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       # taz.de -- Paralympische Spiele: Mit Gefühl und Gehör
       
       > Para-Boccia und Goalball sind ausschließlich paralympische Sportarten,
       > die viel Können abverlangen. Sie sind auf bestimmte Sportler
       > zugeschnitten.
       
   IMG Bild: Thailänder Akkadej Choochuenklin berührt den Ball dort, wo ihn sein Assistent hingelegt hat
       
       Boccia mit Hilfe einer Rampe? Fußball und Handball kombiniert mit einem
       klingelnden Ball? Bei den [1][Paralympischen Spielen] gibt es neben
       klassischen Sportarten – wie Sitzvolleyball, Rollstuhlrugby oder
       Para-Leichtathletik – die ihren Counterpart bei den Olympischen Spielen
       haben, auch ausschließlich paralympische Sportarten. Das sind Para-Boccia
       und Goalball – zwei Sportarten, die auf bestimmte Sportler zugeschnitten
       sind und die es so nur bei den Paralympics gibt.
       
       Boccia ist eine italienische Abwandlung des Boules und seit 1984
       paralympische Disziplin. Im wesentlichen unterscheiden sich beide
       Sportarten darin, dass Boccia im Gegensatz zu Boule ein klar abgestecktes
       Feld hat und in diesem Fall mit größeren und leichteren Lederbällen, an
       Stelle von Metallbällen gespielt wird.
       
       Die paralympische Version des Boccia ist etwas strenger als die klassische
       Variante. Sie wird von Menschen mit motorischer Beeinträchtigung gespielt,
       die alle im Rollstuhl sitzen. Das Ziel ist, mit den Bällen des eigenen
       Teams näher am Zielball zu sein, als das gegnerische Team. Gespielt wird
       einzeln, zu zweit oder in Dreierteams, die unabhängig des Geschlechts
       eingeteilt sind.
       
       ## Unterteilung nach Beeinträchtigung
       
       Besonders bei den paralympischen Spielen – und auch beim Para-Boccia – ist,
       dass nicht nur die unterschiedlichen Sportarten für [2][unterschiedliche
       Beeinträchtigungen] konzipiert sind, sondern auch, dass innerhalb der
       Sportarten Unterteilungen nach körperlichen und geistigen Voraussetzungen
       vorgenommen werden. Somit wird für faire Wettkampfbedingungen gesorgt.
       
       Beim Para-Boccia sind das vier Gruppen, die je nach Beeinträchtigung unter
       anderem entscheiden, ob die Spieler Hilfe erhalten dürfen, oder nicht. In
       zwei der Gruppen legt ein Assistent beispielsweise den Lederball auf eine
       Rampe, wovon der Ball hinunter in das 12,5 mal 6 Meter große Spielfeld
       rollt – den entscheidenden Kontakt gibt der Athlet.
       
       Bei vom Hals abwärts gelähmten Sportlern wird dieser Kontakt mit einem am
       Kopf befestigten Stab gegeben. Der Assistent, der den Ball platziert, darf
       weder das Spielfeld betrachten, noch mit dem Athleten kommunizieren,
       sondern nur die Anweisungen befolgen, die ihm gegeben werden. Ein einziger
       Wurf kann das komplette Spiel verändern, alle gegnerischen Bälle zur Seite
       schieben und für den Sieg sorgen.
       
       ## Blindes Ballspielen
       
       Die stillen Assistenten der Boccia-Spieler ähneln den Zuschauern beim
       [3][Goalball]. Sie dürfen während des Spiels ebenfalls keinen Ton von sich
       geben. Besonders wichtig sind bei diesem Sport die Ohren. Der Ball ist mit
       Klingeln ausgestattet und kann auch ausschließlich über diese verortet
       werden.
       
       Goalball wird bei den Paralympics von Menschen mit Sehbehinderung gespielt
       – lichtundurchlässige Brillen und Pflaster auf den Augen sorgen dafür, dass
       kein Spieler auf dem Feld etwas sehen kann. Somit haben sehbeeinträchtigte
       und blinde Spieler gleiche Voraussetzungen.
       
       Zwei Dreierteams spielen auf ein flaches und 9 Meter breites Tor
       gegeneinander. Sie werfen von unten abwechselnd mit bis zu 80 km/h den 1,25
       kg schweren, medizinballähnlichen Ball auf das gegnerische Tor.
       
       Dabei gibt es in einem Spiel bis zu 100 Angriffe. Das sieht in etwa so aus
       wie ein abwechselndes Elfmeterwerfen auf flache Tore mit drei Torhütern. Um
       einen Treffer zu verhindern, legt sich das verteidigende Team nebeneinander
       quer vor das neun Meter breite Tor und deckt somit einen Großteil der
       Trefferzone ab.
       
       ## Fokus auf Fähigkeiten
       
       Die Schwierigkeit liegt in der Defensive bei der richtigen Positionierung
       und der Abwehrreaktion auf einen unsichtbaren Ball. Auf der anderen Seite
       muss der Angriff die Lücken im Tor finden und genügend Druck hinter den
       Ball bekommen. Dafür wird ein kleiner Anlauf genommen und eine
       360-Grad-Drehung in den Wurf eingebaut, um genügend Schwung zu sammeln.
       
       Goalball ist seit 1976 bei den Paralympischen Spielen dabei. Der letzte
       Erfolg der deutschen Goalball-Männer war der EM Titel 2019. Sowohl die
       Frauen als auch die Männer Deutschlands konnten in der Vergangenheit eine
       Goldmedaille bei den Paralympics im Goalball gewinnen.
       
       Para-Boccia und Goalball sind somit zwei Paralympics-Originale und
       besonders auf die Athleten zugeschnittene Sportarten. Die Schwerpunkte
       liegen dabei aber nicht nur auf den Beeinträchtigungen der Sportler,
       sondern vor allem auf ihren besonderen Fähigkeiten: Geduld und Präzision
       beim Boccia und außergewöhnlich gutes Gehör sowie räumliches Denken beim
       Goalball.
       
       27 Aug 2024
       
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