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       # taz.de -- Gesundheitsversorgung für alle: Fehlender Mut der Demokraten
       
       > Vor allem für Geflüchtete ist die medizinische Versorgung eingeschränkt.
       > Eine Kampagne des Medibüros Berlin nimmt die Parteien in die Pflicht.
       
   IMG Bild: Wer immer es braucht
       
       Berlin taz | Nach der Sitzung des Senats sitzt Bürgermeister Kai Wegner
       (CDU) vor der Presse. Er spricht nicht über Einsparpotenziale oder
       Symbolpolitik (Görlitzer Park), stattdessen präsentiert sich der Regierende
       als echter Macher. Er sagt: „Wir müssen uns bewusst machen, dass es
       Menschen in unserem Land gibt, die keinen Zugang zur Krankenversicherung
       haben – seien es Deutsche, Migrantinnen und Migranten oder Illegalisierte.“
       Dies sei ihm gerade „als Christdemokrat“ besonders wichtig, denn „der
       Zugang zur medizinischen Versorgung ist ein universelles Menschenrecht“.
       
       Hat das Vornamens-Abfrage-Kai wirklich gesagt? Selbstverständlich nicht.
       Selbstverständlich? Für das [1][Medibüro Berlin], das mithilfe von Spenden
       [2][Gesundheitsversorgung für nicht-versicherten Migrant:innen]
       organisiert, ist es das nicht. Denn die demokratischen Parteien sind sich
       programmatisch prinzipiell einig: Gesundheit ist ein hohes Gut und
       Menschenrechte gelten für alle. Um den Widerspruch zwischen allgemeinen
       Lippenbekenntnissen und der konkret diskriminierenden Politik aufzuzeigen,
       hat das Medibüro die [3][Kampagne AKKA] in Leben gerufen – First Aid
       Argumentation-Kit Krankenversicherung für alle!
       
       In fiktiven Reden wird Politiker:innen von CDU, SPD, FDP, Grünen und
       Linken ihr Einsatz für einen Zugang für alle ins Gesundheitssystem in den
       Mund gelegt. Das funktioniert unabhängig davon, ob dies mit Bezug auf
       „Solidarität“ (SPD) oder „Freiheit“ (FDP) erfolgt. Und es gibt für das
       Medibüro noch einen übergeordneten Grund: „Wir nehmen die demokratischen
       Parteien beim Wort, sich von der AfD und anderen rechtsextremen und
       fremdenfeindlichen Positionen unterscheiden zu wollen.“
       
       Vor den kommenden Landtagswahlen könnten mutige Demokrat:innen darüber
       sprechen, dass es sich eine Gesellschaft nicht leisten kann, Menschen
       unversorgt zu lassen oder wie bei Asylsuchenden nur in Notfällen zu
       versorgen.
       
       Allein die Streichung des urdeutschen Paragrafen 87 des Aufenthaltsgesetzes
       würde die Situation verbessern. Demnach müssen Sozialämter bei der
       Ausstellung eines Krankenscheins die Daten von Migrant:innen ohne
       Papiere an die Ausländerbehörde weitergeben, also mit Abschiebung bedrohen.
       Darüber hinaus wäre auch eine richtige Lösung denkbar: die Aufnahme aller
       hier lebenden Menschen in eine Krankenkasse.
       
       ## Versorgung über Umwege
       
       In Berlin sind Menschen ohne Versicherung bislang auf die Hilfe vom
       Medibüro oder der vom Senat finanzierten Clearingstelle angewiesen, die im
       vergangenen Jahr mit einem Etat von 2,6 Millionen Euro
       Behandlungsgutscheine ausstellen durfte. Doch der Bedarf ist damit nicht
       gedeckt und die Clearingstelle als befristetes Projekt stets gefährdet. In
       Brandenburg gar fehlen solche Strukturen ganz.
       
       Die Kampagne kommt zum ungünstigsten Zeitpunkt. Nach dem Attentat [4][von
       Solingen wetteifern Politiker:innen wieder darum, wer die beste
       AfD-Sprechpuppe abgibt]. Aber man wird ja noch träumen dürfen. Von Kai
       Wegner, wie er sagt: „Sie müssen entscheiden, ob es ein Weiter-so gibt oder
       einen echten Neustart.“
       
       26 Aug 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Krankenversorgung-Papierloser/!5600574
   DIR [2] /Gesundheitsleistungen-fuer-Gefluechtete/!5996441
   DIR [3] https://akka-kampagne.de/
   DIR [4] /Reaktionen-auf-Messerangriff-in-Solingen/!6032149
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Erik Peter
       
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