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       # taz.de -- das wird: „Doktor Sommer ist verstorben“
       
       > Mit seiner „Na Bravo“-Show tourt Linus Volkmann durch den Norden
       
       Interview Imke Staats
       
       taz: Welche Rolle spielt der Starschnitt, Linus Volkmann? 
       
       Linus Volkmann: Der „Bravo-Starschnitt“ ist ein verbindendes Element über
       viele Generationen. Sobald man konkrete Motive benennt, kann man die Jugend
       der Leute sofort kartographieren.
       
       taz: Welcher war Ihr erster, welcher der letzte? 
       
       Volkmann: Bei mir war der erste wohl E.T. Jüngst habe ich aus meinen –
       größtenteils betrunken bei eBay ersteigerten – Pop Rockys der 90er noch den
       Kelly Family-Starschnitt zusammengepuzzelt. Mir fehlt allerdings noch
       einiges. Verrückte Kelly-Fans, bittet meldet euch privat bei mir oder kommt
       einfach vorbei!
       
       taz: Wie kamen Sie zu Ihrer ersten Bravo? 
       
       Volkmann: Für meine Jugend spielten sich Stars, Aufklärung,
       Identitätsfindung über diese Heftchen ab. Ich war noch so jung, dass ich
       Diskussionen mit den Eltern darüber führen musste, ob ich das denn schon
       lesen dürfe.
       
       Was hat die Hefte für Sie abgelöst? 
       
       Volkmann: Persönlich habe ich die Distinktion aufgesogen, die mitgeliefert
       wurde, um zu versuchen, sich über sein Checkertum gegenüber
       Klassenkamerad*innen abzugrenzen. Aber schnell wurde klar, dass man
       mit den grellen, teilweise erfundenen Facts von Bravo und Co. nicht mehr
       wirklich punkten kann, fand den Weg zu „erwachsenen“ Musikzeitschriften und
       schaute Nase rümpfend auf die Teenpresse herab.
       
       taz: Wo bekommt man die heute noch? 
       
       Volkmann: Als ich Anfang dieses Jahrzehnts in die Redaktion des Magazins
       „Musikexpress“ einstieg, schaute ich argwöhnisch in die Auslagen der
       Zeitschriftenläden, ob sie unser Heft auch alle führen. Heute gibt es die
       Läden selbst ja quasi nicht mehr. Zeitschriften bekommt man am Bahnhof
       größerer Städte. Für Jugendliche ist das natürlich kein Problem. Sie lesen
       diese Hefte längst nicht mehr. Selbstfindung, Zugehörigkeit, Star-News,
       Aufklärung… das verwaltet heute alles TikTok.
       
       taz: Die Hefte gibt es aber noch. 
       
       Volkmann: Vielleicht, weil die Marke „too big to fail“ ist. Die verkaufte
       Auflage ist allerdings seit Ende der 90er um 96 Prozent gesunken. Überlebt
       hat auch noch „Mädchen“. Dort hat man das Zielgruppenalter offensichtlich
       drastisch gesenkt. Es gibt hier Gimmicks wie Handys aus Plastik. Das Heft
       bringen Eltern mit für Töchter, die mit sieben schon Teenie spielen wollen.
       
       taz: Was vermissen wir Alten an der Bravo von früher? 
       
       Volkmann: Nahezu alles. Doktor Sommer ist gone in der Form, wie wir ihn
       kannten. Die Foto-Love-Story war offensichtlich in der Produktion zu teuer,
       und die Star News beschränken sich auf nacherzählte Instagram-Posts, die
       zum Zeitpunkt des Hefterscheinens Wochen alt sind. Ich habe großen Respekt
       für die Redaktionen, die diesen verlorenen Posten noch bespielen.
       
       taz: Doktor Sommer ist tot? 
       
       Volkmann: Doktor Sommer, der früher schon eine Person anderen Namens war,
       ist 2012 mit 85 Jahren verstorben.
       
       taz: Wie kriegen Sie mit Ihrer Show das Publikum? 
       
       Volkmann: Die meisten kommen wegen sich selbst. Also weil sie Lust drauf
       haben, noch mal einzutauchen in diese untergegangene Welt der
       Jugendmagazine. Ich biete eine Reise zurück zur eigenen Erweckung. Mit viel
       skurrilen Ausschnitten jener Epochen und Anekdoten dazu.
       
       taz: Welcher Art? 
       
       Volkmann: Da ich selbst Kulturjournalist bin, macht es mir auch Spaß, nicht
       bloß wohlige Retrogefühle zu erzeugen, sondern auch ein bisschen hinter die
       Kulissen zu gucken. Wie funktionierte dieser grelle Teen-Journalismus, was
       war nicht so toll? Dinge wie Fatshaming, wie fahrlässig oder gar lüstern
       über Missbrauch geschrieben wurde, oder dass offensichtlich Stories
       gefälscht wurden – auch das spielt eine Rolle in der Show.
       
       28 Aug 2024
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Imke Staats
       
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