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       # taz.de -- Die Wahrheit: Links Hahn, rechts Henne
       
       > Die lustige Tierwelt und ihre ernste Erforschung (200):
       > Geschlechtswandler und Halbseitenzwitter sind in der Natur nicht
       > halbseiden.
       
   IMG Bild: Sphen und Magic, legendär schwule Eselspinguine in Sidney
       
       „Weißt du, was dein Problem als Mann ist? Du verstehst Unlogik nicht!“ Sagt
       eine Frau zu ihrem Mann. In dem Maße, da die LSBTIQplus-Bewegung von sich
       reden macht, mehren sich in den sozialen Medien die Sprüche von Männern mit
       Hoden, die auf Frauen stehen und binär denken: Cis-Männer, deren
       biologisches Geschlecht mit ihrer Geschlechtsidentität identisch ist. Sie
       posten Sätze wie „Es gibt Frauen und Männer. Punkt.“ oder „Es gibt nur zwei
       Geschlechter!“
       
       Das hört sich logisch an. In der wirklichen Wirklichkeit existiert jedoch
       eine große Unlogik – und die Kenntnis darüber verdanken wir vor allem den
       Frauen, den Biologinnen, die sich in ihrer Forschung gegen den von Darwin
       postulierten Dualismus männlich/aktiv – weiblich/passiv wandten und dabei
       auf immer mehr „Geschlechtstypen“ stießen.
       
       „Diese sind kumulativer, emergenter [spontaner] Natur und können durch Gene
       und Hormone, aber auch durch die Umwelt und sogar Lebenserfahrungen eines
       Tieres beeinflusst werden“, schreibt die Zoologin Lucy Cooke in ihrer
       Zusammenfassung der Forschung: „Bitch. Ein revolutionärer Blick auf Sex,
       Evolution und die Macht des Weiblichen im Tierreich“ (2023). „Diese
       Plastizität ermöglicht die ungeheure Vielfalt an Geschlechtern und
       geschlechtlichen Ausprägungen sowohl innerhalb als auch zwischen den
       Arten.“
       
       So beeinflusst die Bruttemperatur zum Beispiel bei Leopardgeckos nicht nur
       das Geschlecht, sondern auch die geschlechtliche Anziehungskraft. Ähnlich
       ist es bei den australischen Bartagamen: Wird ein Gelege mit männlichen
       Eiern während seiner Entwicklung von der Sonne zu stark erhitzt, wandeln
       sich die Männchen in Weibchen um, die „typisch männliche und typisch
       weibliche körperliche Eigenschaften und Verhaltensweisen zeigen. Sie legen
       doppelt so viele Eier, doch ihr Verhalten ähnelt mehr dem von Männchen.“
       
       ## Pseudo-Kopulationen
       
       Bei den nordamerikanischen Rennechsen gibt es nur Weibchen, sie befruchten
       sich selbst, vorher besteigen sie sich jedoch, wobei eine die „männliche“
       und die andere die „weibliche“ Rolle einnimmt. Danach wechseln sie. Diese
       „Pseudo-Kopulationen“ sollen den Eisprung anregen. Im Gegensatz zu
       verwandten Arten, die sich sexuell fortpflanzen, leben die
       gleichgeschlechtlichen Paare bei den Rennechsen häufiger zusammen und
       teilen sich eine Höhle.
       
       Ohne Männchen leben auch Wasserflöhe, Blattläuse, Rädertierchen. Diese rein
       weiblichen Arten vermehren sich asexuell, was aber auch den Weibchen des
       Komodowarans, des Kalifornienkondors, bei vier Schlangen- und fünf
       Hai-Arten möglich ist.
       
       Bei den Hühnern gibt es gelegentlich „Halbseitenzwitter“: Von der einen
       Seite sehen sie aus wie eine Henne, von der anderen wie ein Hahn, und
       einerseits versuchen sie, sich mit anderen Hennen zu paaren, andererseits
       legen sie aber auch Eier. Das Phänomen findet sich bereits in einem alten
       Bauernspruch: „Mädchen, die pfeifen, und Hühner, die krähen, soll man
       beizeiten den Hals umdrehen.“
       
       Bei den Korallenfischen gilt, dass etwa ein Viertel von ihnen „serielle
       Geschlechtswandler“ sind. Der Blaukopf-Lippfisch ist ein „konsekutiver
       Zwitter“, der durch einen „sozialen Stimulus, etwa den Verlust eines
       dominanten Individuums oder die relative Verfügbarkeit des anderen
       Geschlechts, dazu angeregt wird, das Lager zu wechseln“.
       
