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       # taz.de -- Elektrogeräte länger nutzen: Keine Kohle für Reparatur
       
       > Förderungen für Verbraucher:innen, die ihre defekten Geräte reparieren
       > lassen, helfen den Menschen und der Umwelt. Doch die Regierung bremst.
       
   IMG Bild: Wegwerfen oder wieder zum Laufen bringen? Mit Bonus ändert sich oft auch die Antwort auf diese Frage
       
       Berlin taz | Die Bundesregierung lehnt auch nach der Einführung eines
       Rechts auf Reparatur durch die EU einen Reparaturbonus ab – aus
       Kostengründen. Eine Förderung von Reparaturen nach thüringischem Vorbild
       würde 34 Millionen Euro kosten, heißt es in der Antwort auf eine Kleine
       Anfrage der Gruppe der Linken im Bundestag, die der taz vor
       Veröffentlichung vorliegt.
       
       Bei einer umfassenderen Förderung, die etwa auch für Möbel, Gartengeräte
       oder Fahrräder gilt, und mit der Annahme, dass jeder zweite Haushalt einen
       Zuschuss in Höhe von 100 Euro je Reparatur beantragt, würden sich die
       Kosten auf 2 Milliarden Euro summieren. Die Zahl entsteht aus den gut 40
       Millionen Haushalten in Deutschland – würde jeder zweite die 100 Euro
       Förderung jährlich nutzen, ginge es hier also um jährliche Kosten.
       
       „In 2024 hat allein das Bundesministerium für Bildung und Forschung eine
       halbe Milliarde Euro in seinem Haushalt nur für künstliche Intelligenz,
       aber 34 Millionen für einen bundesweiten Reparaturbonus, ein Fünfzehntel
       der KI-Förderung eines einzigen Ministeriums sind nicht machbar? Das ist
       doch ein Witz“, kritisiert die Linken-Abgeordnete Anke Domscheit-Berg.
       
       Aber auch Ausgaben von 2 Milliarden Euro hält sie für gerechtfertigt: „Die
       Menge eingesparter Ressourcen wäre immens, und über 20 Millionen Haushalte
       in Deutschland hätten einen direkten Nutzen davon.“
       
       ## Reparaturstatus: mau
       
       Derzeit werden in Deutschland nicht einmal ein Viertel aller Geräte, die
       kaputtgehen, repariert, so der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv).
       Das liegt nicht unbedingt an mangelnder Bereitschaft, sondern auch an den
       Kosten: In der Praxis ist eine Reparatur oft [1][nicht billiger oder sogar
       teurer als ein Neukau]f.
       
       [2][Die EU hat daher ein Recht auf Reparatur beschlossen]. Damit sollen
       Reparaturen einfacher und erschwinglicher werden. Die entsprechende
       Richtlinie ist Anfang Juli in Kraft getreten, Deutschland und die anderen
       Mitgliedstaaten haben nun zwei Jahre Zeit, sie in nationales Recht
       umzusetzen. Einer der Punkte, der dieses Recht unterfüttern könnte und den
       Verbraucherschützer:innen schon lange fordern, ist die Einführung
       eines Reparaturbonusses. Wer ein defektes Gerät etwa in einer Werkstatt
       oder mit Unterstützung in einem Repair-Café reparieren lässt, würde damit
       Zuschüsse bekommen.
       
       Auf nationaler Ebene gibt es so einen Bonus in Österreich und Frankreich.
       In Deutschland haben ihn Sachsen und [3][Thüringen] sowie einige Landkreise
       erprobt. In Thüringen geht die Förderung aktuell in die vierte Runde, seit
       Mai können Verbraucher:innen wieder Anträge stellen, um Reparaturen
       bezuschussen zu lassen. Zuvor hat das [4][Fraunhofer-Institut für
       Zuverlässigkeit und Mikrointegration (IZM) die Effekte des dortigen
       Reparaturbonus untersucht (pdf)].
       
       Demnach haben die im Rahmen des Programms durchgeführten Reparaturen rund
       3.000 Tonnen CO2 eingespart und 390 Tonnen Elektroschrott vermieden. Zudem
       profitierten lokale Betriebe: Die Arbeiten seien zur Hälfte von
       Fachhändlern durchgeführt worden und zu einem Viertel von Werkstätten. Über
       ein Drittel der Befragten gab an, sie hätten die Reparaturen ohne Bonus
       nicht durchführen lassen. „Mit der Förderung von Reparaturen kann regional
       und sehr kurzfristig etwas zur Umweltentlastung getan werden“, zog
       Studienleiter Erik Poppe im Mai Bilanz.
       
       ## Vorschlag: Die Hersteller sollen zahlen
       
       Dass die Bundesregierung den Bonus zu teuer findet, hält Domscheit-Berg für
       vorgeschoben. Sie schlägt eine herstellerfinanzierte Förderung nach
       französischem Vorbild vor: Hier kommen über Abgaben die Hersteller für den
       Bonus auf. Nach Elektrogeräten gibt es dort seit dem vergangenen Jahr einen
       weiteren Bonus für die Reparatur von Kleidung und Schuhen. Wie die
       Bundesregierung das Modell bewertet, bleibt offen – in der Antwort auf die
       Kleine Anfrage schreibt das Bundesverbraucherschutzministerium lediglich,
       dass man unterschiedliche Umsetzungsmodelle prüfe.
       
       Bereits im Koalitionsvertrag hatten SPD, Grüne und FDP vereinbart,
       Reparaturen zu fördern. „Die Lebensdauer und Reparierbarkeit eines
       Produktes machen wir zum erkennbaren Merkmal der Produkteigenschaft“, heißt
       es. Doch der Entwurf zum Reparaturgesetz, das Verbraucherschutzministerin
       Steffi Lemke (Grüne) vor über einem Jahr ankündigte, liegt noch nicht vor.
       
       Domscheit-Berg kritisiert, dass damit die Chance vergeudet werde, die
       Reparaturkultur in Deutschland in Schwung bringen. „Gerade im ländlichen
       Raum gibt es oft gar keine kommerziellen Dienstleister mehr, da ist die
       Alternative wegwerfen und online neu bestellen.“ Das sei unsozial, weil
       teuer und zudem klimaschädlich. Denn gerade bei elektronischen Geräten wie
       Smartphones oder Tablets entfielen etwa 80 Prozent des CO2-Fußabdrucks
       allein auf die Herstellung – und Elektroschrott sei in der Europäischen
       Union die am schnellsten wachsende Abfallart.
       
       28 Aug 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Expertin-ueber-EU-Einigung-zu-Vorgaben/!5987568
   DIR [2] /Beschluss-der-EU/!6003471
   DIR [3] /Nachhaltigkeit-bei-Elektrogeraeten/!5781660
   DIR [4] https://www.izm.fraunhofer.de/content/dam/izm/de/documents/Abteilungen/Environmental_Reliability_Engineering/Projekte/Reparaturbonus%20Th%C3%BCringen-Ergebnisbericht%20f%C3%BCr%20die%20F%C3%B6rderperiode-2021-2023.pdf
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Svenja Bergt
       
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