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       # taz.de -- Abschiebung, Asylpaket, AfD: Alles ziemlich schlimm
       
       > Die Ampel beschließt ein neues Asylpaket, der erste Abschiebeflieger nach
       > Afghanistan seit der Talibanübernahme ist abgehoben und die AfD sammelt
       > Stimmen.
       
   IMG Bild: Immerhin ein Lichtblick: Kinder werden im Rahmen der Polio-Impfkampagne geimpft im Gazastreifen am 01. September
       
       taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht vergangene Woche? 
       
       Friedrich Küppersbusch: Der Rechtspopulismus hat die Wahl gewonnen, bevor
       sie stattfand.
       
       taz: Und was wird in dieser besser? 
       
       Küppersbusch: Der Kater.
       
       taz: Sachsen und Thüringen haben gewählt. Werden Sie die Wahlkampfzeit
       vermissen? 
       
       Küppersbusch: Ja und nein. Das Ja: Es hatte schon etwas von ablaufender
       Uhr, heranrasendem Zug, dräuendem Bruch. [1][Ein Tag, zu dem man uns später
       fragen wird, wie es zu ihm kam]. – Das Nein: Viele Medien, etwa der MDR,
       die Regionalzeitungen suchen einen neuen Ton, neue Offenheit, um ihrer
       Kernaufgabe nachzukommen: Die Gesellschaft miteinander im Gespräch zu
       halten. Darauf werden wir künftig angewiesen sein.
       
       taz: Nach dem mutmaßlich islamistischen Anschlag in Solingen einigt sich
       die Ampel auf ein Migrations- und Asylpaket. Die richtige Konsequenz? 
       
       Küppersbusch: Die Maßnahmen eint, dass sie allesamt nichts mit dem Solinger
       Anschlag zu tun haben. Der nächste Psychohonk holt sich statt Messer
       irgendwas Gruseliges aus dem Baumarkt; das tut er auch, wenn Kinder
       ausgewiesen werden oder Dublin-Flüchtlingen das Bürgergeld gestrichen wird.
       Vor Solingen lag Behördenversagen, der Mann hätte abgeschoben gehört. Das
       kommt im Maßnahmenpaket nicht vor. In Siegen stach eine 36-jährige Deutsche
       am Samstag mit einem Messer im Bus zum Stadtfest auf sechs Menschen ein;
       freuen wir uns auf das nächste Maßnahmenpaket.
       
       taz: [2][Am Freitag startete der erste Abschiebeflug nach Afghanistan] seit
       der Taliban-Machtübernahme. Kooperiert hier die Bundesregierung mit der
       islamistischen Taliban? 
       
       Küppersbusch: „Caesar, im Volk dräut Unmut!“ – „Nun, dann schickt ein paar
       Christen in die Arena zu den Löwen.“ Gelebte Ökumene: Das geht jetzt auch
       mit Moslems. Die Bilder Verzweifelter, die sich beim Abzug aus Kabul an
       startende Flugzeuge klammerten und diesen Tod jedem Verbleib in Afghanistan
       vorzogen, brannten sich ein. Aktuell warnt das deutsche Außenministerium
       vor Reisen nach Afghanistan und empfiehlt beim Zuwiderhandeln, vorher ein
       Testament zu machen und Sorgerechtsfragen für Kinder zu klären. Die
       Ministerin beschwor noch vor zwei Wochen einen „Konsens der
       Staatengemeinschaft – keine Rückkehr“ des Landes „in die internationale
       Gemeinschaft.“ Von geplant 33 Abzuschiebenden wurden tatsächlich 28
       ausgeflogen; in einzelnen Fällen soll sich die jeweilige Staatsanwaltschaft
       quergestellt haben: Rechtsstaat statt Circus Maximus.
       
       taz: Hamas und Israel haben Feuerpausen zugestimmt, um 640.000 Kinder im
       Gazastreifen gegen Polio zu impfen. Grund zu Hoffnung? 
       
       Küppersbusch: Dass der Hamas das Leben der Kinder wichtig wäre, ist nicht
       mal ein Witz. Dass Israel sich um sie sorgt, kann man an seiner
       Kriegführung in Gaza nicht ablesen. Wenn sich beide nun auf eine Geste
       einigen lassen, ist das gut und zeigt, dass zum Verhandeln Mut gehört.
       
       taz: Der Suchtbeauftragte Blienert ist dafür, Alkohol erst ab 18 zu
       erlauben. Eine gute Idee? 
       
       Küppersbusch: Für Cannabis wurde Jahrzehnte argumentiert, es sei nicht
       schlimmer als Alkohol. Und fordere jedenfalls keine 62.000 Toten per anno,
       wie eben der Suff. Nachdem nun Cannabis Volljährigen zugänglich wird, ist
       es nur logisch, U18 vor beidem ähnlich zu schützen. Daraus werden
       Populisten im Hirnumdrehen machen „Kinder sollen mehr kiffen als saufen“,
       und deshalb trinke ich erst mal einen Schnaps, bevor ich das schreibe.
       
       taz: [3][Kamala Harris hat ihr erstes TV-Interview seit ihrer Nominierung
       gegeben]. Wie hat sie sich geschlagen? 
       
       Küppersbusch: Als CNN-Moderatorin Dana Bush, Luftlinie zwei Meter gegenüber
       Harris, sie fragte, welche Hautfarbe sie habe, lachte Harris das Ansinnen
       einfach weg. Erster Beisitzer Tim Walz zeigte, dass er 29 Minuten am Stück
       grimmig entschlossen gucken kann. Dann bekam er eine Frage zu der
       künstlichen Befruchtung bei der Zeugung seiner Kinder. Man kann CNN nicht
       vorwerfen, Trump-Fans vergrault zu haben. Harris sprach detailliert, wenig
       plakativ, scholzte ein bisschen Richtung sozialere Politik und deutete so
       an: Der große Gegenentwurf zu Trump könnte sein: vor allem kein großer
       Gegenentwurf; kein Populismus.
       
       taz: Laut Statistischem Bundesamt muss die Hälfte der Studierenden mit
       eigener Haushaltsführung mit weniger als 867 Euro pro Monat auskommen.
       Reicht das? 
       
       Küppersbusch: Klar, jedenfalls um auch weiterhin bildungsferne Milieus von
       Bildung fernzuhalten. Wichtigste Einkommensquelle der Studierenden seien
       Zuschüsse der Eltern, sagt die Studie. Die sollte man sich gut aussuchen.
       
       taz: Und was macht der RWE? 
       
       Küppersbusch: Kauft einen Schalker Flügelspieler. Er kann ja nichts dafür.
       
       Fragen: Mengna Tan 
       
       Friedrich Küppersbusch ist Journalist, Produzent und hat das Studium
       abgebrochen.
       
       1 Sep 2024
       
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