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       # taz.de -- Führungswechsel in Japan: Neuer Regierungschef gesucht
       
       > Der unpopuläre Amtsinhaber Fumio Kishida schmeißt hin. Er begründet
       > seinen Rückzug mit einem Spendenskandal in der Regierungspartei LDP.
       
   IMG Bild: Japans Regierungschef Fumio Kishida am 14. August in Tokio
       
       Tokio taz | Nach knapp drei Jahren im Amt wirft Japans Premierminister
       Fumio Kishida hin. Der 67-jährige Politiker aus Hiroshima kündigte nun
       seinen Verzicht auf eine Wiederwahl als Vorsitzender der Regierungspartei
       LDP im September an. Damit macht er den Weg für einen Nachfolger an der
       Regierungsspitze frei. Bei der LDP liegen beide Posten in einer Hand.
       
       Der Führungswechsel ereignet sich in einer historischen Umbruchphase für
       die Inselnation. Unter Kishida verabschiedete sich Japan endgültig von
       seiner pazifistischen Außen- und Sicherheitspolitik. Die
       Verteidigungsausgaben steigen bis 2027 um 60 Prozent auf zwei Prozent der
       Wirtschaftsleistung. Damit antwortet Japan auf Chinas Drohungen gegen
       Taiwan und Nordkoreas Aufrüstung bei Raketen und Atomwaffen.
       
       Kishida begründete seinen Rückzug mit dem Spendenskandal in der
       LDP-Fraktion im Parlament. Viele Abgeordnete hatten mit Hilfe eines
       ausgeklügelten Systems Spendengelder an der Steuer vorbei in schwarze
       Kassen umgeleitet. „Es ist wichtig, der LDP ein neues Gesicht an der Spitze
       zu geben“, erklärte Kishida in Tokio. „Die LDP muss beweisen, dass sie sich
       ändert und der offenkundigste Schritt dafür ist, dass ich zurücktrete.“
       
       Zwar hatte der Premier versucht, sich am eigenen Schopf aus dem
       Spendensumpf zu ziehen. Er löste die internen Machtgruppen der LDP-Fraktion
       auf und verschärfte das Spendengesetz. Aber Umfragen zufolge zweifelten die
       Wähler an seinem Reformwillen, da auch Abgeordnete der von Kishida selbst
       geführten Gruppe bei dem System mitgemacht hatten.
       
       ## Hohe Inflation
       
       Jedoch war der Premier schon vor dem Skandal unbeliebt. Viele Japaner
       meinten, Kishida unternehme zu wenig gegen [1][die hohe Inflation]. Nach
       zwei Jahrzehnten stabiler und teils sinkender Preise schockierte die
       Rückkehr der Inflation die Konsumenten. Seit zwei Jahren hinken die Löhne
       der Teuerung hinterher, dadurch sank der Lebensstandard vieler Japanerinnen
       und Japaner. „Höchstens der Zeitpunkt seines Rücktritts mitten in der
       Ferienzeit kommt überraschend“, meinte der unabhängige Japan-Analyst Tobias
       Harris.
       
       Kishida konnte sich nur deswegen so lange im Amt halten, weil die
       parlamentarische Opposition schwach blieb und es keine nationale Wahl gab.
       Aber schließlich wendete sich das Blatt gegen ihn: Die Opposition wurde
       stärker, [2][die LDP verlor in den vergangenen Monaten wichtige
       Nachwahlen]. Viele LDP-Abgeordnete fürchteten eine Niederlage bei der
       Neuwahl des Unterhauses, die bis Oktober 2025 stattfinden muss. Sein
       Vorgänger als Regierungschef, Yoshihide Suga, drängte Kishida öffentlich
       zum Rückzug.
       
       Das Rennen um seine Nachfolge als Parteichef und Premier ist völlig offen.
       Als erstes LDP-Schwergewicht hat der frühere Generalsekretär Shigeru Ishiba
       seinen Hut in den Ring geworfen. Schon seit Jahren gehört der Konservative
       zu Japans populärsten Politikern. Aber auch sein vierter Anlauf, selbst
       Parteichef zu werden, droht zu scheitern, weil ihm weiterhin eine Hausmacht
       in der LDP fehlt.
       
       14 Aug 2024
       
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