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       # taz.de -- Krieg zwischen Israel und Hisbollah: Nur Erfolge auf allen Seiten
       
       > Nach ihrem jüngsten Schlagabtausch im Schatten der Geiselverhandlungen
       > reden Hisbollah und Israel Schäden auf der eigenen Seite klein. Und nun?
       
   IMG Bild: Eine über Nacht aus dem Libanon abgefeuerten Rakete soll das Gebäude getroffen haben
       
       Beirut taz | Der neueste Schlagaustausch zwischen der Hisbollah und Israel
       folgt seiner eigenen, speziellen Logik. Beide Seiten erklären ihn zum
       Erfolg für sich und betonen gleichzeitig, dass auf ihrer Seite so gar
       nichts passiert ist.
       
       Israel feiert, dass es in [1][einem Präventivschlag] – nachdem es
       Vorbereitungen für einen Hisbollah-Angriff entdeckt hatte – nach eigenen
       Angaben tausende Hisbollah-Raketen und Abschussrampen zerstörte. Die zu
       ähnlicher Zeit über 300 gestarteten Hisbollah-Raketen und Drohnen seien
       abgefangen wurden und hätten praktisch keinen Schaden angerichtet.
       
       Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah betonte in einer Rede am Montag hingegen,
       dass trotz des vorbeugenden israelischen Militärschlages über 300 Raketen
       abgefeuert wurden. Diese hätten einen Korridor für die Drohnen geöffnet,
       die bis zum Hauptquartier des israelischen Militärgeheimdienstes in der
       Nähe von Tel Aviv geflogen seien. Und auch Nasrallah behauptete, dass beim
       israelischen Gegenangriff nur leere Täler im Südlibanon getroffen worden
       seien. Überprüfen lässt sich das alles nicht.
       
       Beide Seiten haben wohl nur militärische Ziele ins Visier genommen, keine
       zivilen Bevölkerungszentren. Sie haben sich dabei weiter an die
       ungeschriebenen Regeln gehalten, die für ihre Konfrontationen seit dem
       letzten Krieg zwischen Israel und Hisbollah im Jahr 2006 gelten.
       
       ## Auf kleiner Flamme geht der Krieg weiter
       
       Beide Seiten betonten auch: Das sei noch nicht das Ende. Nasrallah erklärte
       in seiner Rede, dass der Hisbollah-Militärschlag evaluiert werden müsse: ob
       er ausreiche, Israel so weit abzuschrecken, dass es keine weiteren
       gezielten Tötungsaktionen im Libanon mehr durchführe, wie jüngst gegen den
       Hisbollah-Kommandanten Fuad Schukr.
       
       Netanjahu sagte praktisch das Gleiche: dass der militärische Austausch am
       Montag nicht das Ende der Geschichte sei. Und um den Abschreckungseffekt,
       auf den Nasrallah hofft, für nichtig zu erklären, zielte eine israelische
       Drohne prompt am Mittwoch im Südlibanon auf das Fahrzeug eines bisher nicht
       namentlich genannten palästinensischen Repräsentanten. Der kam angeblich
       nur leicht verletzt davon.
       
       Trotz aller Rhetorik: Das Loben des eigenen Erfolgs, gepaart mit dem
       Herunterspielen der Schäden auf der jeweils eigenen Seite, zeigt, [2][dass
       weder die Hisbollah noch Israel derzeit an einer großen Eskalation
       interessiert sind]. Und dass sie sich erst einmal mit dem Erreichten
       zufriedengeben. Auf kleiner Flamme wird der Kleinkrieg an der
       israelisch-libanesischen Grenze trotzdem weitergehen.
       
       Anders als Israel behauptet, ist die Hisbollah wahrscheinlich nicht
       wirklich militärisch angeschlagen. Am Montag schoss die schiitische Miliz
       vor allem billige, unpräzise Katjuscha-Raketen mit einer geringen Traglast
       ab sowie Drohnen. Das zielgenauere und sprengkräftigere Raketenpotenzial
       der Hisbollah ist weiter unter Verschluss geblieben.
       
       ## Auskundschaften für das was kommen soll
       
       Nasrallah hat weitere Angriffsphasen zu einem späteren Zeitpunkt bereits
       angekündigt. Und die Hisbollah erklärte, dass sie mit jedem Angriff auf
       Israel das Verteidigungssystem des südlichen Nachbarlandes mehr
       auskundschafte – [3][für das, was später kommen soll.]
       
       Unklar ist außerdem, was der Iran oder die Houthi-Rebellen im Jemen noch in
       petto haben. Nasrallah erklärte, man habe sich mit beiden beraten und sich
       gegen einen koordinierten Schlag entschieden. Die Parteien könnten
       individuell antworten. Und die Drohkulisse wird somit aufrechterhalten.
       
       Bleibt die Frage nach dem Timing: Israel hatte Wochen darauf gewartet, wie
       die Antwort der Hisbollah auf den Tod ihres Kommandanten Schukr ausfallen
       würde. Warum hat die Hisbollah gerade diesen Zeitpunkt gewählt? Zuvor war
       spekuliert worden, dass sie mit ihrem Schlag abwarte, wie die
       Waffenstillstandsverhandlungen in Kairo ausgehen.
       
       Nun hat sie aber doch nicht gewartet. Man könnte interpretieren, dass die
       Hisbollah mehr Druck auf die Verhandlungen aufbauen wollte. Denn ihr
       erklärtes Ziel ist es, Israel zu einem Ende der militärischen Offensive im
       Gazastreifen zu bringen.
       
       ## Waren die USA Adressat der Botschaft der Hisbollah?
       
       Trotz allen von den USA verbreiteten Optimismus zu den Verhandlungen gehen
       diese nicht voran. Netanjahu möchte sich die Option offenhalten, selbst bei
       einem Waffenstillstand die israeliche Offensive zu einem späteren Zeitpunkt
       weiterzuführen. Und er möchte, dass israelische Truppen in Teilen des
       Gazastreifens stationiert bleiben.
       
       Die Hamas will das Gegenteil: einen permanenten Waffenstillstand und den
       vollkommenen Abzug der israelischen Truppen aus dem Gazastreifen. Beide
       Delegation sind nun erst einmal aus Kairo abgereist. Der Angriff der
       Hisbollah könnte somit ein klassischer Warnschuss vor den Bug gewesen.
       
       [4][Ob das den israelischen Premier Benjamin Netanjahu beeindruckt,] sei
       dahingestellt. Vielleicht waren vielmehr die USA Adressat der Botschaft der
       Hisbollah: Diese könne den regionalen Konflikt jederzeit eskalieren lassen.
       
       26 Aug 2024
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Karim El-Gawhary
       
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