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       # taz.de -- Soziales Engagement auf dem Land: „Irgendjemand muss es ja machen“
       
       > Ehrenamt in ländlichen Regionen ist anders als in den großen Städten.
       > Unser Autor war zu Besuch bei einer Wärmestube in Halberstadt in
       > Sachsen-Anhalt.
       
   IMG Bild: Gruppenfoto: Das Helfer:innen-Team der Wärmestube Halberstadt vor dem Franziskanerkloster
       
       Halberstadt taz | Nach Halberstadt in Sachsen-Anhalt kommen viele
       Touristen, denn der Ort liegt unweit der beliebten Urlaubsregion, dem Harz.
       Als ich an einem Dienstagmorgen um acht Uhr ankomme, stehen schon ein
       Dutzend Menschen vor einem kleinen Gebäude neben dem Halberstädter
       Franziskanerkloster in einer Schlange. Sie sind nicht zum Urlaub hier,
       sondern warten auf eine warme Mahlzeit und ein nettes Gespräch in der
       Wärmestube der Caritas.
       
       „Hier kommen viele Menschen hin, nicht nur Rentner und Arbeitslose“,
       erzählt die stellvertretende Leiterin Antje Schmidt, und führt fort: „Seit
       1996 erhalten hier Bedürftige eine warme Mahlzeit, von einem kleinen Team
       aus hauptamtlichen Kräften, 1-Euro-Jobbern und ehrenamtlichen Helfern.“
       Neben einem Mittagessen können sich bedürftige Menschen waschen und
       Kleidung aus der Kleiderkammer nehmen.
       
       Im Innenraum wird bei Kaffee und Mettbrötchen getratscht und die Sorgen
       werden ausgetauscht. Bei den Themen, die besprochen werden, wird mir klar,
       wie weit es hier über meine alltäglichen Sorgen hinausgeht.
       
       [1][Ein präsentes Thema ist die Ukrainekrise]. Die Anzahl an ukrainischen
       Besucher:innen sei doppelt so hoch wie die der Deutschen, wird am Tisch
       erzählt. Zudem wird sich über die fehlende Präsenz und Unterstützung
       seitens der Politik beschwert.
       
       Ähnliche Dinge höre ich auch von meinem Vater. Er hat auch in der
       Wärmestube gearbeitet, aufgrund des Stresses wegen der steigenden Anzahl an
       Besucher:innen musste er sein Engagement hier aber aufgeben.
       
       ## Abgehängt
       
       Die Lebensmittel für die Essensausgabe kommen aus umliegenden Supermärkten
       und werden mit einem Transporter abgeholt. Ich darf die beiden Fahrer
       begleiten. „Unsere Politiker aus Berlin kommen einmal im Jahr, aber extra
       an Tagen, wo nicht so viel los ist. Dann wird ein Foto gemacht und das
       war’s“, berichtet einer der beiden während der Tour.
       
       Zurück in der Wärmestube füllt sich der Saal zum Mittagessen, geschäftig
       werden Teller ausgegeben. Antje Schmidt gibt noch schnell die letzten
       Anweisungen für das morgige Sommerfest und verabschiedet sich dann: „Ich
       gehe jetzt zu meinem Ehrenamt, Seniorennachmittage organisieren.
       Irgendjemand muss das ja machen.“
       
       Die restlichen Helfer:innen stehen zum Feierabend noch draußen und
       unterhalten sich. Auf meine Frage, was sie sich wünschen würden, werden
       „Dankbarkeit“ und „Zuhören“ in die Runde geworfen und von allen abgenickt.
       Cindy, eine der Helferinnen, verabschiedet sich auch, sie müsse jetzt noch
       putzen gehen. „Ohne Zweitjob reicht es halt nicht. Aber das verstehen die
       da oben sowieso nicht“, seufzt sie schulterzuckend.
       
       Der Tag endet mit der Fahrt zum Bahnhof durch einen der Mitarbeiter. „Ich
       wünsche dir einen schönen freien Tag morgen“, sage ich zum Abschied. „Ach,
       weißt du, ich schau trotzdem vorbei. Die Besucher brauchen uns ja“,
       antwortet er mit einem freundlichen Lächeln.
       
       Daniel (25), hat den Osten im Herzen. Geboren im sachsen-anhaltischen Harz,
       lebt er in Magdeburg und erkundet mit dem Rad alles von Rennsteig bis
       Rügen. Ganz nebenbei setzt er sich mit zahlreichen Ehrenämtern für die
       junge Generation der neuen Bundesländer ein. Als Teil des Teams des N5
       Symposiums schuf er eine Plattforum für junges Engagement im Osten, die im
       vergangenen Jahr 400 Gäste auf die Jugendkonferenz nach Erfurt lockte. Auf
       den Aufruf der taz Panter Stiftung auf der Suche nach jungen
       Nachwuchsautor*innen aus Sachsen, Thüringen und Brandenburg für
       Sonderbeilagen vor den Landtagswahlen reagierte Daniel sofort – ja, er ist
       eigentlich in Sachsen-Anhalt nicht in Thüringen, richtig. Ihm war es jedoch
       wichtig, über die Parallele zwischen Zivilgesellschaft auf dem Land in
       Thüringen und Sachsen-Anhalt zu schreiben.
       
       24 Aug 2024
       
       ## LINKS
       
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