders betroffen ist die südliche Provinz
       Agrigent – ist das Leitungswasser streng rationiert. In langen Schlangen
       stehen sie mit Wasserkanistern an, um an öffentlichen Brunnen Wasser zu
       holen.
       
       In dem [2][Urlaubsparadies herrscht Dürre-Notstand:] Siziliens Regierung
       hat bereits früh den Katastrophenfall ausgerufen. Indes ruft die
       italienische Umweltbehörde Ispra die höchste Warnstufe für die
       Mittelmeerinsel aus. Ausgelöst wird der extreme Wassermangel [3][von der
       aktuell großen Hitze] sowie ausbleibendem Regen. Das [4][Auswärtige Amt hat
       seine Reisehinweise aktualisiert, um Urlauber auf die Risiken der Dürre]
       aufmerksam zu machen.
       
       Die Sizilianer haben sich in den vergangenen Jahren mit langen
       Dürreperioden ohne Regen arrangiert: In unterirdisch gelegenen oder auf
       Dächern angebrachten Zisternen, also Wasserbehältern, speichern sie Wasser
       und in großen Tankwagen wird Wasser in abgelegene Orte geliefert. Doch all
       die Bemühungen halfen diesen Sommer nicht mehr. Vom Festland rücken
       Marine-Tankschiffe an, um die Einwohner mit Wasser zu versorgen.
       
       ## Auch menschliche Ursachen
       
       Dieses Jahr fiel nach Angaben des Zivilschutzes so wenig Regen wie schon
       sehr lange nicht mehr. Und die Prognosen für die kommenden Jahre lassen
       aufgrund der zunehmenden Erderhitzung, die Extremwetter wahrscheinlicher
       macht, nichts Gutes erahnen: Einem Bericht des Umweltingenieurs Leonardo
       Noto von der Universität Palermo zufolge wird es in Zukunft immer seltener,
       aber dafür umso stärker regnen, während leichter und konstanter Regen, der
       tief in den Grundwasserspiegel eindringt und den Boden sättigt, nachlassen
       wird.
       
       Laut Experten ist der Wassermangel auf Sizilien zum Teil auch hausgemacht:
       [5][Viele Wasserleitungen auf der Insel sind marode], wodurch viel Wasser
       verloren geht. Außerdem fehlten seit Jahren Strategien, um das Problem in
       den Griff zu bekommen. Experten beklagen politische Untätigkeit und
       schlechtes Wassermanagement, zusammen mit dem wenigen Regen in den
       Wintermonaten und der Hitze zeigt dies nun seine bitteren Folgen.
       
       ## Landwirtschaft vs. Tourismus
       
       Von Jahr zu Jahr übertreffe sich die Politik zwar mit Ankündigungen,
       beklagen Landwirte und Bewohner. Ihnen zufolge passiert am Ende jedoch kaum
       etwas. „Ich frage mich, was die Politik macht“, empört sich Giovanni
       Bonanno, der bei Agrigent Kaktusfeigen anbaut. In Rom und Palermo werden
       Millionen Euro freigemacht. „Das ist nicht das, was wir brauchen. Wir
       brauchen bessere Stauseen und Brunnen“, sagt Bonanno. „Der echte Bauer
       liebt sein Land, er steht jeden Morgen auf und schuftet. Wir wollen in der
       Lage sein, zu arbeiten.“
       
       Der Unmut der Sizilianer wird dadurch verstärkt, dass auf der einen Seite
       die Stauseen austrocknen und auf der anderen Seite in vielen touristischen
       Gegenden die Pools prall gefüllt sind. Der Fanaco-See, der mehrere
       Gemeinden mit Wasser versorgt hatte, geht zur Neige, der Pergusa-See,
       Siziliens größter natürlicher See, ist auch fast ausgetrocknet.
       
       Tatsächlich setzen die sizilianischen Behörden viel daran, Urlauber nichts
       von dem Wassermangel und der Trockenheit merken zu lassen. Im besonders
       betroffenen Süden Siziliens gehört vor allem das sogenannte Tal der Tempel
       bei Agrigent zu den beliebtesten Attraktionen für Touristen. Die lokalen
       Behörden versuchen Urlauber zu beruhigen, dass sie keine Auswirkungen der
       Dürre zu befürchten haben. Die Wasserversorgung werde priorisiert.
       Allerdings geht italienischen Medienberichten zufolge auch ersten Hotels
       das Wasser aus.
       
       ## Bis 2030 ein Drittel Wüste
       
       Auswirkungen auf den Tourismus sind in der aktuellen Situation laut dem
       Hotellerieverband Federalberghi nicht zu spüren. Der Unternehmerverband
       Confcommercio schlägt jedoch Alarm und warnt vor der Bedrohung des
       Wassermangels für den Tourismus. Der Verband appellierte, die Folgen für
       eine wichtige Einnahmequelle Siziliens nicht zu unterschätzen.
       
       Werden die Behörden für die nächsten Jahre Schlüsse aus diesem extremen
       Sommer ziehen? Prognosen von Forschern verheißen nichts Gutes. Manche
       Experten sagen gar voraus, dass sich ein Drittel Siziliens bis 2030 in eine
       Wüstenlandschaft verwandeln könne. Leonardo Noto von der Universität
       Palermo geht in seinem Bericht hingegen davon aus, dass die Insel bis Ende
       des Jahrhunderts immer trockener und wüstenähnlicher wird.
       
       Einig sind sich Experten und auch die Einwohner Siziliens, dass das
       Wassermanagement dringend geändert werden muss. Bis dahin müssen sich die
       Sizilianer neue Lösungen suchen. Manche sammeln dieses Jahr schon
       behelfsmäßig Wasser in Badewannen oder in Behältern auf dem Balkon –
       zusätzlich zu den Zisternen im Untergrund, die sie sich schon vor Jahren
       angeschafft hatten.
       
       12 Aug 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Landwirtschaft-in-Sizilien/!6018034
   DIR [2] https://www.isprambiente.gov.it/pre_meteo/idro/SeverIdrica.html
   DIR [3] /Hohe-Temperaturen-werden-Normalzustand/!6026124
   DIR [4] https://www.auswaertiges-amt.de/de/ReiseUndSicherheit/italiensicherheit/211322#content_1
   DIR [5] /Landwirtschaft-in-Sizilien/!6018034
       
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