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       # taz.de -- Sechs Geiseln aus Gaza tot geborgen: „Direkte Folge“ von Netanjahus Politik
       
       > Israel schließt Donnerstagabend Zugeständnisse für einen Waffenstillstand
       > mit der Hamas aus. Dann finden Soldaten in Gaza kürzlich getötete
       > Geiseln.
       
   IMG Bild: Ein Plakat mit dem Bild ihres Sohnes in den Händen: Das Ehepaar Goldberg-Polin vor dem Fund der Leichen
       
       Jerusalem taz | Bis vor wenigen Tagen sollen sie noch am Leben gewesen
       sein. Mehr noch: Anfang Juli standen die Namen von [1][Hersh Goldberg-Polin
       (23)], Carmel Gat (40) und Eden Yerushalmi (24) laut einem Bericht der
       israelischen Zeitung Yediot Acharonot auf einer Liste von Geiseln, zu deren
       Freilassung sich die Hamas bereit erklärt hatte. In der Nacht auf Sonntag
       bargen israelische Soldaten dann ihre [2][Leichen], zusammen mit denen von
       drei anderen im Oktober Entführten.
       
       Angehörige beschuldigten Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, nicht
       rechtzeitig eine Freilassung erwirkt zu haben: Sein Sicherheitskabinett
       hatte in der Nacht auf Freitag entschieden, bei dem zentralen Streitpunkt
       der Verhandlungen um ein Geiselabkommen mit der Hamas keine Kompromisse zu
       machen.
       
       Er habe „die Geiseln verraten, das steht nun fest“, schrieb das [3][Forum
       der Angehörigen der Entführten] am Samstagabend über den oft Bibi genannten
       Ministerpräsidenten. Ihr Tod sei „eine direkte Folge dessen, dass bisher
       kein Abkommen unterzeichnet wurde“. Für Sonntag wurden Proteste
       angekündigt: „Das Land wird zum Stillstand kommen.“ Oppositionsführer Jair
       Lapid schloss sich der Kritik an: „Netanjahu und sein Kabinett des Todes
       haben entschieden, die Geiseln nicht zu retten.“ Der Gewerkschaftsverbund
       Histadrut kündigt einen Generalstreik an.
       
       Die Geiseln sollen laut der Nachrichtenseite Ynet News am Freitag oder
       Samstag getötet worden sein, laut Autopsie durch Kopfschüsse. Am
       Donnerstagabend hatte die israelische Regierung eine umstrittene
       Entscheidung gegen einen Kompromiss in den Verhandlungen mit der Hamas
       getroffen. Die Mehrzahl der Minister stimmte dabei für die Position
       Netanjahus, das israelische Militär nicht von der Grenze zwischen dem
       Gazastreifen und Ägypten abzuziehen. Verteidigungsminister Joav Gallant
       stimmte dagegen. Die Hamas, aber auch der Vermittler Ägypten, lehnen eine
       israelische Präsenz dort ab.
       
       ## Verteidigungsminister gegen Ministerpräsident
       
       „Das bedeutet, dass die Hamas (einem Abkommen) nicht zustimmen wird“, soll
       laut Medienberichten Gallant in einem Schlagabtausch mit Netanjahu gesagt
       haben. Diese könne auch schlicht entscheiden, „alle Geiseln zu töten“. Der
       ebenfalls anwesende Armeechef Herzi Halevi stimmte Gallant zu: Es gebe
       keinen Grund, den Verhandlungen weitere Hindernisse hinzuzufügen.
       
       In einer Videoansprache nach dem Fund der sechs Toten warf Netanjahu der
       Hamas vor, eine Einigung zu verhindern: „Wer Geiseln ermordet, will kein
       Abkommen.“ Der Fund der Leichen schürt aber weiter Zweifel an dessen
       Mantra, nur ein hartes militärisches Vorgehen könne die noch immer rund 100
       Entführten zurückbringen. Seit Oktober wurden 105 von ihnen in einem Deal
       freigelassen, acht Geiseln konnten israelische Soldaten in
       Spezialoperationen befreien, bei denen jedoch zahlreiche unbeteiligte
       Palästinenser getötet wurden.
       
       Israel steht auch darüber hinaus wegen seiner Kriegsführung in Gaza
       international in der Kritik. Mehr als 40.000 Menschen sind dort laut der
       lokalen Gesundheitsbehörde seit Kriegsbeginn getötet worden. Am Sonntag
       begann die Weltgesundheitsorganisation WHO eine Impfkampagne gegen Polio in
       Gaza. Angesichts der katastrophalen humanitären Lage in dem Küstenstreifen
       waren dort im August erstmals seit 25 Jahren wieder Fälle von Kinderlähmung
       aufgetreten.
       
       Die israelische Regierung hatte angekündigt, [4][für die Impfung von
       insgesamt 650.000 Kindern] mit der WHO vereinbarte Kampfpausen einzuhalten
       – jedoch nur in „ausgewiesenen Gebieten“ für jeweils „wenige Stunden“.
       
       Hinweis: Nachdem Histadrut den Generalstreik tatsächlich ankündigte, haben
       wir die entsprechende Stelle im Text aktualisiert. Außerdem haben wir einen
       Fehler in einem Zitat korrigiert.
       
       1 Sep 2024
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Felix Wellisch
       
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