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       # taz.de -- Verhandlungen im Gazakrieg: Die USA brauchen jetzt ein Ende
       
       > Israel und die Hamas versuchen in den Verhandlungen weiterhin, ihre
       > Kriegsziele zu erreichen. Doch Washington und Teheran haben ein Interesse
       > an Deeskalation.
       
   IMG Bild: Israels Ministerpräsident Netanjahu besucht seine Truppen an Gazas Grenze zu Ägypten in Rafah, 18. Juli. Er will, dass sie dort permanent bleiben. Ägypten lehnt das ab
       
       taz | Kairo Was im Krieg im Gazastreifen nicht erreicht wurde, versuchen
       beide Seiten nun mit den Verhandlungen über einen Waffenstillstand zu
       erreichen. Israels Premier Benjamin Netanjahu will sich die Option
       offenhalten, die israelische Offensive zu einem späteren Zeitpunkt
       weiterzuführen. Er spricht immer noch von dem Kriegsziel, die Hamas zu
       eliminieren. Um das zu erreichen, will er, dass die israelische Armee auch
       nach einem Waffenstand in Teilen des Gazastreifens stationiert bleibt.
       
       Die Hamas will das Gegenteil. Sie fordert Garantien, dass die israelische
       Offensive im Gazastreifen permanent beendet wird und sich die israelische
       Armee vollständig zurückzieht.
       
       Weder Israel noch die Hamas haben ihre Ziele bisher mit militärischen
       Mitteln erreichen können. Jetzt soll es also am Verhandlungstisch klappen.
       Die [1][Hamas hat die israelischen Geiseln] und glaubt, dass Netanjahus
       Kriegsziel eine Illusion ist. Mit dem neuesten Anschlagsversuch in Tel Aviv
       hat sie auch die Botschaft ausgesandt, dass sie eine weitere schmerzhafte
       Front eröffnen könnte.
       
       ## Israel stimmte dem US-Vorschlag zu
       
       Netanjahu dagegen hat die vollkommene militärische Übermacht in diesem
       asymmetrischen Krieg und kann den Gazastreifen noch weiter in Schutt und
       Asche legen – nicht nur in der Hoffnung, die Hamas zu einem Deal in seinem
       Sinne zu zwingen, sondern auch, um sich bis zu einer möglichen
       Präsidentschaft Donald Trumps in den USA über die Zeit zu retten.
       
       Dieses große Ganze spiegelt sich auch in den Verhandlungsdetails wider,
       etwa im [2][„Brückendeal“, den US-Außenminister Antony Blinken] nach Nahost
       mitgebracht hat. Nach einem dreistündigen Gespräch mit Netanjahu in Israel
       segnete dieser am späten Montag den neuen Vorschlag öffentlich ab, weil
       dort die israelischen Sicherheitsaspekte besser berücksichtigt seien. Die
       Hamas gibt sich dagegen verärgert.
       
       Sie habe bereits im Juli dem damaligen US-Plan zugestimmt, heißt es von
       ihrer Seite. Darin war ausgemacht, dass zunächst israelische Geiseln und
       palästinensische Gefangene ausgetauscht werden, begleitet von einer
       sechswöchigen Feuerpause, die dann in einer zweiten Phase in einen
       permanenten Waffenstillstand und israelischen Rückzug münden sollte.
       
       ## USA stehen unter Druck
       
       Laut dem neuen Vorschlag soll nun die israelische Armee im sogenannten
       Nezarim-Korridor stationiert bleiben, der den Gazastreifen in einen
       nördlichen und südlichen Teil teilt, außerdem an der Grenze zwischen dem
       Gazastreifen und Ägypten und dem dortigen Grenzübergang Rafah. Der
       Gazastreifen bliebe damit teilweise besetzt – und vollkommen von der
       israelischen Armee umzingelt.
       
       Dagegen verwahrt sich nicht nur die Hamas, sondern auch Ägypten, das darin
       eine Verletzung des Friedensvertrages mit Israel von 1979 sieht. Ägyptens
       Präsident Abdelfattah al-Sisi, der am Dienstag Blinken empfing, warnte vor
       einer regionalen Ausweitung des Konflikts und riet, „sich auf Weisheit zu
       besinnen“.
       
       Blinken und Netanjahu sagen beide, dass nun der Ball bei der Hamas liege.
       Aber die beschwert sich, dass Netanjahu immer neue Bedingungen stelle und
       das von den USA schöngeredet werde. Blinken spricht unverdrossen von der
       bisher besten und zugleich letzten Chance. In Wirklichkeit geben die USA
       den Druck weiter, unter dem sie selbst stehen. Und genau das ist das Neue
       an dieser Verhandlungsrunde. Die USA plädieren nun, ganz anders als bisher,
       für eine sofortige Waffenruhe.
       
       ## Weder Hisbollah, Iran noch die USA wollen eine Eskalation
       
       Das hat mehrere Gründe, und dazu gehört nicht etwa die Sorge um die
       palästinensischen Zivilisten im Gazastreifen. Zum einen fürchten die USA
       nach der Tötung des Hamas-Chefs Ismail Hanijeh in Teheran und des
       Hisbollah-Kommandeurs Fuad Schukri in Beirut einen Gegenschlag Irans, der
       Hisbollah im Libanon und der Huthi-Rebellen im Jemen auf Israel. Das
       zusammen mit der dann möglichen militärischen israelischen Antwort wäre
       eine Eskalation, die total außer Kontrolle geraten könnte.
       
       Die USA könnten mit ihrem Flottenaufgebot im östlichen Mittelmeer zum
       Schutze Israels direkt mit hineingezogen werden. Das kann Kamala Harris,
       die Präsidentschaftskandidatin der US-Demokraten, in ihrem Wahlkampf
       politisch überhaupt nicht gebrauchen, ganz abgesehen von den militärischen
       Folgen.
       
       All das setzt Washington enorm unter Druck. Zwischen den USA, dem Iran und
       der Hisbollah gibt es somit, trotz aller grundsätzlichen Differenzen, eine
       gemeinsame Analyse: Keiner von ihnen möchte einen großen Krieg, und der
       Schlüssel zur Deeskalation liegt in einem Ende der israelischen Offensive
       im Gazastreifen.
       
       ## Zugeständnisse auf beiden Seiten sind nötig
       
       Das ist wohl auch der Grund, warum es bisher keinen iranischen
       Militärschlag gegeben hat. Falls die Gazaverhandlungen zu einem
       erfolgreichen Ende gebracht werden, werden der Iran, die Hisbollah und die
       Houthis für sich in Anspruch nehmen, dass ihre Drohungen den nötigen Druck
       aufgebaut haben, damit die USA die Notbremse ziehen. Falls nicht, können
       sie immer noch zu einem späteren Zeitpunkt militärisch antworten.
       
       US-Präsident Joe Biden hat in seiner [3][Rede zum Parteitag der Demokraten]
       versprochen, dass er in seiner Amtszeit einen Gaza-Deal zustande bringen
       werde. Dafür braucht er aber zwei Seiten: Israel und eben auch die Hamas.
       
       Es bleibt eine unerschütterliche Tatsache, egal wer wie zu diesem Konflikt
       steht: Israel wird seine Geiseln nicht ohne einen Preis zurückbekommen.
       Genauso, wie sich die israelische Armee nicht kostenlos aus dem
       Gazastreifen zurückziehen wird. Irgendwo dazwischen wird sich entscheiden,
       ob die Verhandlungen scheitern werden oder nicht.
       
       20 Aug 2024
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Karim El-Gawhary
       
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