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       # taz.de -- Zu koreanischem Pop tanzen lernen: Hände, die ein Herz formen
       
       > Choreografien von Blackpink, Le Sserafim oder Evnne in Hamburg: Bei Seoul
       > Station lernen Kinder und Jugendliche die Schritte des K-Pop.
       
   IMG Bild: Ein typisches Fan-Event: An einem öffentlichen Ort wird K-Pop gespielt. Alle, die die Choreografie kennen, tanzen spontan mit
       
       Gespannte Elternaugenpaare schauen von draußen in das Tanzstudio „Seoul
       Station“. Von drinnen zufriedenes Lachen. Kurz darauf springen lauter etwa
       zehnjährige Kids auf den Gehsteig der Wandsbeker Chaussee in
       Hamburg-Eilbek. Ankommende Jugendliche für die nächste Stunde schieben sich
       schüchtern und leise vorbei.
       
       Die Seoul Station möchte mehr als eine Tanzschule sein. Als einen „Ort für
       die Community“ habe sich die Schule gegründet, sagt Studiomanagerin Zoe.
       Denn alle, die herkommen, teilen eines: ihre [1][Liebe zum K-Pop], also zu
       südkoreanischer Popmusik. Bekannt wurde sie 2012 mit „Gangnam Style“, in
       dem Rapper Psy [2][auf einem Luftpferd galoppiert]. Fast alle Jugendlichen
       haben heute auch von anderen Gruppen wie BTS oder Blackpink gehört.
       
       Die K-Pop-Liebe sei mal mehr, mal weniger stark, sagt Trainerin Sarah,
       einige kämen nur um des Tanzens willen in den Saal. „Es geben nicht alle
       ihr Leben für K-Pop“, sagt sie lachend. Eine Schülerin hat mitgehört und
       widerspricht lautlos mit starrem Blick und mechanischem Nicken, so als
       wollte sie sagen: „Doch, ich schon.“
       
       Der K-Pop ist eine Welt, die anfällig ist für Idealisierung: Menschen, die
       nicht nur normperfekt aussehen, sondern übernormperfekt performen, singen
       und tanzen. Kein Wunder, dass dem nachgeeifert werden will. Ein
       wesentlicher Teil des K-Pop-Fan-Daseins besteht allerdings nicht darin,
       sich wie die Stars Schönheitsoperationen zu unterziehen, sondern einfach
       darin, die Choreografien zu erlernen.
       
       Im K-Pop werden die Tänze direkt zusammen mit der Musik produziert,
       aufgenommen und veröffentlicht. Eine Person, die gerade singt, steht für
       wenige Sekunden im Mittelpunkt, dann die nächste – während die Gruppe
       ultrasynchron und schnell weitertanzt. Dabei fließen Tanzstile wie Afro,
       Hip-Hop und Commercial ein.
       
       Eine Schülerin bei Seoul Station fand während der Pandemie Zuflucht vor
       Familienstreit im K-Pop. [3][Über Youtube brachte sie sich die ersten
       Choreografien bei], so fangen viele an. Bei K-Pop-Events kann man die Tänze
       dann präsentieren oder andere Fans treffen. Zum Beispiel hier im
       Tanzstudio, wo die Schritte der Gruppenchoreografien beigebracht werden.
       
       Die Pause zwischen den Unterrichtsstunden zieht sich. Die 13- bis
       24-Jährigen warten auf der breiten grauen Sitzfläche vor der blickdicht
       abgeklebten Fensterfront im Studio darauf, dass es losgeht. Ihr Schweigen
       breitet sich im Saal aus, die vorgezogenen Schultern und runden Rücken
       zeugen von Unsicherheit.
       
       Fast erleichtert stellen sich die zwölf Personen in drei groben Reihen auf,
       als die Trainerin startet. Zum Aufwärmen schallt ein
       Koreanisch-Englisch-Mix, sogar mit spanischen Zeilen, aus den Boxen. Eine
       Schülerin hört kurz hin, grinst und deutet dann kleine Handbewegungen an.
       Sie kennt die originale Choreografie zum Lied.
       
       Trainerin Sarah macht vor, die anderen nach. Ein paar Takte der eine, ein
       paar Takte der nächste Schritt. In der vorderen Reihe sieht das
       locker-federnd aus, je weiter hinten, desto holprig-verkrampfter wird es.
       Die meisten bringen Tanzerfahrung mit, sogar hier im Einstiegskurs. Manche
       sind sechsmal die Woche beim Training, andere nur einmal.
       
       Ein paar Grad Celsius später geht es ans Dehnen. Viele gestreckte Beine
       sind ganz locker fast im Spagat, andere zittern beim Versuch. Danach geht
       es an den Tanz für heute. Trainerin Sarah erklärt, wiederholt, berichtigt
       Schritt um Schritt. Was sie vorher als anfänger*innenfreundlich
       bezeichnete, ist dann doch „einfach sehr schnell“.
       
       Daher tanzt die Gruppe erst zu verzerrter Musik, die mit 75-prozentiger
       Geschwindigkeit abgespielt wird. Am Schluss: dreimal in originaler
       Geschwindigkeit tanzen. Einige hetzen durch die Choreografie, andere singen
       nebenbei leicht mit. [4][„Badder Love“, schallt es durch den Saal], während
       die Hände ein umständliches Herz formen.
       
       Heute gab es kein gemeinsames Tanzvideo, trotzdem bleibt niemand
       unentdeckt. Hier lernen die Tanzenden, sich zu zeigen, vor anderen und vor
       sich selbst.
       
       13 Sep 2024
       
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