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       # taz.de -- Wahlen in Sachsen und Thüringen: Wie ich kurz der AfD die Daumen drückte
       
       > Es ist kaum verdaulich, was in Thüringen und Sachsen gewählt wurde. Da
       > kann einem eine paradoxe Wut auf Demokraten wegen der Antidemokraten
       > kommen.
       
   IMG Bild: Nach der Wahl ist vor der Wahl. Jetzt kommt Brandenburg
       
       Wenige Stunden nach der 18-Uhr-Prognose am vergangenen Wahlabend und einige
       hanebüchene Politiker-Statements später sollte für mich der eigentliche
       Schock erst noch kommen: Ich erwischte mich dabei, der Sachsen-AfD im
       knappen Rennen um Platz eins die Daumen zu drücken.
       
       Es war zwar nur ein kurzer Moment, aber er dauerte viel zu lang. Gott im
       Himmel, dachte ich, na, dann sollen die halt auch dort stärkste Kraft
       werden.
       
       Icke. Antirassistischer taz-Autor und selbsternannter Menschen-Connaisseur,
       vor dem Bildschirm in seinem safe-spacigen Berliner Kleinod. Was zur
       Hölle…?! Natürlich ist das alles ohne jeden Sinn und Verstand. Aber was ist
       denn heute noch mit Sinn und Verstand!?
       
       Es war bestimmt eine Art Affektstau, der sich schließlich in jenem kurzen
       Moment entladen hat. Ich war aufgebracht. Ein Instant-Wutbürger. Memento
       wuti. Paradoxe Wut auf parteipolitische Demokraten wegen der
       Antidemokraten.
       
       Die ersten Reaktionen der CDU waren aber auch schier unerträglich. Als
       hätten sie die absolute Mehrheit geholt. Dabei haben sie in Sachsen und
       Thüringen ihr [1][schlechtestes] beziehungsweise [2][zweitschlechtestes]
       Wahlergebnis seit 1990 eingefahren. Laut ARD stimmten mehr als die Hälfte
       der CDU-Wähler:innen nur deshalb für die CDU, „damit die AfD nicht zu viel
       Einfluss bekommt“. In beiden Ländern erlangte selbige jeweils über 30
       Prozent – und das trotz (oder wegen?) Rekordwahlbeteiligung.
       
       In [3][den Altersgruppen unter 35] wurden die Rechtsextremen mit Abstand
       stärkste Kraft. Bei den 18- bis 24-Jährigen in Thüringen bekamen sie den
       [4][höchsten Stimmenanteil unter allen (!) Altersgruppen]. Wie kann man
       sich da als CDU so dermaßen selbstbesoffen feiern, allemal nach Monaten der
       fahrlässigen Anbiederung an rechtsextremes Framing?
       
       Es ist beileibe nicht nur die CDU. Olaf Scholz’ erste und zugleich
       mutmaßlich aufgewühlteste Reaktion auf den Wahlausgang lautete: „Bitter!“
       Na, dann. Für seine unsortierten emotionalen Verhältnisse wahrscheinlich
       ein Kraftausdruck sondergleichen. Saskia Esken sagte am Tag nach der Wahl
       bezüglich einer erneuten – recht aussichtslosen – Kanzlerkandidatur von
       Olaf Scholz, man habe kurz vor der vergangenen Bundestagswahl den Wind
       gedreht, das werde auch diesmal gelingen. Aha. Na, dann bleibt nur zu
       hoffen, dass Armin Laschet und Annalena Baerbock auch noch mal antreten.
       
       Christian Lindner, mit seiner FDP bald nur noch in einer Petrischale unter
       einem Mikroskop sichtbar, schoss gleich weiter: „Die Leute (haben) die
       Schnauze voll davon, dass der Staat die Kontrolle möglicherweise verloren
       hat bei Einwanderung und Asyl nach Deutschland.“ Als wenn die Strategie,
       von der rechten Standspur aus gegen die eigene Koalition zu koffern, in der
       Vergangenheit genauso gutgegangen wäre, wie auch diesmal nicht.
       
       Uff. Die Grünen lecken immerhin öffentlich Wunden, ihre Selbstkritik ist
       aber ein Allgemeinplatz und bislang ohne echte Konsequenz.
       
       Was bleibt? Ein naiver Streich meines inneren rechten Trolls ohne schlimme
       Folgen, aber als Beweis eines kaum noch erträglichen wutgeleiteten
       Ohnmachtsgefühls. Was noch? Tausende Wahlkämpfer:innen, die nicht nur in
       Sachsen und Thüringen authentisch, integer und wahrhaftig den
       Antidemokraten die Stirn bieten, ohne in der großstädtischen Anonymität der
       Masse Schutz suchen zu können. Mein Respekt und meine Bewunderung für ihren
       Mut und ihre echte Heimatliebe.
       
       Hoffentlich haben sie die bessere Kondition als ihr schnappatmendes
       Spitzenpersonal im geistigen Bermudadreieck zwischen Berliner
       Politik-Bubble, Medienzirkus der Hauptstadtredaktionen und Schreihalsigkeit
       der eigenen Social-Media-Communitys. Shoutouts für Brandenburg in zwei
       Wochen!
       
       7 Sep 2024
       
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   DIR [1] https://www.wahlrecht.de/ergebnisse/sachsen.htm
   DIR [2] https://www.wahlrecht.de/ergebnisse/thueringen.htm
   DIR [3] https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/landtagswahl-sachsen-wer-waehlte-wen-100.html
   DIR [4] https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/landtagswahl-thueringen-wer-waehlte-wen-100.html
       
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