URI: 
       # taz.de -- Aktivistin über Brandenburgwahl: „Es steht alles auf dem Spiel“
       
       > Clara Mühlheim ist für die Falken in Brandenburg aktiv. Im Interview
       > spricht sie über Angriffe von rechts und demokratische Gegenwehr.
       
   IMG Bild: „Ich wollte nicht in meiner Berlin Bubble bleiben.“ Aktivistin Clara Mühlheim
       
       taz: Derzeit liegt die [1][AfD in Brandenburg in Umfragen bei 28 Prozent].
       Vor fünf Jahren hatte die Partei schon 23,5 Prozent der Stimmen. Was hat
       sich seitdem verändert, Frau Mühlheim?
       
       Clara Mühlheim: Das Klima in Brandenburg hat sich verändert. Ich arbeite in
       einem Jugendclub und die Kinder berichten immer häufiger von
       Rassismuserfahrungen, die sie machen. Sie erleben Beleidigungen, tätliche
       Angriffe.
       
       taz: Die Falken betreiben in Brandenburg zwei Jugendclubs, in Rheinsberg
       und Luckenwalde. Welche Erfahrungen machen Sie dort aktuell?
       
       Clara Mühlheim: Wir als Jugendclubs sind noch nicht Ziel der AfD, die
       Falken Brandenburg aber schon. Die AfD hat 2020 im Brandenburger Landtag
       einen [2][Antrag gestellt, uns alle Gelder zu streichen]. Damals stand die
       Brandmauer noch. Alle demokratischen Parteien stimmten dagegen. Wir hoffen,
       dass das so bleibt. Ohne diese Unterstützung hätten wir es natürlich viel
       schwerer.
       
       taz: Es gab aber auch sieben Angriffe auf den Jugendclub in Luckenwalde …
       
       Clara Mühlheim: Bei einem Angriff im letzten Jahr wurde unsere
       Fensterscheibe mit einem Pflasterstein eingeworfen. Die Vermutung liegt
       nahe, dass es Nazis waren, da zu der Zeit ein Aktionswochenende der Rechten
       war. Es gab auch andere Angriffe mit Graffiti.
       
       taz: Hat die Polizei sofort geholfen?
       
       Clara Mühlheim: Die Polizei ist, wie es ihre Aufgabe ist, direkt zu uns
       gekommen und hat unsere Beschwerden aufgenommen. Leider hat das nie etwas
       gebracht. Früher wurden wir auch öfter gefragt, ob wir eine Ahnung hätten,
       wer das sein könnte. Das ist im letzten Jahr leider nicht mehr passiert.
       Trotzdem wird uns immer wieder versprochen, dass öfter jemand vorbeikommt.
       
       taz: Wie lange sind Sie schon bei den Falken aktiv?
       
       Clara Mühlheim: Ich engagiere mich [3][seit vier Jahren ehrenamtlic]h, vor
       allem in Frankfurt (Oder). Und seit etwa einem halben Jahr bin ich in einem
       Jugendclub tätig. Dort arbeite ich mit Kindern und Jugendlichen, die aus
       eher prekären Elternhäusern kommen. Wir fahren mit ihnen ins Zeltlager,
       machen Kinderwochen und versuchen, ihnen etwas Erholung von ihrem Alltag
       anzubieten. Die meisten Kids, die zu uns kommen, haben eine
       Migrationsgeschichte oder Fluchterfahrung, die wollen wir empowern.
       
       taz: Gab es einen bestimmten Auslöser für Ihr Engagement?
       
       Clara Mühlheim: Ich habe im Studium eine Person von den Falken Brandenburg
       kennengelernt und ich wollte mal [4][Antifa-Arbeit dort machen, wo sie
       wirklich gebraucht wird]. Ich wollte nicht in meiner Berlin Bubble bleiben.
       
       taz: Auf unserem letzten [5][taz Panter Forum] forderten viele Engagierte
       aus kleinen Orten, dass die Aktivist*innen aus den Großstädten mehr ins
       Hinterland gehen, mehr zu Demos auf dem Land mobilisieren sollten. Bekommen
       Sie genügend Unterstützung aus den Großstädten?
       
       Clara Mühlheim: Es könnte schon mehr sein, aber grundsätzlich gibt es im
       Raum Berlin viele Aktivist*innen, die durch die Wahlen auf dem Schirm
       haben, dass sie das Hinterland unterstützen müssen. Die fragen auch, was
       dort gebraucht wird! Aber diese Unterstützung hat uns hier die letzten
       drei, vier Jahre sehr gefehlt. Da war viel Frust.
       
       taz: Haben Sie Sorge, dass sich die Berliner*innen sich wieder
       zurückziehen, wenn die Wahlen vorbei sind?
       
       Clara Mühlheim: Ich glaube nicht, dass das passieren wird. Die Leute, die
       das hier gerade so strukturiert auf dem Schirm haben, wollen das auch
       weiterhin machen. Es wäre auch fatal, sich zurückzuziehen, wenn es noch
       mehr brennt.
       
       taz: Die AfD in Brandenburg hat nach dem islamistischen Anschlag von
       Solingen gefordert, [6][Asylbewerber von öffentlichen Veranstaltungen
       auszuschließen]. Beschäftigen solche Aussagen die Jugendlichen, mit denen
       Sie arbeiten?
       
