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       # taz.de -- Krieg zwischen Hisbollah und Israel: Propaganda aus dem Hisbollah-Tunnel
       
       > Die Schiiten-Miliz im Libanon veröffentlicht ein Video, das ihr
       > Tunnelnetzwerk zeigen soll. Dass auch Lastwagen dort hineinpassen, lässt
       > aufmerken.
       
   IMG Bild: Auf Märtyrerplakaten in Beirut präsent: Kassem Soleimani (Mitte), von den USA getöteter Anführer in Irans Revolutionsgarden
       
       Berlin taz | Beinahe wie der Trailer zu einem Actionfilm wirkt ein neues
       Propagandavideo der Hisbollah: Es ist ästhetisch-dunkel ausgeleuchtet,
       spielt mit Tiefenschärfe und Kameraführung. Auch die Handlung könnte ein
       Film sein: Zwei Männer in Tarnkleidung rasen auf einem Motorrad durch einen
       Tunnel, dann auch ein Lastwagen.
       
       Der Tunnel bleibt der Fokus des viereinhalbminütigen Videos, die Kamera
       bewegt sich in kurz geschnittenen Sequenzen durch ihn hindurch. Und
       schließlich öffnet sich am Ende des Tunnels ein Tor an der Decke, und die
       Bedeutung wird endlich klar: Es handelt sich um eine Art Raketensilo, und
       auf der Ladefläche des Lastwagens, der sich unter dem Tor in Position
       gebracht hat, befindet sich wohl ein Raketenwerfer.
       
       Doch statt eines Hinweises, wann genau der Film bald im Kino zu sehen sei,
       erscheint am Ende in weißer Schrift „So wartet auf den Tag, an dem aus dem
       Himmel die große Zerstörung erfolgt“.
       
       Mit spannungsgeladener Musik im Hintergrund ist im Video eine Rede von
       [1][Hisbollah-Anführer Hassan Nasrallah] zu hören. Die österreichische
       Nachrichtenagentur APA schreibt, sie stamme aus dem Jahr 2018. In seiner
       Ansprache betont Nasrallah: Die Hisbollah besitze „Präzisions- und
       Nicht-Präzisionsraketen und Waffenfähigkeiten“, die Israel „mit einem
       Schicksal und einer Realität konfrontieren werden, die es sich nicht
       ausmalen kann“.
       
       ## Die Hisbollah hat ihr Raketenarsenal ausgebaut
       
       Dass die [2][Hisbollah über Zehntausende – wenn nicht sogar über 100.000 –
       Raketen] verfügt, ist bekannt. Seit dem letzten Krieg gegen Israel im Jahr
       2006 hat die Organisation ihr Arsenal deutlich vergrößert und qualitativ
       verbessert. Auch dass die Hisbollah über ein [3][Tunnelsystem verfügt – wie
       auch die Hamas in Gaza es tat] – ist hinreichend dokumentiert. Über
       Hunderte Kilometer erstrecke sich das Netzwerk, berichtete der öffentliche
       Rundfunk Israels etwa im Jahr 2021. Das israelische Militär hatte außerdem
       immer wieder Tunnel der Hisbollah, die bis auf israelisches Gebiet
       reichten, zerstört.
       
       Das Online-Medium The Times of Israel zitierte Anfang des Jahres einen
       Experten des [4][Alma Centers] dazu, wie extensiv das Tunnelnetzwerk der
       Hisbollah sei. Das Alma Center ist in Nordisrael ansässig und beschäftigt
       sich intensiv mit den Fähigkeiten und Plänen der Hisbollah. So soll die
       Schiiten-Miliz im Südlibanon über mehrere strategische
       „Verteidigungs-Zentren“ verfügen, die wiederum an ein Netzwerk von
       Untergrund-Tunneln angeschlossen sind, das sie miteinander verbindet.
       
