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       # taz.de -- Femizide in Berlin: Fußfesseln gegen das Patriarchat
       
       > Nach zwei Femiziden in der vergangenen Woche plädiert die
       > Justizsenatorin für Fußfesseln. Opposition und Polizei sind skeptisch.
       
   IMG Bild: In Berlin gab es in diesem Jahr bereits 11 Femizide, es wird eine hohe Dunkelziffer vermutet
       
       Berlin taz | Elf Frauen wurden in diesem Jahr in Berlin bereits
       [1][ermordet, weil sie Frauen sind]. In der vergangenen Woche kam es erneut
       zu zwei Femiziden in Zehlendorf und Friedrichsfelde, ein weiterer
       Messerangriff eines Mannes auf eine Frau in Reinickendorf konnte gerade
       noch abgewendet werden.
       
       Justizsenatorin Felor Badenberg äußerte sich noch am Samstag zu den
       Gewalttaten: „Wir müssen endlich etwas gegen diese brutalen Morde von
       Männern an Frauen tun“, sagte die CDU-Politikerin. Sie forderte strenge
       Schutzmaßnahmen und sprach sich für den Einsatz elektronischer Fußfesseln
       bei Männern aus, gegen die wegen häuslicher Gewalt eine Anzeige vorliegt.
       Kurzfristig angeordnete Kontaktverbote, welche die Polizei bislang gegen
       Täter verhängen kann, wirkten häufig nicht.
       
       „Wir erleben nicht selten, dass sich gewalttätige Männer trotz
       Kontaktverbot Frauen nähern“, bestätigte der Sprecher der Gewerkschaft der
       Polizei (GdP), Benjamin Jendro, am Montag gegenüber der taz. Selbst wenn
       Männer trotz eines bestehenden Kontaktverbots wiederholt gegen die Auflagen
       verstoßen, dauere es oft zu lange, bis Gerichte entschlossen handeln, so
       Jendro.
       
       Fußfesseln sollen es ermöglichen, die Frauen rechtzeitig zu warnen, wenn
       der Gefährder den vorgegebenen Abstand nicht einhält. Derzeit prüfe die
       Justizverwaltung, was auf Landes- und Bundesebene möglich ist, sagte eine
       Sprecherin der taz. [2][Bislang ist der Umgang mit Fußfesseln weitgehend
       Ländersache]. Badenberg appellierte an Bundesjustizminister Marco Buschmann
       (FDP), das Gewaltschutzgesetz entsprechend zu novellieren. Hessen startete
       dazu bereits eine Bundesratsinitiative.
       
       ## Polizei und Grüne sehen Fußfesseln skeptisch
       
       „Es ist gut, dass die Senatorin sich dem Thema annehmen möchte“, sagt die
       frauenpolitische Sprecherin der Grünen, Bahar Haghanipour. Das Konzept sei
       jedoch nicht ausgereift. „Es geht darum, die Betroffene zu schützen“, sagt
       sie. Sie zweifle daran, dass das durch Fußfesseln gelingt, und wertet den
       Vorschlag Badenbergs als eine „Ablenkungsdebatte von den eigentlichen
       Problemen“.
       
       Auch bei der Polizeigewerkschaft GdP wird der Vorschlag kritisch
       betrachtet. Rechtlich sei es bereits möglich, Fußfesseln bei Gewalt- und
       Sexualstraftätern als Auflage nach Absitzen einer Haftstrafe zu erteilen.
       In der Umsetzung ordneten Richter*innen dies jedoch selten an.
       „Fußfesseln sind ein massiver Eingriff in die Persönlichkeitsrechte eines
       Menschen“, sagt Jendro. Hinzu kämen die „durchaus sperrigen Abläufe“. Die
       Signale, durch die Frauen gewarnt werden, werden zentral in Hessen erfasst,
       die dortige Direktion müsse das dann erst an die Berliner Kolleg*innen
       weitergeben. Einen Mann mit Tötungsabsichten würde eine Fußfessel eher
       nicht aufhalten, glaubt Jendro.
       
       Zu den Femiziden in Berlin äußerte sich auch Bundesfamilienministerin Lisa
       Paus (Grüne) und verwies auf das Gewalthilfegesetz, das sie derzeit
       erarbeite. Es soll allen Betroffenen Anspruch auf Hilfe einräumen und für
       mehr Prävention sowie Schutzplätze sorgen, an denen es auch in Berlin
       dramatisch mangelt. Derzeit gibt es in Berlin nur 462 Plätze. Laut der
       Istanbul-Konvention, die die Bundesregierung 2017 ratifiziert hat, müssten
       es eigentlich knapp 1.000 sein.
       
       Bahar Haghanipour drängt daher auf die Realisierung des Landesaktionsplans
       zur Umsetzung der Istanbul-Konvention, den der Senat im Oktober vergangenen
       Jahres verabschiedet hat und der den Ausbau von Frauenschutzplätzen
       vorsieht: „Schwarz-Rot soll sein Haushaltschaos beenden und das Geld für
       den Gewaltschutz ausgeben, als es versanden zu lassen.“
       
       ## Frauenprojekte von Haushaltskürzungen betroffen
       
       Zudem hatte der Senat bereits 2022 ein umfangreiches Maßnahmenpaket zur
       Verhinderung von Femiziden beschlossen. Im Doppelhaushalt 2023/24 waren
       darüber hinaus 24 Millionen Euro – und damit 9 Millionen Euro mehr als
       zuvor – für den Bereich Antidiskriminierung zugesagt. „Ein Teil kann wegen
       der Haushaltskürzungen ohnehin nicht ausgegeben werden, der Rest wurde noch
       immer nicht ausgegeben, obwohl es bereits September ist“, kritisierte
       Haghanipour.
       
       Letztlich brauche es auch mehr Präventionsangebote sowie verpflichtende
       sogenannte Täterkurse, fordert Nua Ursprung von der Berliner Initiative
       gegen Gewalt (BiG). [3][Deren Hotline hat in den Monaten Mai, Juni und Juli
       die höchsten Anrufzahlen] seit vor der Coronapandemie verzeichnet. Die BiG
       konnte Kürzungen für ein Präventionsprojekt in Grundschulen, gefördert von
       der Bildungsverwaltung, nur gerade so abwehren. Vielen anderen Orten und
       Programmen für Frauen ist das nicht gelungen, darunter die Mädchen- und
       Frauenzentren „Frieda“ und „Phantalisa“ in Friedrichshain-Kreuzberg.
       
       2 Sep 2024
       
       ## LINKS
       
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