       Clara Mühlheim: Natürlich ist es ein Thema unter den Jugendlichen, dass es
       wieder mehr Nazis gibt und dass die AfD gewählt wird. Aber mehr als solche
       einzelnen Aussagen beschäftigen sie ihre eigenen Rassismuserfahrungen, wenn
       sie auf der Straße angepöbelt werden. Dann probieren sie aus, ob die
       Warngeräte der Opferhilfe Brandenburg etwas bringen. Wenn man bedroht wird,
       zieht man einen Stock raus und der macht laute Geräusche.
       
       taz: Gerade hat eine Studie gezeigt, dass [7][erstmals seit 2017 wieder
       mehr Menschen den Osten verlassen] – vor allem junge und solche mit
       Migrationsgeschichte. Wie stark ist bei den Jugendlichen in Ihrem
       Jugendclub die Frage, ob sie gehen können oder bleiben wollen?
       
       Clara Mühlheim: Die meisten wollen bleiben. Aber sie merken natürlich, dass
       sich immer mehr Parteien wie die AfD äußern und fordern, dass alle
       abgeschoben werden sollen. Dann sagen sie öfter: Dann gehe ich eben zurück!
       Wenn der Rassismus immer stärker wird, fühlt man sich hier immer unwohler,
       ist doch klar.
       
       taz: Was steht bei der Wahl am 22. September auf dem Spiel?
       
       Clara Mühlheim: Alles, wofür Aktivist*innen und offene Menschen in
       Brandenburg in den letzten Jahrzehnten gekämpft haben. Und alles, was
       staatlich gefördert wird, steht auf dem Spiel: Opferberatungsstellen,
       Jugendclubs – alles, was Brandenburg seit den 1990er Jahren zum Positiven
       verändert hat.
       
       taz: Was gibt Ihnen Hoffnung?
       
       Clara Mühlheim: Hoffnung ist im Moment schwierig. Das Gefühl, in der
       Jugendarbeit wirksam zu sein, gibt mir Kraft. Und die vielen kleinen
       Momente, in denen ich merke, dass ich nicht allein bin. Anfang des Jahres
       haben wir eine Gegendemonstration zum AfD-Parteitag in Jüterbog organisiert
       und waren dann durch die Unterstützung aus den Großstädten 300 statt nur 30
       Leute.
       
       21 Sep 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Landtagswahlen-in-Brandenburg/!6037142
   DIR [2] https://afd-fraktion-brandenburg.de/tag/sjd-die-falken/
   DIR [3] /Antifaschismus-auf-dem-Land/!5997441
   DIR [4] /Antifaschismus-auf-dem-Land/!5997441
   DIR [5] /taz-Panter-Foren-2024/!v=9e1836c2-3dd0-4ec0-9baf-042b9649113d/
   DIR [6] /Wahlkampf-der-AfD-Brandenburg/!6034280
   DIR [7] https://www.mdr.de/nachrichten/deutschland/panorama/abwanderung-ost-west-steigt-gruende-auswirkungen-104.html
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Katrin Gottschalk
       
       ## TAGS
       
   DIR Wahlen in Ostdeutschland 2024
   DIR Landtagswahl Brandenburg
   DIR Schwerpunkt Antifa
   DIR GNS
   DIR Wahlen in Ostdeutschland 2024
   DIR Landtagswahl Brandenburg
   DIR Landtagswahl Brandenburg
   DIR Lesestück Recherche und Reportage
   DIR Wahlen in Ostdeutschland 2024
   DIR Schwerpunkt Stadtland
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR AfD-Erfolg in Brandenburg: Es gibt nichts zu feiern
       
       Mit radikalen Parolen wird die AfD in Brandenburg Zweite und hat eine
       Sperrminorität. Auf die demokratische Zivilgesellschaft kommen raue Zeiten
       zu.
       
   DIR +++ Live-Ticker zur Brandenburg-Wahl +++: „Zerrieben zwischen AfD und SPD“
       
       Merz gibt SPD-Strategie die Schuld für schlechtes Abschneiden der CDU.
       Woidke will mit CDU und BSW sondieren. Polizei prüft Abschiebe-Song bei
       AfD.
       
   DIR Brandenburg-Wahl: Grüne fliegen aus dem Landtag
       
       SPD wird stärkste Kraft vor der AfD. Grüne, Freie Wähler und Linke
       verpassen auch Direktmandate. Im neuen Landtag droht ein Patt. AfD mit
       Sperrminorität.
       
   DIR Grüner Wahlkampf in Brandenburg: Die Antifa heißt hier Alexander
       
       In Thüringen und Sachsen haben die Grünen verloren. Auch in Brandenburg
       drohen sie aus dem Landtag zu fliegen. Jetzt kommt westliche
       Wahlkampfhilfe.
       
   DIR Landtagswahlen in Brandenburg: In Brandenburg ist alles offen
       
       Zieht die SPD von Dietmar Woidke am 22. September an der AfD vorbei? Und
       wer wird Brandenburg regieren? Sogar eine große Koalition scheint möglich.
       
   DIR Antifaschismus auf dem Land: Der Bündnisfall
       
       Die Stärke der AfD in Brandenburg ist eine Herausforderung für
       antifaschistische Gruppen. Und ein Balanceakt: Sie wollen radikal bleiben
       und bürgerliche Partner finden.