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       # taz.de -- Solingen, AfD, Trauer: De Rest ist Elend
       
       > Wahlparty für jedermann, die Eizelle als Einzelfall, die Angst vor dem
       > „Schulz-Zug“ bei den US-Demokraten. Und: Wer sonst als Bodo Ramelow?
       
   IMG Bild: Hat eine Meinung plus unrasierte Zunge: Christoph Kramer
       
       taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht vergangene Woche? 
       
       Friedrich Küppersbusch: Die Abfolge Solingen –> Landtagswahlen im Osten.
       
       taz: Und was wird besser in dieser? 
       
       Küppersbusch: Vielleicht mal ’ne Minute trauern zwischendurch.
       
       taz: Die Thüringer AfD [1][muss Journalist*innen zu ihrer Wahlparty
       lassen.] Anträge verschiedener Medien hatte die AfD aus Platzmangel zuvor
       abgelehnt. Wer muss nun stattdessen draußen bleiben? 
       
       Küppersbusch: Die AfD. Sie droht mit der Absage der Sause, weil ihr für 200
       Plätze im gebuchten Saal 120 Presseanfragen vorlägen. Man könne keine
       Wahlkampfveranstaltungen mehr machen, wenn man [2][„keine eigenen Leute
       mehr reinnehmen dürfe“,] gesteht der Vizelandesvorsitzende Möller. Genau
       genommen ist der Wahlkampf dann vorbei, und wer als „eigene Leute“
       reindarf, sollte sich als Journalist was schämen. Der Rest ist Elend: Die
       AfD macht mit dem Rauswurf von Medien mehr Welle in den Medien als mit
       deren Zulassung.
       
       taz: Die FDP-Politikerin Katrin Helling-Plahr wirbt für die Legalisierung
       von Eizellspenden. Sie will einen fraktionsübergreifenden Antrag
       erarbeiten. Seit wann setzen sich die Liberalen für Familien ein? 
       
       Küppersbusch: Bin ich jetzt eigentlich ein schlechter Mensch oder die FDP,
       wenn ich reflexhaft als Erstes denke: Wo ist denn da das Geschäftsmodell?
       Wenn der Kinderwunsch nur zu erfüllen ist, indem frau die befruchtete
       Eizelle einer anderen Frau eingepflanzt bekommt – sei’s drum. Das Kind hat
       ein Recht, gewollt, geliebt und aufgeklärt zu werden, später; auch über
       seine biologische Herkunft. Dahinter regiert der Eizellfall: Mann kann
       künstlich fremdes Ei befruchten, Frau aber nicht künstlich fremdem Paar
       spenden. Das verbietet das deutsche Embryonenschutzgesetz. So entsteht
       „Befruchtungstourismus“ in Nachbarländer, und da sind
       „reproduktionsmedizinische Zentren“: ein Geschäftsmodell. Na also, die FDP
       holt die Arbeitsplätze nach Deutschland. Wenn die reine medizinische
       Leistung bezahlt wird – und der Handel mit befruchteten Eizellen verboten
       bleibt –, fällt mir kein Gegenargument mehr ein. Aber ich kannte auch meine
       Eltern.
       
       taz: İlkay Gündoğan, Kapitän der Nationalmannschaft, beendet seine
       Länderspielkarriere. Auch Manuel Neuer gab seinen Rücktritt bekannt. Wer
       hat bessere Chancen als TV-Experte? 
       
       Küppersbusch: Christoph Kramer. Isser schon, noch bevor er am Freitag
       seinen Abschied in Mönchengladbach gab. Im EM-Studio des ZDF wehte mitunter
       zu viel Sockenduft aus der Umkleidekabine mit, wenn Kramer den stillen,
       defensiven Mertesacker durchdisste. Kramer trägt eine erfrischend
       unrasierte Zunge und hat eine Meinung. Gündoğan ist ein smiling face,
       spricht schlau und hülst auch gern die Blüten der Medienschulung ins Mikro:
       Allgemeinplätze, abstrakte Draufsicht, aberzogene Impulsivität. Neuer:
       das Gleiche auf Valium. Fernsehen bevorzugt polarisierende Charaktere, die
       beiden Neuveteranen sind zu nett.
       
       taz: Kamala Harris hat die Nominierung als Präsidentschaftskandidatin
       angenommen. Die Demokrat*innen träumen von der ersten Frau im Weißen
       Haus. Wird es im Wahlkampf auch um Inhalte gehen? 
       
       Küppersbusch: Mal ein Beispiel aus Schlumpfenland: Die Harris-Euphorie mag
       an den „Schulz-Zug“ erinnern, Martin Schulz wurde mit 100 Prozent zum
       SPD-Chef gewählt und klatschte ein halbes Jahr später bei 20 Prozent in der
       Opposition auf. Laut Wahlkampfreportage von Markus Feldenkirchen
       rumpelstilzte Schulz intern, er werde den Teufel tun, sich auf irgendwas
       festzulegen. Fehler. Harris und Walz sind: Frau, Mann, migrantisch,
       schwarz, weiß, modern, provinziell, intellektuell, Fußballtrainer und haben
       echt gute Laune. Also der weltoffene gegen den verklemmten –
       identitätspolitischen Gestus. Es ist nicht fair, das mit dem „Buchhändler
       aus Würselen“ zu vergleichen, doch ein Hinweis.
       
       taz: [3][Die Linke sucht nach einer neuen Parteispitze]. Welchen Charakter
       sollten ambitionierte Kandidat*innen haben? 
       
       Küppersbusch: Wagenknecht passte zu den Inhalten der Linken, wie der
       Agenda-Schröder zur SPD. Zwischen beiden Modellen, sich umzubringen, hat
       sich die Linke für den programmatisch-redlichen entschieden. Schöner
       sterben. Elegant im Raum ist – sorry, einer muss es aussprechen – der ab
       September voraussichtlich arbeitslose vorerst letzte Linke mit weit
       ausgreifender Strahlkraft, Bodo Ramelow. Gewerkschafter, Linker, Christ,
       Landesvater, den Faschisten getrotzt, Lieblingskommunist der CDU und
       Traumlinker für die SPD. Noch ist Thüringen nicht verloren. Aber dann.
       
       taz: Und was macht der RWE? 
       
       Küppersbusch: Samstag: RWE gegen Bielefeld vor 18.500 Zuschauern in der
       dritten Liga, Hoffenheim gegen Kiel vor 18.500 Zuschauern in der ersten
       Liga.
       
       Fragen: Anastasia Zejneli 
       
       Friedrich Küppersbusch ist Journalist, Produzent und möchte nicht zur
       AfD-Wahlparty.
       
       25 Aug 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Erfolg-vor-Gericht/!6031960
   DIR [2] https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/afd-wahlparty-zu-landtagswahlen-keinen-platz-fuer-pressefreiheit-19938315.html
   DIR [3] /Existenzkrise-der-Linkspartei/!6027876
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Friedrich Küppersbusch
       
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