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       # taz.de -- Justiz prüft Cannabis-Strafen: Die Strengsten müssen ackern
       
       > Die Cannabislegalisierung führe zu Überlastung, beklagt der Richterbund,
       > denn Strafen müssten neu geprüft werden. Bayern hat besonders viel zu
       > tun.
       
   IMG Bild: Beschlagnahmte Hanfpflanzen: Justiz prüft Cannabis-Strafen
       
       Berlin taz | Seit dem 1. April ist der Konsum und Besitz von Cannabis in
       Deutschland in Grenzen erlaubt. Mit dem neuen Cannabisgesetz müssen auch
       Strafen für Taten erlassen werden, die inzwischen legal sind. Wer zum
       Beispiel für den Besitz von weniger als 25 Gramm Cannabis im Gefängnis
       sitzt, muss freigelassen werden.
       
       [1][Am Donnerstag verkündete Sven Rebehn, Geschäftsführer des Deutschen
       Richterbunds, in der Augsburger Allgemeinen,] dass die Justiz 279.000
       solcher Altfälle prüfe und damit überlastet sei. Stärker noch als man
       ursprünglich erwartet habe. Es ist nicht das erste Mal, dass der Deutsche
       Richterbund eine erhöhte Arbeitsbelastung durch die Cannabislegalisierung
       anprangert.
       
       Noch vor Verabschiedung des Gesetzes erklärte der Verband, die
       Legalisierung sei „überstürzt“. Teilweise wurde mit überhöhten Zahlen
       argumentiert: [2][Das CDU-geführte hessische Justizministerium verkündete
       im März, dass allein in Hessen 190.000 Fälle neu geprüft werden müssten.]
       Später stellte das Ministerium klar, dass dies die Gesamtzahl aller
       laufenden Strafvollstreckungen sei, also auch Fälle, bei denen Cannabis
       keine Rolle spielte. Inzwischen spricht man in Hessen von 34.000 zu
       prüfenden Fällen.
       
       Insgesamt ist der Arbeitsaufwand in den Bundesländern unterschiedlich. In
       Nordrhein-Westfalen, bevölkerungsreichstes Land, fallen rund 81.000 Fälle
       an, in Bayern muss die Justiz 41.500 Fälle prüfen. Mit dem Inkrafttreten
       des Gesetzes am 1. April mussten dort 24 Menschen aus der Haft entlassen
       werden, weil die Taten, wegen derer sie verurteilt wurden, mittlerweile
       legal sind. Weitere 9 wurden bis zum 15. Juni entlassen, weil die gegen sie
       erlassene Strafe verringert wurde. Jetzt geht es nur noch um sogenannte
       Mischverfahren, in denen ein Cannabisdelikt nur einen Teil der verhängten
       Strafe ausmacht. Von den 6.200 Mischverfahren sind laut bayerischem
       Justizministerium 3.500 abgeschlossen.
       
       ## Strafverfolgung betrifft nicht alle gleichermaßen
       
       Der unterschiedliche Aufwand in den Bundesländern ergibt sich dabei nicht
       nur aus der Bevölkerungszahl. In der Vergangenheit gingen die
       Strafverfolgungsbehörden der Länder unterschiedlich mit Cannabisdelikten
       um. In Bayern, wo der Cannabisbesitz und -konsum besonders rigoros verfolgt
       wurde, mussten nun pro 100.000 Einwohner rund 320 Verfahren geprüft werden.
       Das ist etwa ein Drittel mehr als in Niedersachsen, Sachsen-Anhalt,
       Baden-Württemberg oder Hamburg.
       
       Auch aus anderen Gründen betrifft die Strafverfolgung wegen Cannabis nicht
       alle gleichermaßen: [3][Ak][4][tivist*innen weisen immer wieder darauf
       hin,] dass vor allem Menschen wegen Cannabisdelikten verurteilt wurden, die
       einen ungeklärten Aufenthaltsstatus haben oder von Rassismus betroffen
       sind.
       
       Stephanie Dehne, Pressesprecherin der Bremer Justizsenatorin, sagte zur
       taz: „Wir haben hier in der Großstadt eine andere Kultur, was den Umgang
       mit Cannabis angeht.“ Dadurch wurden in der Vergangenheit weniger Menschen
       wegen Cannabisdelikten verklagt. Noch bevor die Legalisierung in Kraft
       getreten war, hatte Bremen in 532 Fällen geprüft, ob Verurteilte nach neuem
       Recht früher aus dem Gefängnis entlassen würden, das kam hier jedoch nicht
       vor. Nun prüft die Bremer Justiz noch etwa 50 Fälle, in denen ein
       Cannabisdelikt Teil einer Gesamtstrafe ist, auch dieser Vorgang ist fast
       abgeschlossen.
       
       5 Sep 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.augsburger-allgemeine.de/politik/gerichte-muessen-nach-cannabis-legalisierung-massenhaft-altfaelle-pruefen-103018227
   DIR [2] https://www.zdf.de/nachrichten/politik/deutschland/cannabis-teil-legalisierung-amnestie-justiz-belastung-100.html
   DIR [3] /Aktivistin-ueber-Cannabis-Legalisierung/!5987739
   DIR [4] /Aktivistin-ueber-Cannabis-Legalisierung/!5987739
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Luisa Faust
       
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