       Das Alma Center verfügt außerdem laut eigener Aussage über ein älteres
       Video, das einen Pick-up-Truck in den Tunneln zeigt. Man habe die Aufnahme
       bisher nicht veröffentlicht, weil man sich nicht sicher gewesen sei, ob der
       gezeigte Tunnel sich tatsächlich im Libanon befindet. Doch mittlerweile sei
       man „sehr sicher“, dass das Video im Libanon – und nicht etwa im Iran, wo
       massive Tunnel mit Sicherheit dokumentiert sind – aufgenommen wurde.
       
       ## Abschussstellen im Untergrund erschweren die Ortung
       
       Die Größe der Tunnel und das sich nach oben öffnende Tor lassen – trotz
       dass die Tunnelsysteme und das Waffenarsenal der Hisbollah bekannt sind –
       aufmerken. Denn das gezeigte Tor bringt der Hisbollah einen nennenswerten
       taktischen Vorteil: Es erlaubt ihr, verschiedene Arten von Raketen im
       Untergrund zu bewegen und sie von dort aus abzufeuern. Das macht es
       schwieriger für das israelische Militär, diese zu lokalisieren. Nach
       Angaben von Verteidigungsexperten sind die Tunnel meist so konstruiert,
       dass sie auch der Bombardierung eines Teilabschnitts – etwa an der
       Abschussstelle – standhalten.
       
       Besorgniserregend seien weniger die im Video gezeigten normalen
       Raketenwerfer, so das Branchenmedium The War Zone. Sondern, dass die
       Hisbollah die Tunnel auch verwenden könnte, um sogenannte
       [5][Fateh-110-Raketen] abzuschießen. Die Rakete gilt als zielgenau und kann
       mit einer GPS-assistierten Steuerung ausgestattet sein. Damit seien der
       Hisbollah auch sehr präzise Luftschläge in Israel möglich.
       
       Raketen desselben Typs wurden laut The War Zone auch bei einem Angriff auf
       eine US-Militärbasis im Irak im Jahr 2022 eingesetzt. Der Angriff damals
       gilt als Vergeltungsschlag für die vorherige [6][Tötung des Kommandeurs der
       Al-Quds-Einheit der iranischen Revolutionsgarden, Kassem Soleimani], durch
       die USA.
       
       Laut The War Zone sind die Fateh-110-Raketen durch ihre wuchtige Form gut
       zu erkennen und dadurch schwer in offenem Gelände zu verstecken. Sollte die
       Hisbollah sie nun tatsächlich aus einem Tunnel abfeuern können, wären sie
       für Israel schwieriger zu orten und zu eliminieren.
       
       ## Kritik an den Prioritäten der Hisbollah
       
       Die Fähigkeit der Hisbollah, nun auch große Geschütze aus dem Untergrund
       heraus abschießen zu können, schlussfolgert The War Zone, sei wohl neu. Und
       gibt ebenso zu bedenken: Dass sich die Tunnel tatsächlich im Libanon
       befinden, wie in dem von der Hisbollah veröffentlichten Propagandavideo
       angegeben, könne nicht bestätigt werden. Es sei möglich, dass sie sich
       tatsächlich im Iran befinden. Darauf verwies auch der israelische
       Nachrichtendienst.
       
       Außer Debatten über seine Tunnel-Kapazitäten anzuheizen, hatte das
       Propagandavideo einen weiteren Effekt: Online kritisieren Nutzer in den
       Sozialen Netzwerken nach Medienberichten das Video – und fragen, wieso die
       Hisbollah Kapazitäten für den Bau solcher Tunnelanlagen habe, aber nicht in
       der Lage sei, die von ihr kontrollierten Gebiete mit [7][Strom und Wasser
       zu versorgen.]
       
       20 Aug 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Hisbollah-Chef-zu-Nahost/!6028753
   DIR [2] https://missilethreat.csis.org/country/hezbollahs-rocket-arsenal/
   DIR [3] /Tunnel-unter-Gaza/!5970956
   DIR [4] https://israel-alma.org/
   DIR [5] https://missilethreat.csis.org/missile/fateh-110/
   DIR [6] /Attentate-auf-Hamas-Fuehrer/!6024899
   DIR [7] https://www.deutschlandfunk.de/letztes-kraftwerk-im-libanon-abgeschaltet-100.html
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Lisa Schneider
       
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