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       # taz.de -- Garnisonkirche in Potsdam: Chronik des Wiederaufbaus
       
       > Auf Initiative eines Rechtsradikalen ist der Turm der Garnisonkirche
       > wiederaufgebaut worden. Gelder dafür kamen vor allem vom Bund.
       
   IMG Bild: Der wiedererrichtete Turm der umstrittenen Garnisonkirche in Potsdam
       
       Sie stand schon eine ganze Weile, die Garnisonkirche von Potsdam, 1730 im
       Auftrag des preußischen Soldatenkönigs Friedrich Wilhelms I. erbaut, als
       sich auf ihrem Vorplatz zwei Männer die Hände reichten und damit die
       Geschichte Deutschlands nachhaltig veränderten. Adolf Hitler und Paul von
       Hindenburg besiegelten am 21. März 1933, dem „Tag von Potsdam“, die
       Machtübernahme der Nationalsozialisten.
       
       Das Foto, aufgenommen vor der Garnisonkirche, in dem der feierliche
       Staatsakt stattfand, ging um die Welt. Und erklärt, warum
       Kritiker:innen des Wiederaufbaus in der Kirche ein Symbol für
       Rechtsradikalismus und preußischen Militarismus sehen.
       
       Ihr Ende fanden Garnisonkirche wie Nationalsozialisten 1945. Der Kirchturm
       fing Feuer, als britische Flieger die Stadt bombardierten, ein Blindgänger
       explodierte im Kircheninneren. Im ruinösen Zustand verblieb die Kirche bis
       1968. Da hatte die SED-Regierung die Sprengung der Kirchenreste
       beschlossen. Auf dem Gelände wurde schließlich das Rechenzentrum Potsdam
       errichtet, das bis heute dort steht.
       
       Es gab noch zwei Deutschlands, als die Idee des Wiederaufbaus der
       Garnisonkirche erstmalig aufkam. Von westdeutscher Seite wohlgemerkt,
       [1][es war der Bundeswehroffizier Max Klaar, der schon 1984 mittels Spenden
       das Potsdamer Glockenspiel rekonstruieren ließ.] Einschließlich der
       Widmungen für die deutschen Ostgebiete jenseits der Oder-Neiße-Grenze. Seit
       1991 steht das Glockenspiel nahe seiner ehemaligen Wirkungsstätte,
       allerdings darf es seit fünf Jahren nicht mehr erklingen. Ein Gutachten
       hatte die militaristischen Inschriften als „unzumutbar“ ausgewiesen. Dabei
       waren einige der Gravierungen bereits vor Aufstellung entfernt worden. Das
       „suum cuique“, zu Deutsch „Jedem das Seine“, ist weiterhin sichtbar.
       
       Doch Klaar dachte ohnehin größer, hatte von Anfang an den Wiederaufbau der
       gesamten Kirche im Sinn. Es fanden sich so einige Unterstützer:innen
       des Vorhabens, 2004 traten sie mit dem „Ruf aus Potsdam“ an die
       Öffentlichkeit. Angela Merkel und die verstorbene britische Königin
       Elisabeth II. spendeten Ziegelsteine. Klaar, seit einigen Jahren
       Vorsitzender des rechtsextremen Verbands deutscher Soldaten, zog sich aus
       dem Projekt Wiederaufbau zwar zurück, doch der Stein war ins Rollen
       gebracht. Die evangelische Kirche war ins Boot geholt worden, 2013 stufte
       der damalige Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien Bernd
       Neumann (CDU) die Garnisonkirche als national bedeutendes Kulturdenkmal
       ein. Der Bund finanzierte den Wiederaufbau schließlich mit, und das nicht
       zu knapp.
       
       Allein durch Spenden, das wurde nach und nach klar, ließ sich das Projekt
       nämlich nicht finanzieren. Dabei hatte Neumanns Nachfolgerin,
       Kulturstaatsministerin Monika Grütters, noch erklärt, [2][die öffentlichen
       Mittel sollten lediglich als Anreiz für potenzielle Spender wirken.] Der
       weitaus größere Teil der Kosten solle aus privaten Mitteln aufgebracht
       werden, sagte die CDU-Politikerin 2014, drei Jahre vor Baubeginn. Die auf
       42 Millionen Euro angestiegenen Baukosten trug mit 25 Millionen mehr als
       zur Hälfte schließlich der Bund, 5 Millionen gab die evangelische Kirche
       als Darlehen dazu. Zur Fertigstellung des Turms fehlen noch 5 Millionen
       Euro an Spenden. Immerhin, die Besucherterrasse hat Quizmaster Günther
       Jauch gespendet, der als Potsdamer den Wiederaufbau schon lange
       unterstützt. Die Kapelle der Kirche wurde in diesem Frühjahr bereits mit
       einem Gottesdienst eingeweiht.
       
       Einen „barocken Skyscraper“ nannte der Spiegel den wiederaufgebauten
       Kirchturm kürzlich. Und wirklich steht der Turm – noch ohne Turmhaube, die
       erst 2025 aufgesetzt werden soll – etwas fremd an der Breiten Straße in
       Potsdam. So einige Befürworter:innen der Rekonstruktion träumen daher
       vom Wiederaufbau des Kirchenschiffs. Dabei ist nicht nur die Finanzierung
       ungewiss. [3][Dem Gebäudeteil müsste zudem das Rechenzentrum weichen,] das
       seit Jahren als Kunst- und Kreativhaus genutzt wird. Nur noch bis 2026 ist
       dessen Erhalt gesichert.
       
       22 Aug 2024
       
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