       Bei der kleinen Grundel, die sich selten aus ihrem Versteck wagt, führt die
       Begegnung mit einer anderen Grundel, gleich welchen Geschlechts, dazu, dass
       sie spontan ihr Geschlecht ändert, um „zum Gegenstück der anderen Grundel“
       zu werden.
       
       Viele „Geschlechtswandler“ beginnen ihr Leben als Weibchen und werden
       später zu Männchen. Bei Anemonenfischen, zu denen die Clownfische gehören,
       ist es umgekehrt. Bei ihnen ist das Weibchen dominant; wenn es stirbt,
       verwandelt sich eines der Männchen in ein neues dominantes Weibchen.
       
       Der karibische Tabakbarsch, ein kleiner monogam lebender Fisch, der für
       seine große Treue bekannt ist, wechselt Cooke zufolge „bis zu 20 mal am Tag
       sein Geschlecht“. Es ist dies eine „koordinierte Reaktion“ auf den
       Langzeitpartner. Erst legt das Weibchen die Eier und das Männchen
       befruchtet sie, dann tauschen sie ihr Geschlecht. Auf diese Weise
       befruchtet jeder der beiden Fische etwa so viele Eier, „wie er/sie
       produziert hat“.
       
       Die Kaulquappen von Grasfröschen entwickeln sich zunächst als Weibchen.
       „Doch wenn sie ihr Gewässer verlassen, kehrt etwa die Hälfte dieser
       Weibchen ihre Geschlechtsentwicklung um. Ihr Eierstöcke verwandeln sich in
       Hoden, und sie werden Männchen. Das Geschlecht zu wechseln scheint ein
       großes Unterfangen zu sein“, meint Lucy Cooke, „aber Frösche tun es, ohne
       mit der Wimper zu zucken (ganz abgesehen davon, dass sie keine Wimpern
       haben).“
       
       „Möget ihr wie die Heckenbraunelle sein – Mann und Frau in reiner Treue
       verbunden“, dozierte Cooke zufolge der Reverend Francis Orpen Morris im
       Jahr 1853. Er konnte nicht wissen, dass dieser „bescheidene und
       unscheinbare“ Vogel sich mit zwei männlichen Partnern mehr als 250 Mal
       verpaart, „um eine Familie zu gründen“.
       
       ## Schwule Schwäne
       
       Bei etlichen Vögeln, bei denen man annahm, dass sie in monogamen Ehen
       leben, stellte sich heraus, dass viele in homosexuellen Beziehungen leben.
       Bei den Laysanalbatrossen sind „mehr als ein Drittel dieser treuen Paare,
       um es anthro-
       
       pomorph auszudrücken, Lesben“. Im Stadtpark von Malmö leben „schwule
       Schwäne“, obwohl es dort auch viele weibliche Schwäne gibt, „aber weil die
       zwei Tiere kein Interesse für das weibliche Geschlecht zeigen,
       interessieren sich die weiblichen Tiere auch nicht für sie“, erklärte der
       Tierpfleger.
       
       Im Bremerhavener Zoo sind sechs der 20 Humboldt-Pinguine schwul. Sie leben
       mit ihrem Partner zusammen in Höhlen. Nachdem eines der „Homo-Pärchen“ ein
       verwaistes Ei erfolgreich ausgebrütet und sich liebevoll um den Nachwuchs
       gekümmert hatte, gab man ihnen weitere Eier zum Ausbrüten. Und im Zoo
       Sidney starb erst vorige Woche der legendäre „schwule Sphen“, ein
       Eselspinguin, kurz vor seinem zwölften Geburtstag.
       
       Man hat bei fast 500 Tierarten Homosexualität dokumentiert, niemand würde
       auf die Idee kommen, sie als gesonderte Arten zu begreifen. Bei den
       Menschen hat man jedoch genau dies getan, obwohl alle Sexualforscher,
       vorneweg Sigmund Freud, sich weigerten, sie als „besonders geartete Gruppe
       von den anderen Menschen abzutrennen“.
       
       Homo- und Heterosexuelle lassen sich nicht eindeutig unterscheiden.
       Weswegen der Theologe Norbert Reck die staatliche Anerkennung verbunden mit
       Toleranzforderungen gegenüber LSBTIQplus-Menschen für falsch hält (in:
       Merkur 6/2024). Stattdessen gelte es, auf „Menschenrechte für alle und
       nicht auf Minderheitenrechte für ‚Andersgeartete‘ zu bestehen.“
       
       26 Aug 2024
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Helmut Höge
       
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